auf die Berwari zu werfen. Das wäre das Verderben der Chaldani -- --"
"Nein!" ließ sich eine Stimme vernehmen.
"Streiten wir uns nicht! Es gab nur einen, der hier helfen konnte, nämlich der Ruh 'i kulyan -- -- --"
"Der Ruh 'i kulyan!" erscholl es erstaunt und er- schrocken.
"Ja, und ich ging zu ihm."
"Wußtest du seine Höhle?" fragte der Melek.
"Ich fand sie und erzählte ihm alles, was geschehen war. Er hörte mir ruhig zu und sagte mir, ich solle -- --"
"Er hat mit dir gesprochen? Du hast seine Stimme gehört? -- Emir, das ist noch keinem Sterblichen wider- fahren," rief einer der vornehmen Chaldäer, die mit uns eingetreten waren. "Du bist ein Liebling Gottes, und auf deine Stimme müssen wir hören!"
"Thut es, ihr Männer; das wird zu eurem Heile gereichen!"
"Was sagte der Geist der Höhle?"
"Er sagte, ich solle sofort nach Lizan gehen und den Melek, den Bey von Gumri und den Rais von Schohrd zu ihm bringen."
Ein lautes "Ah!" der Bewunderung ging durch die Versammlung, und ich fuhr fort:
"Ich eilte herab und begegnete dem Rais. Ich sagte ihm, daß er zu dem Ruh 'i kulyan kommen solle, und da er dem Rufe des Geistes nicht gehorchen wollte, so nahm ich ihn gefangen und brachte ihn hierher. Holt den Bey herbei, damit er es erfährt!"
Der Melek erhob sich.
"Emir, du scherzest nicht?" fragte er.
"Diese Sache ist zu ernst zum Scherze!"
"So müssen wir gehorchen. Aber ist es nicht ge-
auf die Berwari zu werfen. Das wäre das Verderben der Chaldani — —“
„Nein!“ ließ ſich eine Stimme vernehmen.
„Streiten wir uns nicht! Es gab nur einen, der hier helfen konnte, nämlich der Ruh 'i kulyan — — —“
„Der Ruh 'i kulyan!“ erſcholl es erſtaunt und er- ſchrocken.
„Ja, und ich ging zu ihm.“
„Wußteſt du ſeine Höhle?“ fragte der Melek.
„Ich fand ſie und erzählte ihm alles, was geſchehen war. Er hörte mir ruhig zu und ſagte mir, ich ſolle — —“
„Er hat mit dir geſprochen? Du haſt ſeine Stimme gehört? — Emir, das iſt noch keinem Sterblichen wider- fahren,“ rief einer der vornehmen Chaldäer, die mit uns eingetreten waren. „Du biſt ein Liebling Gottes, und auf deine Stimme müſſen wir hören!“
„Thut es, ihr Männer; das wird zu eurem Heile gereichen!“
„Was ſagte der Geiſt der Höhle?“
„Er ſagte, ich ſolle ſofort nach Lizan gehen und den Melek, den Bey von Gumri und den Raïs von Schohrd zu ihm bringen.“
Ein lautes „Ah!“ der Bewunderung ging durch die Verſammlung, und ich fuhr fort:
„Ich eilte herab und begegnete dem Raïs. Ich ſagte ihm, daß er zu dem Ruh 'i kulyan kommen ſolle, und da er dem Rufe des Geiſtes nicht gehorchen wollte, ſo nahm ich ihn gefangen und brachte ihn hierher. Holt den Bey herbei, damit er es erfährt!“
Der Melek erhob ſich.
„Emir, du ſcherzeſt nicht?“ fragte er.
