Da trat der Erwähnte zu mir heran und reichte mir die Hand entgegen.
"Herr, sei auch mein Freund und Bruder, und ver- zeihe mir! Ich bin auf falschem Wege gewandelt und will gern umkehren. Du sollst alles wieder erhalten, was ich dir abgenommen habe, und ich werde gleich jetzt zum Ver- sammlungsorte meiner Leute gehen, um ihnen zu sagen, daß Frieden ist."
"Nedschir-Bey, nimm meine Hand; ich verzeihe dir gern! Aber weißt du, wer mich aus der Gefangenschaft befreit hat?"
"Ich weiß es. Marah Durimeh hat es mir gesagt. Madana und Ingdscha sind es gewesen, und meine Tochter hat dich dann selbst zum Ruh 'i kulyan geführt."
"Du zürnest den beiden?"
"Ich hätte ihnen sehr gezürnt und sie sehr hart be- straft; aber die Worte der alten Meleka haben mir die Erkenntnis gebracht, daß die beiden Frauen sehr wohl gehandelt haben. Erlaube, daß auch ich dich besuche!"
"Ich bitte dich darum! Nun aber kommt, ihr Brü- der! Meine zwei Gefährten werden sich um uns sorgen."
Wir verließen den geheimnisvollen Ort, klimmten die Anhöhe empor und fanden den Engländer und Halef wirklich in großer Sorge um mich.
"Wo bleibt ihr denn, Master?" rief mir Lindsay entgegen. "Beinahe wäre ich gekommen, um diesen Hole- ghost um euretwillen totzuschlagen!"
"Ihr seht, daß diese kühne That nicht nötig war, Sir."
"Was gab es denn da unten?"
"Später, später; jetzt wollen wir aufbrechen."
Da nahm mich Halef beim Arme.
"Sihdi," raunte er mir zu, "dieser Mann ist ja nicht mehr gefesselt!"
Da trat der Erwähnte zu mir heran und reichte mir die Hand entgegen.
„Herr, ſei auch mein Freund und Bruder, und ver- zeihe mir! Ich bin auf falſchem Wege gewandelt und will gern umkehren. Du ſollſt alles wieder erhalten, was ich dir abgenommen habe, und ich werde gleich jetzt zum Ver- ſammlungsorte meiner Leute gehen, um ihnen zu ſagen, daß Frieden iſt.“
„Nedſchir-Bey, nimm meine Hand; ich verzeihe dir gern! Aber weißt du, wer mich aus der Gefangenſchaft befreit hat?“
„Ich weiß es. Marah Durimeh hat es mir geſagt. Madana und Ingdſcha ſind es geweſen, und meine Tochter hat dich dann ſelbſt zum Ruh 'i kulyan geführt.“
„Du zürneſt den beiden?“
„Ich hätte ihnen ſehr gezürnt und ſie ſehr hart be- ſtraft; aber die Worte der alten Meleka haben mir die Erkenntnis gebracht, daß die beiden Frauen ſehr wohl gehandelt haben. Erlaube, daß auch ich dich beſuche!“
„Ich bitte dich darum! Nun aber kommt, ihr Brü- der! Meine zwei Gefährten werden ſich um uns ſorgen.“
Wir verließen den geheimnisvollen Ort, klimmten die Anhöhe empor und fanden den Engländer und Halef wirklich in großer Sorge um mich.
„Wo bleibt ihr denn, Maſter?“ rief mir Lindſay entgegen. „Beinahe wäre ich gekommen, um dieſen Hole- ghost um euretwillen totzuſchlagen!“
„Ihr ſeht, daß dieſe kühne That nicht nötig war, Sir.“
„Was gab es denn da unten?“
„Später, ſpäter; jetzt wollen wir aufbrechen.“
Da nahm mich Halef beim Arme.
