Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

"Felsen? Giebt's da Ruinen?"

"Weiß nicht. Es war dunkel oben während meiner
Anwesenheit."

"Felsen! Höhlen! Ruinen! Geister! Vielleicht auch
Fowling-bulls?"

"Ich glaube nicht."

"Und dennoch gehe ich mit! War hier so lange
allein; kein Mensch versteht mich. Bin froh, daß ich
Euch wieder habe. Nehmt mich mit!"

"Nun wohl; aber zu sehen werdet Ihr wohl nichts
bekommen."

"Disagreeable, uncivil! Wollte auch einmal Geist
sehen -- Geist oder Gespenst! Gehe aber doch mit! Yes!"

Als wir aus dem Hause traten, war die ganze Be-
völkerung Lizans vor demselben versammelt; doch herrschte
trotz der vielen Menschen eine tiefe Stille. Man sah bei
dem Scheine der Fackeln ganz deutlich, daß ich mit Halefs
Hilfe den Rais auf das Pferd befestigte; aber keine Lippe
regte sich, um nach der Ursache dieses gewiß ungewöhn-
lichen Verfahrens zu fragen. Unsere Pferde nebst den
nötigen Fackeln wurden herbeigeschafft, und dann erst, als
wir aufsaßen, erklärte der Melek den Versammelten, daß
wir im Begriffe ständen, den Ruh 'i kulyan aufzusuchen.
Er befahl, bis zu unserer Wiederkehr nicht das geringste
zu unternehmen, und dann ritten wir zwischen den er-
staunten Zuhörern davon.

Voran ritt der Melek mit dem Bey; dann folgte
Halef, der das Pferd des Rais am Zügel führte, und
der Engländer beschloß mit mir den kleinen Zug. Der
Melek und Lindsay trugen die beiden Fackeln, die den
Weg erleuchten sollten.

Dieser Weg war zunächst ein gebahnter Pfad; später
wichen wir von demselben ab, hatten aber Raum genug

„Felſen? Giebt's da Ruinen?“

„Weiß nicht. Es war dunkel oben während meiner
Anweſenheit.“

„Felſen! Höhlen! Ruinen! Geiſter! Vielleicht auch
Fowling-bulls?“

„Ich glaube nicht.“

„Und dennoch gehe ich mit! War hier ſo lange
allein; kein Menſch verſteht mich. Bin froh, daß ich
Euch wieder habe. Nehmt mich mit!“

„Nun wohl; aber zu ſehen werdet Ihr wohl nichts
bekommen.“

Disagreeable, uncivil! Wollte auch einmal Geiſt
ſehen — Geiſt oder Geſpenſt! Gehe aber doch mit! Yes!

Als wir aus dem Hauſe traten, war die ganze Be-
völkerung Lizans vor demſelben verſammelt; doch herrſchte
trotz der vielen Menſchen eine tiefe Stille. Man ſah bei
dem Scheine der Fackeln ganz deutlich, daß ich mit Halefs
Hilfe den Raïs auf das Pferd befeſtigte; aber keine Lippe
regte ſich, um nach der Urſache dieſes gewiß ungewöhn-
lichen Verfahrens zu fragen. Unſere Pferde nebſt den
nötigen Fackeln wurden herbeigeſchafft, und dann erſt, als
wir aufſaßen, erklärte der Melek den Verſammelten, daß
wir im Begriffe ſtänden, den Ruh 'i kulyan aufzuſuchen.
Er befahl, bis zu unſerer Wiederkehr nicht das geringſte
zu unternehmen, und dann ritten wir zwiſchen den er-
ſtaunten Zuhörern davon.

Voran ritt der Melek mit dem Bey; dann folgte
Halef, der das Pferd des Raïs am Zügel führte, und
der Engländer beſchloß mit mir den kleinen Zug. Der
Melek und Lindſay trugen die beiden Fackeln, die den
Weg erleuchten ſollten.

