nicht mit eintreten. Was ich ihnen zu sagen habe, ist für keines andern Ohr. Sage ihnen, sie sollen sofort in die Höhle treten und darin gradaus fortschreiten, bis sie in einen Raum gelangen, der erleuchtet ist."
"Kannst du es bewirken, daß ich wieder erhalte, was man mir abgenommen hat?"
"Ja; trage keine Sorge. Aber jetzt gehe; morgen sehen wir uns wieder, und dann kannst du mit Marah Durimeh sprechen, so lange es dir gefällt!"
Ich ging und traf Ingdscha noch an demselben Platze, an dem ich sie verlassen hatte.
"Du warst lange dort, Herr," sagte sie.
"Desto schneller müssen wir jetzt gehen."
"Du mußt doch warten, bis das Licht wieder brennt, sonst weißt du nicht, ob dir deine Bitte erfüllt wird."
"Sie wird erfüllt."
"Woher weißt du es?"
"Der Geist sagte es!"
"O Herr, hättest du seine Stimme gehört?"
"Ja. Er hat sehr lange mit mir gesprochen."
"Das ist noch niemals geschehen; du mußt ein sehr großer Emir sein!"
"Ein Geist beurteilt den Menschen nicht nach seinem Stande."
"Hast du ihn vielleicht gar auch gesehen?"
"Von Angesicht zu Angesicht."
"Herr, du erschreckst mich! Wie sah er aus?"
"Solche Dinge darf man nicht enthüllen. Komm, du sollst mich führen; ich muß schnell nach Lizan hinab."
"Was wird da aus Madana, die auf dich wartet?"
"Du bringst mich zuerst auf den rechten Weg, und dann kehrst du zu ihr zurück, um ihr zu sagen, daß sie
nicht mit eintreten. Was ich ihnen zu ſagen habe, iſt für keines andern Ohr. Sage ihnen, ſie ſollen ſofort in die Höhle treten und darin gradaus fortſchreiten, bis ſie in einen Raum gelangen, der erleuchtet iſt.“
„Kannſt du es bewirken, daß ich wieder erhalte, was man mir abgenommen hat?“
„Ja; trage keine Sorge. Aber jetzt gehe; morgen ſehen wir uns wieder, und dann kannſt du mit Marah Durimeh ſprechen, ſo lange es dir gefällt!“
Ich ging und traf Ingdſcha noch an demſelben Platze, an dem ich ſie verlaſſen hatte.
„Du warſt lange dort, Herr,“ ſagte ſie.
„Deſto ſchneller müſſen wir jetzt gehen.“
„Du mußt doch warten, bis das Licht wieder brennt, ſonſt weißt du nicht, ob dir deine Bitte erfüllt wird.“
„Sie wird erfüllt.“
„Woher weißt du es?“
„Der Geiſt ſagte es!“
„O Herr, hätteſt du ſeine Stimme gehört?“
„Ja. Er hat ſehr lange mit mir geſprochen.“
„Das iſt noch niemals geſchehen; du mußt ein ſehr großer Emir ſein!“
„Ein Geiſt beurteilt den Menſchen nicht nach ſeinem Stande.“
„Haſt du ihn vielleicht gar auch geſehen?“
„Von Angeſicht zu Angeſicht.“
„Herr, du erſchreckſt mich! Wie ſah er aus?“
„Solche Dinge darf man nicht enthüllen. Komm, du ſollſt mich führen; ich muß ſchnell nach Lizan hinab.“
„Was wird da aus Madana, die auf dich wartet?“
„Du bringſt mich zuerſt auf den rechten Weg, und dann kehrſt du zu ihr zurück, um ihr zu ſagen, daß ſie
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nicht mit eintreten. Was ich ihnen zu ſagen habe, iſt für
keines andern Ohr. Sage ihnen, ſie ſollen ſofort in die
Höhle treten und darin gradaus fortſchreiten, bis ſie in
einen Raum gelangen, der erleuchtet iſt.“
„Kannſt du es bewirken, daß ich wieder erhalte, was
man mir abgenommen hat?“
„Ja; trage keine Sorge. Aber jetzt gehe; morgen
ſehen wir uns wieder, und dann kannſt du mit Marah
Durimeh ſprechen, ſo lange es dir gefällt!“
Ich ging und traf Ingdſcha noch an demſelben Platze,
an dem ich ſie verlaſſen hatte.
„Du warſt lange dort, Herr,“ ſagte ſie.
„Deſto ſchneller müſſen wir jetzt gehen.“
„Du mußt doch warten, bis das Licht wieder brennt,
ſonſt weißt du nicht, ob dir deine Bitte erfüllt wird.“
„Sie wird erfüllt.“
„Woher weißt du es?“
„Der Geiſt ſagte es!“
„O Herr, hätteſt du ſeine Stimme gehört?“
„Ja. Er hat ſehr lange mit mir geſprochen.“
„Das iſt noch niemals geſchehen; du mußt ein ſehr
großer Emir ſein!“
„Ein Geiſt beurteilt den Menſchen nicht nach ſeinem
Stande.“
„Haſt du ihn vielleicht gar auch geſehen?“
„Von Angeſicht zu Angeſicht.“
„Herr, du erſchreckſt mich! Wie ſah er aus?“
„Solche Dinge darf man nicht enthüllen. Komm,
du ſollſt mich führen; ich muß ſchnell nach Lizan
hinab.“
„Was wird da aus Madana, die auf dich wartet?“
„Du bringſt mich zuerſt auf den rechten Weg, und
dann kehrſt du zu ihr zurück, um ihr zu ſagen, daß ſie
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/611>, abgerufen am 25.11.2024.
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