"Aus dem Abendlande!" rief sie erstaunt. "Wo die Männer mit den Frauen tanzen? Und wo man mit Schaufeln ißt?"
Also der Ruhm unserer abendländischen Kultur war bereits bis zu den Ohren der Petersilie gedrungen: sie hatte von unserer Polka und von unsern Löffeln gehört.
"Ja," nickte ich.
"Aber was willst du hier in diesem Lande?"
"Ich will sehen, ob hier die Frauen schön sind, wie die unserigen."
"Und was hast du gefunden?"
"Sie sind sehr schön."
"Ja, sie sind schön," stimmte sie bei, "schöner als in einem andern Lande. Hast du ein Weib?"
"Nein."
"Ich bedaure dich! Dein Leben gleicht einer Schüssel, in der weder Sarmysak noch Saljanghosch ist!"
Sarmysak und Saljanghosch, Schnecken in Knoblauch? Sollte dies das fürchterliche Gericht sein, welches vorhin in der "Reisetasche" verschwand! Und das hatte die Peter- silie ohne "Schaufeln" bewältigt!
"Willst du dir kein Weib nehmen?" erkundigte sie sich weiter.
"Ich möchte vielleicht wohl, aber ich kann nicht."
"Warum nicht?"
"Kann man es thun, wenn man so gefesselt ist?"
"Du wirst warten, bis du wieder frei geworden bist."
"Wird man mir die Freiheit wiedergeben?"
"Wir sind Chaldani; wir töten keinen Gefangenen. Was hast du gethan, daß man dich gebunden hat?"
"Das will ich dir erzählen. Ich bin über Mossul und Amadijah in dieses Land gekommen, um -- -- --"
II. 36
„Ich bin ein Chriſt aus dem fernen Abendlande.“
„Aus dem Abendlande!“ rief ſie erſtaunt. „Wo die Männer mit den Frauen tanzen? Und wo man mit Schaufeln ißt?“
Alſo der Ruhm unſerer abendländiſchen Kultur war bereits bis zu den Ohren der Peterſilie gedrungen: ſie hatte von unſerer Polka und von unſern Löffeln gehört.
„Ja,“ nickte ich.
„Aber was willſt du hier in dieſem Lande?“
„Ich will ſehen, ob hier die Frauen ſchön ſind, wie die unſerigen.“
„Und was haſt du gefunden?“
„Sie ſind ſehr ſchön.“
„Ja, ſie ſind ſchön,“ ſtimmte ſie bei, „ſchöner als in einem andern Lande. Haſt du ein Weib?“
„Nein.“
„Ich bedaure dich! Dein Leben gleicht einer Schüſſel, in der weder Sarmyſak noch Saljanghoſch iſt!“
Sarmyſak und Saljanghoſch, Schnecken in Knoblauch? Sollte dies das fürchterliche Gericht ſein, welches vorhin in der „Reiſetaſche“ verſchwand! Und das hatte die Peter- ſilie ohne „Schaufeln“ bewältigt!
„Willſt du dir kein Weib nehmen?“ erkundigte ſie ſich weiter.
„Ich möchte vielleicht wohl, aber ich kann nicht.“
„Warum nicht?“
„Kann man es thun, wenn man ſo gefeſſelt iſt?“
„Du wirſt warten, bis du wieder frei geworden biſt.“
„Wird man mir die Freiheit wiedergeben?“
„Wir ſind Chaldani; wir töten keinen Gefangenen. Was haſt du gethan, daß man dich gebunden hat?“
„Das will ich dir erzählen. Ich bin über Moſſul und Amadijah in dieſes Land gekommen, um — — —“
II. 36
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„Ich bin ein Chriſt aus dem fernen Abendlande.“
„Aus dem Abendlande!“ rief ſie erſtaunt. „Wo die
Männer mit den Frauen tanzen? Und wo man mit
Schaufeln ißt?“
Alſo der Ruhm unſerer abendländiſchen Kultur war
bereits bis zu den Ohren der Peterſilie gedrungen: ſie
hatte von unſerer Polka und von unſern Löffeln gehört.
„Ja,“ nickte ich.
„Aber was willſt du hier in dieſem Lande?“
„Ich will ſehen, ob hier die Frauen ſchön ſind,
wie die unſerigen.“
„Und was haſt du gefunden?“
„Sie ſind ſehr ſchön.“
„Ja, ſie ſind ſchön,“ ſtimmte ſie bei, „ſchöner als in
einem andern Lande. Haſt du ein Weib?“
„Nein.“
„Ich bedaure dich! Dein Leben gleicht einer Schüſſel,
in der weder Sarmyſak noch Saljanghoſch iſt!“
Sarmyſak und Saljanghoſch, Schnecken in Knoblauch?
Sollte dies das fürchterliche Gericht ſein, welches vorhin
in der „Reiſetaſche“ verſchwand! Und das hatte die Peter-
ſilie ohne „Schaufeln“ bewältigt!
„Willſt du dir kein Weib nehmen?“ erkundigte ſie
ſich weiter.
„Ich möchte vielleicht wohl, aber ich kann nicht.“
„Warum nicht?“
„Kann man es thun, wenn man ſo gefeſſelt iſt?“
„Du wirſt warten, bis du wieder frei geworden biſt.“
„Wird man mir die Freiheit wiedergeben?“
„Wir ſind Chaldani; wir töten keinen Gefangenen.
Was haſt du gethan, daß man dich gebunden hat?“
„Das will ich dir erzählen. Ich bin über Moſſul
und Amadijah in dieſes Land gekommen, um — — —“
II. 36
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/575>, abgerufen am 28.11.2024.
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