„Sihdi,“ raunte er mir zu, „dieſer Mann iſt ja nicht mehr gefeſſelt!“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0631"n="617"/><p>Da trat der Erwähnte zu mir heran und reichte mir<lb/>
die Hand entgegen.</p><lb/><p>„Herr, ſei auch mein Freund und Bruder, und ver-<lb/>
zeihe mir! Ich bin auf falſchem Wege gewandelt und will<lb/>
gern umkehren. Du ſollſt alles wieder erhalten, was ich<lb/>
dir abgenommen habe, und ich werde gleich jetzt zum Ver-<lb/>ſammlungsorte meiner Leute gehen, um ihnen zu ſagen,<lb/>
daß Frieden iſt.“</p><lb/><p>„Nedſchir-Bey, nimm meine Hand; ich verzeihe dir<lb/>
gern! Aber weißt du, wer mich aus der Gefangenſchaft<lb/>
befreit hat?“</p><lb/><p>„Ich weiß es. Marah Durimeh hat es mir geſagt.<lb/>
Madana und Ingdſcha ſind es geweſen, und meine Tochter<lb/>
hat dich dann ſelbſt zum Ruh 'i kulyan geführt.“</p><lb/><p>„Du zürneſt den beiden?“</p><lb/><p>„Ich hätte ihnen ſehr gezürnt und ſie ſehr hart be-<lb/>ſtraft; aber die Worte der alten Meleka haben mir die<lb/>
Erkenntnis gebracht, daß die beiden Frauen ſehr wohl<lb/>
gehandelt haben. Erlaube, daß auch ich dich beſuche!“</p><lb/><p>„Ich bitte dich darum! Nun aber kommt, ihr Brü-<lb/>
der! Meine zwei Gefährten werden ſich um uns ſorgen.“</p><lb/><p>Wir verließen den geheimnisvollen Ort, klimmten<lb/>
die Anhöhe empor und fanden den Engländer und Halef<lb/>
wirklich in großer Sorge um mich.</p><lb/><p>„Wo bleibt ihr denn, Maſter?“ rief mir Lindſay<lb/>
entgegen. „Beinahe wäre ich gekommen, um dieſen <hirendition="#aq">Hole-<lb/>
ghost</hi> um euretwillen totzuſchlagen!“</p><lb/><p>„Ihr ſeht, daß dieſe kühne That nicht nötig war, Sir.“</p><lb/><p>„Was gab es denn da unten?“</p><lb/><p>„Später, ſpäter; jetzt wollen wir aufbrechen.“</p><lb/><p>Da nahm mich Halef beim Arme.</p><lb/><p>„Sihdi,“ raunte er mir zu, „dieſer Mann iſt ja nicht<lb/>
mehr gefeſſelt!“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[617/0631]
Da trat der Erwähnte zu mir heran und reichte mir
die Hand entgegen.
„Herr, ſei auch mein Freund und Bruder, und ver-
zeihe mir! Ich bin auf falſchem Wege gewandelt und will
gern umkehren. Du ſollſt alles wieder erhalten, was ich
dir abgenommen habe, und ich werde gleich jetzt zum Ver-
ſammlungsorte meiner Leute gehen, um ihnen zu ſagen,
daß Frieden iſt.“
„Nedſchir-Bey, nimm meine Hand; ich verzeihe dir
gern! Aber weißt du, wer mich aus der Gefangenſchaft
befreit hat?“
„Ich weiß es. Marah Durimeh hat es mir geſagt.
Madana und Ingdſcha ſind es geweſen, und meine Tochter
hat dich dann ſelbſt zum Ruh 'i kulyan geführt.“
„Du zürneſt den beiden?“
„Ich hätte ihnen ſehr gezürnt und ſie ſehr hart be-
ſtraft; aber die Worte der alten Meleka haben mir die
Erkenntnis gebracht, daß die beiden Frauen ſehr wohl
gehandelt haben. Erlaube, daß auch ich dich beſuche!“
„Ich bitte dich darum! Nun aber kommt, ihr Brü-
der! Meine zwei Gefährten werden ſich um uns ſorgen.“
Wir verließen den geheimnisvollen Ort, klimmten
die Anhöhe empor und fanden den Engländer und Halef
wirklich in großer Sorge um mich.
„Wo bleibt ihr denn, Maſter?“ rief mir Lindſay
entgegen. „Beinahe wäre ich gekommen, um dieſen Hole-
ghost um euretwillen totzuſchlagen!“
„Ihr ſeht, daß dieſe kühne That nicht nötig war, Sir.“
„Was gab es denn da unten?“
„Später, ſpäter; jetzt wollen wir aufbrechen.“
Da nahm mich Halef beim Arme.
„Sihdi,“ raunte er mir zu, „dieſer Mann iſt ja nicht
mehr gefeſſelt!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/631>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.