Dieſer Weg war zunächſt ein gebahnter Pfad; ſpäter
wichen wir von demſelben ab, hatten aber Raum genug

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0624" n="610"/>
        <p>&#x201E;Fel&#x017F;en? Giebt's da Ruinen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weiß nicht. Es war dunkel oben während meiner<lb/>
Anwe&#x017F;enheit.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Fel&#x017F;en! Höhlen! Ruinen! Gei&#x017F;ter! Vielleicht auch<lb/>
Fowling-bulls?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich glaube nicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und dennoch gehe ich mit! War hier &#x017F;o lange<lb/>
allein; kein Men&#x017F;ch ver&#x017F;teht mich. Bin froh, daß ich<lb/>
Euch wieder habe. Nehmt mich mit!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun wohl; aber zu &#x017F;ehen werdet Ihr wohl nichts<lb/>
bekommen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#aq">Disagreeable, uncivil!</hi> Wollte auch einmal Gei&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ehen &#x2014; Gei&#x017F;t oder Ge&#x017F;pen&#x017F;t! Gehe aber doch mit! <hi rendition="#aq">Yes!</hi>&#x201C;</p><lb/>
        <p>Als wir aus dem Hau&#x017F;e traten, war die ganze Be-<lb/>
völkerung Lizans vor dem&#x017F;elben ver&#x017F;ammelt; doch herr&#x017F;chte<lb/>
trotz der vielen Men&#x017F;chen eine tiefe Stille. Man &#x017F;ah bei<lb/>
dem Scheine der Fackeln ganz deutlich, daß ich mit Halefs<lb/>
Hilfe den Raïs auf das Pferd befe&#x017F;tigte; aber keine Lippe<lb/>
regte &#x017F;ich, um nach der Ur&#x017F;ache die&#x017F;es gewiß ungewöhn-<lb/>
lichen Verfahrens zu fragen. Un&#x017F;ere Pferde neb&#x017F;t den<lb/>
nötigen Fackeln wurden herbeige&#x017F;chafft, und dann er&#x017F;t, als<lb/>
wir auf&#x017F;aßen, erklärte der Melek den Ver&#x017F;ammelten, daß<lb/>
wir im Begriffe &#x017F;tänden, den Ruh 'i kulyan aufzu&#x017F;uchen.<lb/>
Er befahl, bis zu un&#x017F;erer Wiederkehr nicht das gering&#x017F;te<lb/>
zu unternehmen, und dann ritten wir zwi&#x017F;chen den er-<lb/>
&#x017F;taunten Zuhörern davon.</p><lb/>
        <p>Voran ritt der Melek mit dem Bey; dann folgte<lb/>
Halef, der das Pferd des Raïs am Zügel führte, und<lb/>
der Engländer be&#x017F;chloß mit mir den kleinen Zug. Der<lb/>
Melek und Lind&#x017F;ay trugen die beiden Fackeln, die den<lb/>
Weg erleuchten &#x017F;ollten.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er Weg war zunäch&#x017F;t ein gebahnter Pfad; &#x017F;päter<lb/>
wichen wir von dem&#x017F;elben ab, hatten aber Raum genug<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[610/0624] „Felſen? Giebt's da Ruinen?“ „Weiß nicht. Es war dunkel oben während meiner Anweſenheit.“ „Felſen! Höhlen! Ruinen! Geiſter! Vielleicht auch Fowling-bulls?“ „Ich glaube nicht.“ „Und dennoch gehe ich mit! War hier ſo lange allein; kein Menſch verſteht mich. Bin froh, daß ich Euch wieder habe. Nehmt mich mit!“ „Nun wohl; aber zu ſehen werdet Ihr wohl nichts bekommen.“ „Disagreeable, uncivil! Wollte auch einmal Geiſt ſehen — Geiſt oder Geſpenſt! Gehe aber doch mit! Yes!“ Als wir aus dem Hauſe traten, war die ganze Be- völkerung Lizans vor demſelben verſammelt; doch herrſchte trotz der vielen Menſchen eine tiefe Stille. Man ſah bei dem Scheine der Fackeln ganz deutlich, daß ich mit Halefs Hilfe den Raïs auf das Pferd befeſtigte; aber keine Lippe regte ſich, um nach der Urſache dieſes gewiß ungewöhn- lichen Verfahrens zu fragen. Unſere Pferde nebſt den nötigen Fackeln wurden herbeigeſchafft, und dann erſt, als wir aufſaßen, erklärte der Melek den Verſammelten, daß wir im Begriffe ſtänden, den Ruh 'i kulyan aufzuſuchen. Er befahl, bis zu unſerer Wiederkehr nicht das geringſte zu unternehmen, und dann ritten wir zwiſchen den er- ſtaunten Zuhörern davon. Voran ritt der Melek mit dem Bey; dann folgte Halef, der das Pferd des Raïs am Zügel führte, und der Engländer beſchloß mit mir den kleinen Zug. Der Melek und Lindſay trugen die beiden Fackeln, die den Weg erleuchten ſollten. Dieſer Weg war zunächſt ein gebahnter Pfad; ſpäter wichen wir von demſelben ab, hatten aber Raum genug

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/624
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/624>, abgerufen am 25.11.2024.