"Herr, hast du dich wirklich mit meinem Vater aus- gesöhnt?"
"So ist es."
"Und hast du ihm vollständig verziehen?"
"Vollständig."
"Und er zürnt mir nicht? Er wird mich nicht schelten?"
"Er wird dir nicht ein unfreundliches Wort sagen."
"Wirst du ihn einmal besuchen?"
"Bin ich denn dir und ihm willkommen, Ingdscha?"
"Ja, Herr!"
"So komme ich bald, vielleicht schon heute, vielleicht auch morgen."
"Ich danke dir. Lebe wohl!"
Sie reichte mir die Hand und schritt weiter.
Madana aber blieb bei mir stehen und wartete, bis das Mädchen außer Hörweite war; dann fragte sie:
"Herr, weißt du noch, was wir gestern gesprochen haben?"
Ich ahnte, was jetzt kommen werde, und antwortete daher lächelnd:
"Jedes Wort."
"Und doch hast du ein Wort vergessen."
"Ah! Welches?"
"Besinne dich!"
"Ich glaube, alles zu wissen."
"O, grad das beste, das allerbeste Wort hast du ver- gessen."
"So sage es!"
"Das Wort von dem Geschenke!"
"Meine gute Madana, ich habe es nicht vergessen. Verzeihe mir, ich komme aus einem Lande, wo man die Frauen höher hält, als alles andere. Sie, die so schön,
„Herr, haſt du dich wirklich mit meinem Vater aus- geſöhnt?“
„So iſt es.“
„Und haſt du ihm vollſtändig verziehen?“
„Vollſtändig.“
„Und er zürnt mir nicht? Er wird mich nicht ſchelten?“
„Er wird dir nicht ein unfreundliches Wort ſagen.“
„Wirſt du ihn einmal beſuchen?“
„Bin ich denn dir und ihm willkommen, Ingdſcha?“
„Ja, Herr!“
„So komme ich bald, vielleicht ſchon heute, vielleicht auch morgen.“
„Ich danke dir. Lebe wohl!“
Sie reichte mir die Hand und ſchritt weiter.
Madana aber blieb bei mir ſtehen und wartete, bis das Mädchen außer Hörweite war; dann fragte ſie:
„Herr, weißt du noch, was wir geſtern geſprochen haben?“
Ich ahnte, was jetzt kommen werde, und antwortete daher lächelnd:
„Jedes Wort.“
„Und doch haſt du ein Wort vergeſſen.“
„Ah! Welches?“
„Beſinne dich!“
„Ich glaube, alles zu wiſſen.“
„O, grad das beſte, das allerbeſte Wort haſt du ver- geſſen.“
„So ſage es!“
„Das Wort von dem Geſchenke!“
„Meine gute Madana, ich habe es nicht vergeſſen. Verzeihe mir, ich komme aus einem Lande, wo man die Frauen höher hält, als alles andere. Sie, die ſo ſchön,
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„Herr, haſt du dich wirklich mit meinem Vater aus-
geſöhnt?“
„So iſt es.“
„Und haſt du ihm vollſtändig verziehen?“
„Vollſtändig.“
„Und er zürnt mir nicht? Er wird mich nicht
ſchelten?“
„Er wird dir nicht ein unfreundliches Wort ſagen.“
„Wirſt du ihn einmal beſuchen?“
„Bin ich denn dir und ihm willkommen, Ingdſcha?“
„Ja, Herr!“
„So komme ich bald, vielleicht ſchon heute, vielleicht
auch morgen.“
„Ich danke dir. Lebe wohl!“
Sie reichte mir die Hand und ſchritt weiter.
Madana aber blieb bei mir ſtehen und wartete, bis
das Mädchen außer Hörweite war; dann fragte ſie:
„Herr, weißt du noch, was wir geſtern geſprochen
haben?“
Ich ahnte, was jetzt kommen werde, und antwortete
daher lächelnd:
„Jedes Wort.“
„Und doch haſt du ein Wort vergeſſen.“
„Ah! Welches?“
„Beſinne dich!“
„Ich glaube, alles zu wiſſen.“
„O, grad das beſte, das allerbeſte Wort haſt du ver-
geſſen.“
„So ſage es!“
„Das Wort von dem Geſchenke!“
„Meine gute Madana, ich habe es nicht vergeſſen.
Verzeihe mir, ich komme aus einem Lande, wo man die
Frauen höher hält, als alles andere. Sie, die ſo ſchön,
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/642>, abgerufen am 25.11.2024.
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