bündete erhalten. Wirst du thun, was ich gefordert habe?"
"Niemals!"
"So wisse, daß ich erst morgen wiederkomme. Du bekommst niemand zu sehen, als nur mich und deine Wär- terin, welche dir kein Essen mehr bringen darf. Der Hunger wird dich gefügig machen! Und da du mich mit den Füßen getreten hast, so sollst du zur Strafe auch dürsten müssen."
Er schüttete das Wasser aus dem Napfe, machte noch eine verächtliche Gebärde gegen mich und trat dann hinaus in das Freie. Da hörte ich ihn einige Zeit lang in be- fehlendem Tone mit seinem Weib reden, dann stieg er aufs Pferd und ritt davon.
Ich wußte nun, warum man sich meiner bemächtigt hatte. Dem Rais von Dschohrd war an einem Kampfe mit den Kurden gelegen, und daher sollte ich als Ver- mittler unschädlich gemacht werden; nebenbei konnte man sich dann auch mein Eigentum aneignen. Der angebliche Bote des Melek war von dem Rais geschickt worden, um sich zu überzeugen, wo ich mich befände.
Nach einiger Zeit trat Madana ein.
"Hat er dich beleidigt, Herr?" war ihre erste Frage.
"Laß es gut sein!"
"Emir, zürne ihm nicht! Der Rais hat es ihm ge- boten. Aber er war sehr zornig auf dich. Ich soll kein Wort mit dir sprechen und darf dir weder Essen noch Trinken geben."
"Wann kommt er wieder?"
"Erst morgen, sagte er. Er muß noch in der Nacht nach Murghi reiten."
"Kommen unterdessen andere Männer herbei?"
"Ich glaube es nicht. Es dürfen nur wenige wissen,
bündete erhalten. Wirſt du thun, was ich gefordert habe?“
„Niemals!“
„So wiſſe, daß ich erſt morgen wiederkomme. Du bekommſt niemand zu ſehen, als nur mich und deine Wär- terin, welche dir kein Eſſen mehr bringen darf. Der Hunger wird dich gefügig machen! Und da du mich mit den Füßen getreten haſt, ſo ſollſt du zur Strafe auch dürſten müſſen.“
Er ſchüttete das Waſſer aus dem Napfe, machte noch eine verächtliche Gebärde gegen mich und trat dann hinaus in das Freie. Da hörte ich ihn einige Zeit lang in be- fehlendem Tone mit ſeinem Weib reden, dann ſtieg er aufs Pferd und ritt davon.
Ich wußte nun, warum man ſich meiner bemächtigt hatte. Dem Raïs von Dſchohrd war an einem Kampfe mit den Kurden gelegen, und daher ſollte ich als Ver- mittler unſchädlich gemacht werden; nebenbei konnte man ſich dann auch mein Eigentum aneignen. Der angebliche Bote des Melek war von dem Raïs geſchickt worden, um ſich zu überzeugen, wo ich mich befände.
Nach einiger Zeit trat Madana ein.
„Hat er dich beleidigt, Herr?“ war ihre erſte Frage.
„Laß es gut ſein!“
„Emir, zürne ihm nicht! Der Raïs hat es ihm ge- boten. Aber er war ſehr zornig auf dich. Ich ſoll kein Wort mit dir ſprechen und darf dir weder Eſſen noch Trinken geben.“
„Wann kommt er wieder?“
„Erſt morgen, ſagte er. Er muß noch in der Nacht nach Murghi reiten.“
„Kommen unterdeſſen andere Männer herbei?“
„Ich glaube es nicht. Es dürfen nur wenige wiſſen,
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[576/0590]
bündete erhalten. Wirſt du thun, was ich gefordert
habe?“
„Niemals!“
„So wiſſe, daß ich erſt morgen wiederkomme. Du
bekommſt niemand zu ſehen, als nur mich und deine Wär-
terin, welche dir kein Eſſen mehr bringen darf. Der
Hunger wird dich gefügig machen! Und da du mich mit
den Füßen getreten haſt, ſo ſollſt du zur Strafe auch
dürſten müſſen.“
Er ſchüttete das Waſſer aus dem Napfe, machte noch
eine verächtliche Gebärde gegen mich und trat dann hinaus
in das Freie. Da hörte ich ihn einige Zeit lang in be-
fehlendem Tone mit ſeinem Weib reden, dann ſtieg er
aufs Pferd und ritt davon.
Ich wußte nun, warum man ſich meiner bemächtigt
hatte. Dem Raïs von Dſchohrd war an einem Kampfe
mit den Kurden gelegen, und daher ſollte ich als Ver-
mittler unſchädlich gemacht werden; nebenbei konnte man
ſich dann auch mein Eigentum aneignen. Der angebliche
Bote des Melek war von dem Raïs geſchickt worden, um
ſich zu überzeugen, wo ich mich befände.
Nach einiger Zeit trat Madana ein.
„Hat er dich beleidigt, Herr?“ war ihre erſte Frage.
„Laß es gut ſein!“
„Emir, zürne ihm nicht! Der Raïs hat es ihm ge-
boten. Aber er war ſehr zornig auf dich. Ich ſoll kein
Wort mit dir ſprechen und darf dir weder Eſſen noch
Trinken geben.“
„Wann kommt er wieder?“
„Erſt morgen, ſagte er. Er muß noch in der Nacht
nach Murghi reiten.“
„Kommen unterdeſſen andere Männer herbei?“
„Ich glaube es nicht. Es dürfen nur wenige wiſſen,
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/590>, abgerufen am 26.11.2024.
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