Ich berichtete ihm auf das ausführlichste, was mir widerfahren war, und es versteht sich ganz von selbst, daß ich von ihm häufig durch die lebendigsten Ausrufungen unterbrochen wurde. Endlich sagte er:
"Sihdi, wäre ich ein Pascha, so würde ich Madana belohnen und Ingdscha heiraten. Da ich aber kein Pascha bin und schon meine Hanneh habe, so rate ich dir: Nimm du die ,Perle' zur Frau! Sie ist groß und stark -- wie du selbst!"
"Ich werde es mir überlegen," erwiderte ich lachend. "Nun aber, vor allen Dingen, sage mir, wie es in Lizan steht, und wie du auf meine Spur gekommen bist."
"O, Sihdi, das hat eine große Verwirrung gegeben. Es geschah, was du gesagt hattest: die Nasarah zogen sich über den Fluß zurück und warteten auf deine Rück- kehr. Aber du kamst nicht -- -- --"
"Kam nicht der Haddedihn?"
"Er kam, und als er über die Brücke reiten wollte, wäre er beinahe erschossen worden; doch ich erkannte ihn noch zur rechten Zeit. Er erzählte, daß man unterwegs auf euch geschossen hätte. Sein Pferd war gestreift worden und mit ihm durchgegangen. Es dauerte längere Zeit, bis er es zu zügeln vermochte; dann ritt er zurück und fand mein Pferd, das du geritten hattest, tot am Boden liegen; du aber warst verschwunden."
"Holte er nicht schnell bei den Kurden Hilfe?"
"O nein, Sihdi. Er glaubte, sie seien euch heim- tückisch nachgefolgt, um euch zu töten; denn ihr Anführer, der Kiaja, war ein böser Mann gewesen. Darum eilte der Haddedihn nun schnell nach Lizan, um uns herbei- zuholen."
"Jetzt kamt ihr in Verlegenheit?"
„Sihdi, erzähle,“ bat er.
Ich berichtete ihm auf das ausführlichſte, was mir widerfahren war, und es verſteht ſich ganz von ſelbſt, daß ich von ihm häufig durch die lebendigſten Ausrufungen unterbrochen wurde. Endlich ſagte er:
„Sihdi, wäre ich ein Paſcha, ſo würde ich Madana belohnen und Ingdſcha heiraten. Da ich aber kein Paſcha bin und ſchon meine Hanneh habe, ſo rate ich dir: Nimm du die ‚Perle‘ zur Frau! Sie iſt groß und ſtark — wie du ſelbſt!“
„Ich werde es mir überlegen,“ erwiderte ich lachend. „Nun aber, vor allen Dingen, ſage mir, wie es in Lizan ſteht, und wie du auf meine Spur gekommen biſt.“
„O, Sihdi, das hat eine große Verwirrung gegeben. Es geſchah, was du geſagt hatteſt: die Naſarah zogen ſich über den Fluß zurück und warteten auf deine Rück- kehr. Aber du kamſt nicht — — —“
„Kam nicht der Haddedihn?“
„Er kam, und als er über die Brücke reiten wollte, wäre er beinahe erſchoſſen worden; doch ich erkannte ihn noch zur rechten Zeit. Er erzählte, daß man unterwegs auf euch geſchoſſen hätte. Sein Pferd war geſtreift worden und mit ihm durchgegangen. Es dauerte längere Zeit, bis er es zu zügeln vermochte; dann ritt er zurück und fand mein Pferd, das du geritten hatteſt, tot am Boden liegen; du aber warſt verſchwunden.“
„Holte er nicht ſchnell bei den Kurden Hilfe?“
„O nein, Sihdi. Er glaubte, ſie ſeien euch heim- tückiſch nachgefolgt, um euch zu töten; denn ihr Anführer, der Kiaja, war ein böſer Mann geweſen. Darum eilte der Haddedihn nun ſchnell nach Lizan, um uns herbei- zuholen.“
„Jetzt kamt ihr in Verlegenheit?“
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„Sihdi, erzähle,“ bat er.
Ich berichtete ihm auf das ausführlichſte, was mir
widerfahren war, und es verſteht ſich ganz von ſelbſt,
daß ich von ihm häufig durch die lebendigſten Ausrufungen
unterbrochen wurde. Endlich ſagte er:
„Sihdi, wäre ich ein Paſcha, ſo würde ich Madana
belohnen und Ingdſcha heiraten. Da ich aber kein Paſcha
bin und ſchon meine Hanneh habe, ſo rate ich dir: Nimm
du die ‚Perle‘ zur Frau! Sie iſt groß und ſtark —
wie du ſelbſt!“
„Ich werde es mir überlegen,“ erwiderte ich lachend.
„Nun aber, vor allen Dingen, ſage mir, wie es in Lizan
ſteht, und wie du auf meine Spur gekommen biſt.“
„O, Sihdi, das hat eine große Verwirrung gegeben.
Es geſchah, was du geſagt hatteſt: die Naſarah zogen
ſich über den Fluß zurück und warteten auf deine Rück-
kehr. Aber du kamſt nicht — — —“
„Kam nicht der Haddedihn?“
„Er kam, und als er über die Brücke reiten wollte,
wäre er beinahe erſchoſſen worden; doch ich erkannte ihn
noch zur rechten Zeit. Er erzählte, daß man unterwegs
auf euch geſchoſſen hätte. Sein Pferd war geſtreift worden
und mit ihm durchgegangen. Es dauerte längere Zeit,
bis er es zu zügeln vermochte; dann ritt er zurück und
fand mein Pferd, das du geritten hatteſt, tot am Boden
liegen; du aber warſt verſchwunden.“
„Holte er nicht ſchnell bei den Kurden Hilfe?“
„O nein, Sihdi. Er glaubte, ſie ſeien euch heim-
tückiſch nachgefolgt, um euch zu töten; denn ihr Anführer,
der Kiaja, war ein böſer Mann geweſen. Darum eilte
der Haddedihn nun ſchnell nach Lizan, um uns herbei-
zuholen.“
„Jetzt kamt ihr in Verlegenheit?“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/593>, abgerufen am 26.11.2024.
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