"Weiß nicht. Es war dunkel oben während meiner Anwesenheit."
"Felsen! Höhlen! Ruinen! Geister! Vielleicht auch Fowling-bulls?"
"Ich glaube nicht."
"Und dennoch gehe ich mit! War hier so lange allein; kein Mensch versteht mich. Bin froh, daß ich Euch wieder habe. Nehmt mich mit!"
"Nun wohl; aber zu sehen werdet Ihr wohl nichts bekommen."
"Disagreeable, uncivil! Wollte auch einmal Geist sehen -- Geist oder Gespenst! Gehe aber doch mit! Yes!"
Als wir aus dem Hause traten, war die ganze Be- völkerung Lizans vor demselben versammelt; doch herrschte trotz der vielen Menschen eine tiefe Stille. Man sah bei dem Scheine der Fackeln ganz deutlich, daß ich mit Halefs Hilfe den Rais auf das Pferd befestigte; aber keine Lippe regte sich, um nach der Ursache dieses gewiß ungewöhn- lichen Verfahrens zu fragen. Unsere Pferde nebst den nötigen Fackeln wurden herbeigeschafft, und dann erst, als wir aufsaßen, erklärte der Melek den Versammelten, daß wir im Begriffe ständen, den Ruh 'i kulyan aufzusuchen. Er befahl, bis zu unserer Wiederkehr nicht das geringste zu unternehmen, und dann ritten wir zwischen den er- staunten Zuhörern davon.
Voran ritt der Melek mit dem Bey; dann folgte Halef, der das Pferd des Rais am Zügel führte, und der Engländer beschloß mit mir den kleinen Zug. Der Melek und Lindsay trugen die beiden Fackeln, die den Weg erleuchten sollten.
Dieser Weg war zunächst ein gebahnter Pfad; später wichen wir von demselben ab, hatten aber Raum genug
„Felſen? Giebt's da Ruinen?“
„Weiß nicht. Es war dunkel oben während meiner Anweſenheit.“
„Felſen! Höhlen! Ruinen! Geiſter! Vielleicht auch Fowling-bulls?“
„Ich glaube nicht.“
„Und dennoch gehe ich mit! War hier ſo lange allein; kein Menſch verſteht mich. Bin froh, daß ich Euch wieder habe. Nehmt mich mit!“
„Nun wohl; aber zu ſehen werdet Ihr wohl nichts bekommen.“
„Disagreeable, uncivil! Wollte auch einmal Geiſt ſehen — Geiſt oder Geſpenſt! Gehe aber doch mit! Yes!“
Als wir aus dem Hauſe traten, war die ganze Be- völkerung Lizans vor demſelben verſammelt; doch herrſchte trotz der vielen Menſchen eine tiefe Stille. Man ſah bei dem Scheine der Fackeln ganz deutlich, daß ich mit Halefs Hilfe den Raïs auf das Pferd befeſtigte; aber keine Lippe regte ſich, um nach der Urſache dieſes gewiß ungewöhn- lichen Verfahrens zu fragen. Unſere Pferde nebſt den nötigen Fackeln wurden herbeigeſchafft, und dann erſt, als wir aufſaßen, erklärte der Melek den Verſammelten, daß wir im Begriffe ſtänden, den Ruh 'i kulyan aufzuſuchen. Er befahl, bis zu unſerer Wiederkehr nicht das geringſte zu unternehmen, und dann ritten wir zwiſchen den er- ſtaunten Zuhörern davon.
Voran ritt der Melek mit dem Bey; dann folgte Halef, der das Pferd des Raïs am Zügel führte, und der Engländer beſchloß mit mir den kleinen Zug. Der Melek und Lindſay trugen die beiden Fackeln, die den Weg erleuchten ſollten.
