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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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"Ja, Emir. Wer hätte dies gedacht!"

"Ich! Ich habe es geahnt schon seit längerer Zeit.
Was habt ihr mit ihr gesprochen?"

"Das ist Geheimnis und wird Geheimnis bleiben.
Herr, diese Frau ist eine berühmte Meleka *), und was
sie zu uns redete, hat unsere Herzen zum Frieden gestimmt.
Die Berwari werden unsere Gäste sein und Lizan dann
als unsere Freunde verlassen."

"Ist dies wirklich so?" fragte ich, herzlich erfreut.

"Es ist so," antwortete der Bey von Gumri. "Und
weißt du, wem wir dies zu verdanken haben?"

"Dem Ruh 'i kulyan."

"Ja, aber zunächst doch dir. Emir, die alte Königin
hat uns befohlen, deine Freunde zu sein, aber wir waren
es ja bereits schon vorher. Bleibe bei uns in diesem Lande
als mein Bruder und als unser aller Bruder!"

"Ich danke euch! Auch ich liebe das Land meiner
Väter und möchte einst mein Haupt in demselben zur Ruhe
legen; aber ich werde mit meinen Gefährten bei euch weilen
so lange, als es meine Zeit gestattet. Wird Marah Duri-
meh auch fernerhin der Ruh 'i kulyan bleiben?"

"Ja, doch niemand darf es wissen, daß sie es ist.
Wir haben geschworen, es zu verschweigen, bis sie ge-
storben ist. Auch du wirst nicht davon sprechen, Emir?"

"Zu keinem Menschen!"

"Sie wird dich morgen nach der Zeit des Mittages
in meinem Hause besuchen, denn sie hat dich lieb, als ob
du ihr Sohn oder Enkel seist," bemerkte der Melek. "Jetzt
aber laßt uns gehen."

"Und die Chaldani, die Nedschir-Bey zusammen-
gerufen hat?" fragte ich rasch, denn ich wollte sicher gehen.

*) Königin.

„Ja, Emir. Wer hätte dies gedacht!“

„Ich! Ich habe es geahnt ſchon ſeit längerer Zeit.
Was habt ihr mit ihr geſprochen?“

„Das iſt Geheimnis und wird Geheimnis bleiben.
Herr, dieſe Frau iſt eine berühmte Meleka *), und was
ſie zu uns redete, hat unſere Herzen zum Frieden geſtimmt.
Die Berwari werden unſere Gäſte ſein und Lizan dann
als unſere Freunde verlaſſen.“

„Iſt dies wirklich ſo?“ fragte ich, herzlich erfreut.

„Es iſt ſo,“ antwortete der Bey von Gumri. „Und
weißt du, wem wir dies zu verdanken haben?“

„Dem Ruh 'i kulyan.“

„Ja, aber zunächſt doch dir. Emir, die alte Königin
hat uns befohlen, deine Freunde zu ſein, aber wir waren
es ja bereits ſchon vorher. Bleibe bei uns in dieſem Lande
als mein Bruder und als unſer aller Bruder!“

„Ich danke euch! Auch ich liebe das Land meiner
Väter und möchte einſt mein Haupt in demſelben zur Ruhe
legen; aber ich werde mit meinen Gefährten bei euch weilen
ſo lange, als es meine Zeit geſtattet. Wird Marah Duri-
meh auch fernerhin der Ruh 'i kulyan bleiben?“

„Ja, doch niemand darf es wiſſen, daß ſie es iſt.
Wir haben geſchworen, es zu verſchweigen, bis ſie ge-
ſtorben iſt. Auch du wirſt nicht davon ſprechen, Emir?“

„Zu keinem Menſchen!“

„Sie wird dich morgen nach der Zeit des Mittages
in meinem Hauſe beſuchen, denn ſie hat dich lieb, als ob
du ihr Sohn oder Enkel ſeiſt,“ bemerkte der Melek. „Jetzt
aber laßt uns gehen.“

„Und die Chaldani, die Nedſchir-Bey zuſammen-
gerufen hat?“ fragte ich raſch, denn ich wollte ſicher gehen.

*) Königin.
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[616/0630] „Ja, Emir. Wer hätte dies gedacht!“ „Ich! Ich habe es geahnt ſchon ſeit längerer Zeit. Was habt ihr mit ihr geſprochen?“ „Das iſt Geheimnis und wird Geheimnis bleiben. Herr, dieſe Frau iſt eine berühmte Meleka *), und was ſie zu uns redete, hat unſere Herzen zum Frieden geſtimmt. Die Berwari werden unſere Gäſte ſein und Lizan dann als unſere Freunde verlaſſen.“ „Iſt dies wirklich ſo?“ fragte ich, herzlich erfreut. „Es iſt ſo,“ antwortete der Bey von Gumri. „Und weißt du, wem wir dies zu verdanken haben?“ „Dem Ruh 'i kulyan.“ „Ja, aber zunächſt doch dir. Emir, die alte Königin hat uns befohlen, deine Freunde zu ſein, aber wir waren es ja bereits ſchon vorher. Bleibe bei uns in dieſem Lande als mein Bruder und als unſer aller Bruder!“ „Ich danke euch! Auch ich liebe das Land meiner Väter und möchte einſt mein Haupt in demſelben zur Ruhe legen; aber ich werde mit meinen Gefährten bei euch weilen ſo lange, als es meine Zeit geſtattet. Wird Marah Duri- meh auch fernerhin der Ruh 'i kulyan bleiben?“ „Ja, doch niemand darf es wiſſen, daß ſie es iſt. Wir haben geſchworen, es zu verſchweigen, bis ſie ge- ſtorben iſt. Auch du wirſt nicht davon ſprechen, Emir?“ „Zu keinem Menſchen!“ „Sie wird dich morgen nach der Zeit des Mittages in meinem Hauſe beſuchen, denn ſie hat dich lieb, als ob du ihr Sohn oder Enkel ſeiſt,“ bemerkte der Melek. „Jetzt aber laßt uns gehen.“ „Und die Chaldani, die Nedſchir-Bey zuſammen- gerufen hat?“ fragte ich raſch, denn ich wollte ſicher gehen. *) Königin.

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/630>, abgerufen am 25.11.2024.