Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

aber diese Frau ist meine Freundin. Sie hätte mich er-
rettet, auch wenn du nicht gekommen wärst."

"Dich? Errettet, Sihdi?"

"Ja. Wir hatten uns den Plan bereits besprochen."

"Und ich wollte sie erstechen!" -- Er wandte sich
mit strahlendem Gesichte zu ihr: "Preis sei Allah, der
dich erschaffen hat, du schönste der Frauen in Kurdistan!
Dein Haar ist wie Seide, deine Haut wie die Verschämt-
heit der Morgenröte, und dein Auge glänzt wie ein Stern
des Himmels. Wisse, du Holde: ich bin Hadschi Halef
Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud
al Gossarah! Du hast meinen Freund und Gebieter mit
der Güte deines Herzens erquickt, und darum -- -- --"

"Halt ein!" unterbrach ich den Fluß seiner Rede.
"Diese Frau versteht kein Wort arabisch, sondern nur
kurdisch."

Jetzt suchte er seinen ganzen kurdischen Wortvorrat
zusammen, um ihr verständlich zu machen, daß er sie für
die schönste und würdigste aller Frauen halte und daß
sie sich für alle Tage ihres Lebens auf seine Freundschaft
verlassen könne. Ich aber half ihm und ihr aus der
Verlegenheit, indem ich ihr erklärte:

"Madana, du sprachst heut von meinem Diener, der
dem Vater der Kranken in Amadijah von mir erzählt
hatte. Dieser hier ist es! Er hat meine Spur gefunden
und bis hierher verfolgt, um mich zu retten."

"O Herr, was wirst du nun thun? Wirst du fliehen?"

"Sei unbesorgt! Ich werde nichts thun, ohne zuvor
mit dir gesprochen zu haben. Setze dich ruhig nieder!"

Unterdessen hatte Halef meine Bande zerschnitten und
neben mir Platz genommen. Ich befand mich jetzt in
Sicherheit, denn mit ihm und dem Hunde fürchtete ich
keinen Nasarah.

aber dieſe Frau iſt meine Freundin. Sie hätte mich er-
rettet, auch wenn du nicht gekommen wärſt.“

„Dich? Errettet, Sihdi?“

„Ja. Wir hatten uns den Plan bereits beſprochen.“

„Und ich wollte ſie erſtechen!“ — Er wandte ſich
mit ſtrahlendem Geſichte zu ihr: „Preis ſei Allah, der
dich erſchaffen hat, du ſchönſte der Frauen in Kurdiſtan!
Dein Haar iſt wie Seide, deine Haut wie die Verſchämt-
heit der Morgenröte, und dein Auge glänzt wie ein Stern
des Himmels. Wiſſe, du Holde: ich bin Hadſchi Halef
Omar Ben Hadſchi Abul Abbas Ibn Hadſchi Dawud
al Goſſarah! Du haſt meinen Freund und Gebieter mit
der Güte deines Herzens erquickt, und darum — — —“

„Halt ein!“ unterbrach ich den Fluß ſeiner Rede.
„Dieſe Frau verſteht kein Wort arabiſch, ſondern nur
kurdiſch.“

Jetzt ſuchte er ſeinen ganzen kurdiſchen Wortvorrat
zuſammen, um ihr verſtändlich zu machen, daß er ſie für
die ſchönſte und würdigſte aller Frauen halte und daß
ſie ſich für alle Tage ihres Lebens auf ſeine Freundſchaft
verlaſſen könne. Ich aber half ihm und ihr aus der
Verlegenheit, indem ich ihr erklärte:

„Madana, du ſprachſt heut von meinem Diener, der
dem Vater der Kranken in Amadijah von mir erzählt
hatte. Dieſer hier iſt es! Er hat meine Spur gefunden
und bis hierher verfolgt, um mich zu retten.“

„O Herr, was wirſt du nun thun? Wirſt du fliehen?“

„Sei unbeſorgt! Ich werde nichts thun, ohne zuvor
mit dir geſprochen zu haben. Setze dich ruhig nieder!“

