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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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kommt, dem thue ich so, wie du es mit dem Manne Ma-
danas gemacht hast!"

"Was meint er?" fragte Halef.

"Er soll auf das Pferd gebunden werden, will aber
einen jeden niedertreten, der es wagt, sich ihm zu nahen."

"Maschallah, der Mensch ist verrückt!"

Bei diesen Worten that der kleine Mann einen
Sprung, und im nächsten Augenblick lag der riesige Chal-
dani, der allerdings an den Händen gefesselt war,
auf der Erde. Eine halbe Minute später waren ihm die
Beine so fest und eng zusammengebunden, daß seine ganze
Gestalt so unbeweglich war, als ob sie in einem Fut-
terale stäke.

"Aber, Halef, er soll ja auf dem Pferde sitzen?"
erinnerte ich.

"Ist nicht nötig, Sihdi," antwortete er. "Wir legen
diesen Dschadd *) mit dem Bauch auf das Pferd; so kann
er schwimmen lernen."

"Wohl; schaffe ihn hinaus!"

Der Kleine faßte den Großen beim Kragen des Ge-
wandes, hob ihn halb empor, drehte sich um, so daß
Rücken auf Rücken kam, und schleifte ihn hinaus. Die
anderen folgten. Jetzt trat Lindsay zu mir heran.

"Master," sagte er. "Habe nichts verstanden, nothing-
not,
weniger als nichts. Wohin geht Ihr?"

"Zum Höhlengeist."

"Höhlengeist? Thunder-strom! Darf ich mit?"

"Hm! eigentlich nicht."

"Pshaw! Werde diesen Geist nicht aufessen!"

"Glaube es!"

"Wo wohnt er?"

"Droben in den Felsen."

*) Großvater.
II. 89

kommt, dem thue ich ſo, wie du es mit dem Manne Ma-
danas gemacht haſt!“

„Was meint er?“ fragte Halef.

„Er ſoll auf das Pferd gebunden werden, will aber
einen jeden niedertreten, der es wagt, ſich ihm zu nahen.“

„Maſchallah, der Menſch iſt verrückt!“

Bei dieſen Worten that der kleine Mann einen
Sprung, und im nächſten Augenblick lag der rieſige Chal-
dani, der allerdings an den Händen gefeſſelt war,
auf der Erde. Eine halbe Minute ſpäter waren ihm die
Beine ſo feſt und eng zuſammengebunden, daß ſeine ganze
Geſtalt ſo unbeweglich war, als ob ſie in einem Fut-
terale ſtäke.

„Aber, Halef, er ſoll ja auf dem Pferde ſitzen?“
erinnerte ich.

„Iſt nicht nötig, Sihdi,“ antwortete er. „Wir legen
dieſen Dſchadd *) mit dem Bauch auf das Pferd; ſo kann
er ſchwimmen lernen.“

„Wohl; ſchaffe ihn hinaus!“

Der Kleine faßte den Großen beim Kragen des Ge-
wandes, hob ihn halb empor, drehte ſich um, ſo daß
Rücken auf Rücken kam, und ſchleifte ihn hinaus. Die
anderen folgten. Jetzt trat Lindſay zu mir heran.

„Maſter,“ ſagte er. „Habe nichts verſtanden, nothing-
not,
weniger als nichts. Wohin geht Ihr?“

„Zum Höhlengeiſt.“

„Höhlengeiſt? Thunder-strom! Darf ich mit?“

„Hm! eigentlich nicht.“

Pshaw! Werde dieſen Geiſt nicht aufeſſen!“

„Glaube es!“

„Wo wohnt er?“

„Droben in den Felſen.“

*) Großvater.
II. 89
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[609/0623] kommt, dem thue ich ſo, wie du es mit dem Manne Ma- danas gemacht haſt!“ „Was meint er?“ fragte Halef. „Er ſoll auf das Pferd gebunden werden, will aber einen jeden niedertreten, der es wagt, ſich ihm zu nahen.“ „Maſchallah, der Menſch iſt verrückt!“ Bei dieſen Worten that der kleine Mann einen Sprung, und im nächſten Augenblick lag der rieſige Chal- dani, der allerdings an den Händen gefeſſelt war, auf der Erde. Eine halbe Minute ſpäter waren ihm die Beine ſo feſt und eng zuſammengebunden, daß ſeine ganze Geſtalt ſo unbeweglich war, als ob ſie in einem Fut- terale ſtäke. „Aber, Halef, er ſoll ja auf dem Pferde ſitzen?“ erinnerte ich. „Iſt nicht nötig, Sihdi,“ antwortete er. „Wir legen dieſen Dſchadd *) mit dem Bauch auf das Pferd; ſo kann er ſchwimmen lernen.“ „Wohl; ſchaffe ihn hinaus!“ Der Kleine faßte den Großen beim Kragen des Ge- wandes, hob ihn halb empor, drehte ſich um, ſo daß Rücken auf Rücken kam, und ſchleifte ihn hinaus. Die anderen folgten. Jetzt trat Lindſay zu mir heran. „Maſter,“ ſagte er. „Habe nichts verſtanden, nothing- not, weniger als nichts. Wohin geht Ihr?“ „Zum Höhlengeiſt.“ „Höhlengeiſt? Thunder-strom! Darf ich mit?“ „Hm! eigentlich nicht.“ „Pshaw! Werde dieſen Geiſt nicht aufeſſen!“ „Glaube es!“ „Wo wohnt er?“ „Droben in den Felſen.“ *) Großvater. II. 89

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/623>, abgerufen am 25.11.2024.