Dieſer Weg war zunächſt ein gebahnter Pfad; ſpäter wichen wir von demſelben ab, hatten aber Raum genug
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0624"n="610"/><p>„Felſen? Giebt's da Ruinen?“</p><lb/><p>„Weiß nicht. Es war dunkel oben während meiner<lb/>
Anweſenheit.“</p><lb/><p>„Felſen! Höhlen! Ruinen! Geiſter! Vielleicht auch<lb/>
Fowling-bulls?“</p><lb/><p>„Ich glaube nicht.“</p><lb/><p>„Und dennoch gehe ich mit! War hier ſo lange<lb/>
allein; kein Menſch verſteht mich. Bin froh, daß ich<lb/>
Euch wieder habe. Nehmt mich mit!“</p><lb/><p>„Nun wohl; aber zu ſehen werdet Ihr wohl nichts<lb/>
bekommen.“</p><lb/><p>„<hirendition="#aq">Disagreeable, uncivil!</hi> Wollte auch einmal Geiſt<lb/>ſehen — Geiſt oder Geſpenſt! Gehe aber doch mit! <hirendition="#aq">Yes!</hi>“</p><lb/><p>Als wir aus dem Hauſe traten, war die ganze Be-<lb/>
völkerung Lizans vor demſelben verſammelt; doch herrſchte<lb/>
trotz der vielen Menſchen eine tiefe Stille. Man ſah bei<lb/>
dem Scheine der Fackeln ganz deutlich, daß ich mit Halefs<lb/>
Hilfe den Raïs auf das Pferd befeſtigte; aber keine Lippe<lb/>
regte ſich, um nach der Urſache dieſes gewiß ungewöhn-<lb/>
lichen Verfahrens zu fragen. Unſere Pferde nebſt den<lb/>
nötigen Fackeln wurden herbeigeſchafft, und dann erſt, als<lb/>
wir aufſaßen, erklärte der Melek den Verſammelten, daß<lb/>
wir im Begriffe ſtänden, den Ruh 'i kulyan aufzuſuchen.<lb/>
Er befahl, bis zu unſerer Wiederkehr nicht das geringſte<lb/>
zu unternehmen, und dann ritten wir zwiſchen den er-<lb/>ſtaunten Zuhörern davon.</p><lb/><p>Voran ritt der Melek mit dem Bey; dann folgte<lb/>
Halef, der das Pferd des Raïs am Zügel führte, und<lb/>
der Engländer beſchloß mit mir den kleinen Zug. Der<lb/>
Melek und Lindſay trugen die beiden Fackeln, die den<lb/>
Weg erleuchten ſollten.</p><lb/><p>Dieſer Weg war zunächſt ein gebahnter Pfad; ſpäter<lb/>
wichen wir von demſelben ab, hatten aber Raum genug<lb/></p></div></body></text></TEI>
[610/0624]
„Felſen? Giebt's da Ruinen?“
„Weiß nicht. Es war dunkel oben während meiner
Anweſenheit.“
„Felſen! Höhlen! Ruinen! Geiſter! Vielleicht auch
Fowling-bulls?“
„Ich glaube nicht.“
„Und dennoch gehe ich mit! War hier ſo lange
allein; kein Menſch verſteht mich. Bin froh, daß ich
Euch wieder habe. Nehmt mich mit!“
„Nun wohl; aber zu ſehen werdet Ihr wohl nichts
bekommen.“
„Disagreeable, uncivil! Wollte auch einmal Geiſt
ſehen — Geiſt oder Geſpenſt! Gehe aber doch mit! Yes!“
Als wir aus dem Hauſe traten, war die ganze Be-
völkerung Lizans vor demſelben verſammelt; doch herrſchte
trotz der vielen Menſchen eine tiefe Stille. Man ſah bei
dem Scheine der Fackeln ganz deutlich, daß ich mit Halefs
Hilfe den Raïs auf das Pferd befeſtigte; aber keine Lippe
regte ſich, um nach der Urſache dieſes gewiß ungewöhn-
lichen Verfahrens zu fragen. Unſere Pferde nebſt den
nötigen Fackeln wurden herbeigeſchafft, und dann erſt, als
wir aufſaßen, erklärte der Melek den Verſammelten, daß
wir im Begriffe ſtänden, den Ruh 'i kulyan aufzuſuchen.
Er befahl, bis zu unſerer Wiederkehr nicht das geringſte
zu unternehmen, und dann ritten wir zwiſchen den er-
ſtaunten Zuhörern davon.
Voran ritt der Melek mit dem Bey; dann folgte
Halef, der das Pferd des Raïs am Zügel führte, und
der Engländer beſchloß mit mir den kleinen Zug. Der
Melek und Lindſay trugen die beiden Fackeln, die den
Weg erleuchten ſollten.
Dieſer Weg war zunächſt ein gebahnter Pfad; ſpäter
wichen wir von demſelben ab, hatten aber Raum genug
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/624>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.