einmal, Mann: ich bin ein Emir, und du bist ein Unter- gebener deines Rais. Nur ich allein habe zu fragen, und du hast zu antworten. Glaube nicht, daß ich mich von dir ausforschen lasse!"
Er schien es doch für das Klügste zu halten, auf meine Ansicht einzugehen; denn er meinte nach kurzem Ueberlegen:
"So frage du!"
"Wo ist Nedschir-Bey?"
"Warum fragst du nach ihm?"
"Weil er es ist, der mich überfallen ließ."
"Du irrst!"
"Lüge nicht!"
"Und doch irrst du. Du weißt ja gar nicht, wo du dich befindest!"
"Meinst du wirklich, daß ein Emir aus Frankistan zu täuschen ist? Wenn ich von hier aus das Thal her- niedersteige, komme ich nach Schohrd. Rechts davon liegt Lizan, links Raola, und da oben auf dem Berge ist die Höhle des Ruh 'i kulyan.
Er konnte eine Bewegung des Erstaunens nicht ver- bergen.
"Was weißt du von dem Geiste der Höhle, Fremdling?"
"Mehr wie du, mehr wie alle, die in diesem Thale wohnen!"
Wieder war es Marah Durimeh, welche mich zum Herrn der Situation machte. Der Nasarah wußte offen- bar nicht, ob er sich nun des ihm gewordenen Auftrags werde entledigen können.
"Sage, was du weißt," meinte er.
"Pah! Ihr seid nicht wert, von dem Geiste der Höhle zu hören. Was willst du bei mir? Weshalb habt ihr mich überfallen und gefangen genommen?"
einmal, Mann: ich bin ein Emir, und du biſt ein Unter- gebener deines Raïs. Nur ich allein habe zu fragen, und du haſt zu antworten. Glaube nicht, daß ich mich von dir ausforſchen laſſe!“
Er ſchien es doch für das Klügſte zu halten, auf meine Anſicht einzugehen; denn er meinte nach kurzem Ueberlegen:
„So frage du!“
„Wo iſt Nedſchir-Bey?“
„Warum fragſt du nach ihm?“
„Weil er es iſt, der mich überfallen ließ.“
„Du irrſt!“
„Lüge nicht!“
„Und doch irrſt du. Du weißt ja gar nicht, wo du dich befindeſt!“
„Meinſt du wirklich, daß ein Emir aus Frankiſtan zu täuſchen iſt? Wenn ich von hier aus das Thal her- niederſteige, komme ich nach Schohrd. Rechts davon liegt Lizan, links Raola, und da oben auf dem Berge iſt die Höhle des Ruh 'i kulyan.
Er konnte eine Bewegung des Erſtaunens nicht ver- bergen.
„Was weißt du von dem Geiſte der Höhle, Fremdling?“
„Mehr wie du, mehr wie alle, die in dieſem Thale wohnen!“
Wieder war es Marah Durimeh, welche mich zum Herrn der Situation machte. Der Naſarah wußte offen- bar nicht, ob er ſich nun des ihm gewordenen Auftrags werde entledigen können.
„Sage, was du weißt,“ meinte er.
„Pah! Ihr ſeid nicht wert, von dem Geiſte der Höhle zu hören. Was willſt du bei mir? Weshalb habt ihr mich überfallen und gefangen genommen?“
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[574/0588]
einmal, Mann: ich bin ein Emir, und du biſt ein Unter-
gebener deines Raïs. Nur ich allein habe zu fragen,
und du haſt zu antworten. Glaube nicht, daß ich mich
von dir ausforſchen laſſe!“
Er ſchien es doch für das Klügſte zu halten, auf
meine Anſicht einzugehen; denn er meinte nach kurzem
Ueberlegen:
„So frage du!“
„Wo iſt Nedſchir-Bey?“
„Warum fragſt du nach ihm?“
„Weil er es iſt, der mich überfallen ließ.“
„Du irrſt!“
„Lüge nicht!“
„Und doch irrſt du. Du weißt ja gar nicht, wo du
dich befindeſt!“
„Meinſt du wirklich, daß ein Emir aus Frankiſtan
zu täuſchen iſt? Wenn ich von hier aus das Thal her-
niederſteige, komme ich nach Schohrd. Rechts davon liegt
Lizan, links Raola, und da oben auf dem Berge iſt die
Höhle des Ruh 'i kulyan.
Er konnte eine Bewegung des Erſtaunens nicht ver-
bergen.
„Was weißt du von dem Geiſte der Höhle, Fremdling?“
„Mehr wie du, mehr wie alle, die in dieſem Thale
wohnen!“
Wieder war es Marah Durimeh, welche mich zum
Herrn der Situation machte. Der Naſarah wußte offen-
bar nicht, ob er ſich nun des ihm gewordenen Auftrags
werde entledigen können.
„Sage, was du weißt,“ meinte er.
„Pah! Ihr ſeid nicht wert, von dem Geiſte der Höhle
zu hören. Was willſt du bei mir? Weshalb habt ihr
mich überfallen und gefangen genommen?“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/588>, abgerufen am 27.11.2024.
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