Unterdeſſen hatte Halef meine Bande zerſchnitten und
neben mir Platz genommen. Ich befand mich jetzt in
Sicherheit, denn mit ihm und dem Hunde fürchtete ich
keinen Naſarah.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0592" n="578"/>
aber die&#x017F;e Frau i&#x017F;t meine Freundin. Sie hätte mich er-<lb/>
rettet, auch wenn du nicht gekommen wär&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dich? Errettet, Sihdi?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja. Wir hatten uns den Plan bereits be&#x017F;prochen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und ich wollte &#x017F;ie er&#x017F;techen!&#x201C; &#x2014; Er wandte &#x017F;ich<lb/>
mit &#x017F;trahlendem Ge&#x017F;ichte zu ihr: &#x201E;Preis &#x017F;ei Allah, der<lb/>
dich er&#x017F;chaffen hat, du &#x017F;chön&#x017F;te der Frauen in Kurdi&#x017F;tan!<lb/>
Dein Haar i&#x017F;t wie Seide, deine Haut wie die Ver&#x017F;chämt-<lb/>
heit der Morgenröte, und dein Auge glänzt wie ein Stern<lb/>
des Himmels. Wi&#x017F;&#x017F;e, du Holde: ich bin Had&#x017F;chi Halef<lb/>
Omar Ben Had&#x017F;chi Abul Abbas Ibn Had&#x017F;chi Dawud<lb/>
al Go&#x017F;&#x017F;arah! Du ha&#x017F;t meinen Freund und Gebieter mit<lb/>
der Güte deines Herzens erquickt, und darum &#x2014; &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Halt ein!&#x201C; unterbrach ich den Fluß &#x017F;einer Rede.<lb/>
&#x201E;Die&#x017F;e Frau ver&#x017F;teht kein Wort arabi&#x017F;ch, &#x017F;ondern nur<lb/>
kurdi&#x017F;ch.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Jetzt &#x017F;uchte er &#x017F;einen ganzen kurdi&#x017F;chen Wortvorrat<lb/>
zu&#x017F;ammen, um ihr ver&#x017F;tändlich zu machen, daß er &#x017F;ie für<lb/>
die &#x017F;chön&#x017F;te und würdig&#x017F;te aller Frauen halte und daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich für alle Tage ihres Lebens auf &#x017F;eine Freund&#x017F;chaft<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en könne. Ich aber half ihm und ihr aus der<lb/>
Verlegenheit, indem ich ihr erklärte:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Madana, du &#x017F;prach&#x017F;t heut von meinem Diener, der<lb/>
dem Vater der Kranken in Amadijah von mir erzählt<lb/>
hatte. Die&#x017F;er hier i&#x017F;t es! Er hat meine Spur gefunden<lb/>
und bis hierher verfolgt, um mich zu retten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O Herr, was wir&#x017F;t du nun thun? Wir&#x017F;t du fliehen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sei unbe&#x017F;orgt! Ich werde nichts thun, ohne zuvor<lb/>
mit dir ge&#x017F;prochen zu haben. Setze dich ruhig nieder!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Unterde&#x017F;&#x017F;en hatte Halef meine Bande zer&#x017F;chnitten und<lb/>
neben mir Platz genommen. Ich befand mich jetzt in<lb/>
Sicherheit, denn mit ihm und dem Hunde fürchtete ich<lb/>
keinen Na&#x017F;arah.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[578/0592] aber dieſe Frau iſt meine Freundin. Sie hätte mich er- rettet, auch wenn du nicht gekommen wärſt.“ „Dich? Errettet, Sihdi?“ „Ja. Wir hatten uns den Plan bereits beſprochen.“ „Und ich wollte ſie erſtechen!“ — Er wandte ſich mit ſtrahlendem Geſichte zu ihr: „Preis ſei Allah, der dich erſchaffen hat, du ſchönſte der Frauen in Kurdiſtan! Dein Haar iſt wie Seide, deine Haut wie die Verſchämt- heit der Morgenröte, und dein Auge glänzt wie ein Stern des Himmels. Wiſſe, du Holde: ich bin Hadſchi Halef Omar Ben Hadſchi Abul Abbas Ibn Hadſchi Dawud al Goſſarah! Du haſt meinen Freund und Gebieter mit der Güte deines Herzens erquickt, und darum — — —“ „Halt ein!“ unterbrach ich den Fluß ſeiner Rede. „Dieſe Frau verſteht kein Wort arabiſch, ſondern nur kurdiſch.“ Jetzt ſuchte er ſeinen ganzen kurdiſchen Wortvorrat zuſammen, um ihr verſtändlich zu machen, daß er ſie für die ſchönſte und würdigſte aller Frauen halte und daß ſie ſich für alle Tage ihres Lebens auf ſeine Freundſchaft verlaſſen könne. Ich aber half ihm und ihr aus der Verlegenheit, indem ich ihr erklärte: „Madana, du ſprachſt heut von meinem Diener, der dem Vater der Kranken in Amadijah von mir erzählt hatte. Dieſer hier iſt es! Er hat meine Spur gefunden und bis hierher verfolgt, um mich zu retten.“ „O Herr, was wirſt du nun thun? Wirſt du fliehen?“ „Sei unbeſorgt! Ich werde nichts thun, ohne zuvor mit dir geſprochen zu haben. Setze dich ruhig nieder!“ Unterdeſſen hatte Halef meine Bande zerſchnitten und neben mir Platz genommen. Ich befand mich jetzt in Sicherheit, denn mit ihm und dem Hunde fürchtete ich keinen Naſarah.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/592
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/592>, abgerufen am 13.05.2024.