„Dieſe Sache iſt zu ernſt zum Scherze!“
„So müſſen wir gehorchen. Aber iſt es nicht ge-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0618"n="604"/>
auf die Berwari zu werfen. Das wäre das Verderben<lb/>
der Chaldani ——“</p><lb/><p>„Nein!“ ließ ſich eine Stimme vernehmen.</p><lb/><p>„Streiten wir uns nicht! Es gab nur einen, der hier<lb/>
helfen konnte, nämlich der Ruh 'i kulyan ———“</p><lb/><p>„Der Ruh 'i kulyan!“ erſcholl es erſtaunt und er-<lb/>ſchrocken.</p><lb/><p>„Ja, und ich ging zu ihm.“</p><lb/><p>„Wußteſt du ſeine Höhle?“ fragte der Melek.</p><lb/><p>„Ich fand ſie und erzählte ihm alles, was geſchehen<lb/>
war. Er hörte mir ruhig zu und ſagte mir, ich ſolle ——“</p><lb/><p>„Er hat mit dir geſprochen? Du haſt ſeine Stimme<lb/>
gehört? — Emir, das iſt noch keinem Sterblichen wider-<lb/>
fahren,“ rief einer der vornehmen Chaldäer, die mit uns<lb/>
eingetreten waren. „Du biſt ein Liebling Gottes, und<lb/>
auf deine Stimme müſſen wir hören!“</p><lb/><p>„Thut es, ihr Männer; das wird zu eurem Heile<lb/>
gereichen!“</p><lb/><p>„Was ſagte der Geiſt der Höhle?“</p><lb/><p>„Er ſagte, ich ſolle ſofort nach Lizan gehen und den<lb/>
Melek, den Bey von Gumri und den Raïs von Schohrd<lb/>
zu ihm bringen.“</p><lb/><p>Ein lautes „Ah!“ der Bewunderung ging durch die<lb/>
Verſammlung, und ich fuhr fort:</p><lb/><p>„Ich eilte herab und begegnete dem Raïs. Ich ſagte<lb/>
ihm, daß er zu dem Ruh 'i kulyan kommen ſolle, und<lb/>
da er dem Rufe des Geiſtes nicht gehorchen wollte, ſo<lb/>
nahm ich ihn gefangen und brachte ihn hierher. Holt<lb/>
den Bey herbei, damit er es erfährt!“</p><lb/><p>Der Melek erhob ſich.</p><lb/><p>„Emir, du ſcherzeſt nicht?“ fragte er.</p><lb/><p>„Dieſe Sache iſt zu ernſt zum Scherze!“</p><lb/><p>„So müſſen wir gehorchen. Aber iſt es nicht ge-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[604/0618]
auf die Berwari zu werfen. Das wäre das Verderben
der Chaldani — —“
„Nein!“ ließ ſich eine Stimme vernehmen.
„Streiten wir uns nicht! Es gab nur einen, der hier
helfen konnte, nämlich der Ruh 'i kulyan — — —“
„Der Ruh 'i kulyan!“ erſcholl es erſtaunt und er-
ſchrocken.
„Ja, und ich ging zu ihm.“
„Wußteſt du ſeine Höhle?“ fragte der Melek.
„Ich fand ſie und erzählte ihm alles, was geſchehen
war. Er hörte mir ruhig zu und ſagte mir, ich ſolle — —“
„Er hat mit dir geſprochen? Du haſt ſeine Stimme
gehört? — Emir, das iſt noch keinem Sterblichen wider-
fahren,“ rief einer der vornehmen Chaldäer, die mit uns
eingetreten waren. „Du biſt ein Liebling Gottes, und
auf deine Stimme müſſen wir hören!“
„Thut es, ihr Männer; das wird zu eurem Heile
gereichen!“
„Was ſagte der Geiſt der Höhle?“
„Er ſagte, ich ſolle ſofort nach Lizan gehen und den
Melek, den Bey von Gumri und den Raïs von Schohrd
zu ihm bringen.“
Ein lautes „Ah!“ der Bewunderung ging durch die
Verſammlung, und ich fuhr fort:
„Ich eilte herab und begegnete dem Raïs. Ich ſagte
ihm, daß er zu dem Ruh 'i kulyan kommen ſolle, und
da er dem Rufe des Geiſtes nicht gehorchen wollte, ſo
nahm ich ihn gefangen und brachte ihn hierher. Holt
den Bey herbei, damit er es erfährt!“
Der Melek erhob ſich.
„Emir, du ſcherzeſt nicht?“ fragte er.
„Dieſe Sache iſt zu ernſt zum Scherze!“
„So müſſen wir gehorchen. Aber iſt es nicht ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/618>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.