"Er wird deine Krieger herbeiholen, um dich und uns zu befreien."
"Dies wollte ich von dir hören. Es wird also einen Kampf, einen sehr schlimmen Kampf geben, und du glaubst dennoch, daß der Melek uns als Gäste behandeln wird?"
"Ja, ich glaube es."
"Euch, aber nicht mich!"
"So bricht er sein Wort, und wir können dann nach unserm Belieben handeln."
"Auch mußt du bedenken, daß es gegen die Ehre ist, wenn ich unthätig in Lizan sitze, während die Meinen ihr Blut für mich vergießen. Hättest du doch den Melek getötet! Diese Nestorah waren so erschrocken, daß wir entkommen wären, ohne einen Schuß von ihnen zu er- halten."
"Die Ansicht eines kurdischen Kriegers ist verschieden von der Meinung eines christlichen Emirs. Ich habe dem Melek mein Wort gegeben, und ich werde es halten, so lange er an das seinige denkt."
Mit diesem Bescheide mußte der Bey sich zufrieden geben. Unser einfaches Mahl war verzehrt, und so streckten wir uns zum Schlafe auf die Matten aus, nachdem wir zuvor die Reihenfolge der Wachen bestimmt hatten. Ich traute dem Melek vollständig, wenigstens für heute, aber doch war Vorsicht nicht überflüssig, und so hatte stets einer von uns die Augen offen zu halten.
Die Nacht verging ohne jede Störung, und am Morgen erhielten wir abermals ein Lamm, welches wie das am vorigen Abend zubereitet wurde. Dann kam der Melek herbei, um uns zum Aufbruch aufzufordern. Schon während der Nacht waren einige Gruppen der
„Ich hoffe, daß er nach Gumri gegangen iſt.“
„Was meinſt du, daß er dort thun wird?“
„Er wird deine Krieger herbeiholen, um dich und uns zu befreien.“
„Dies wollte ich von dir hören. Es wird alſo einen Kampf, einen ſehr ſchlimmen Kampf geben, und du glaubſt dennoch, daß der Melek uns als Gäſte behandeln wird?“
„Ja, ich glaube es.“
„Euch, aber nicht mich!“
„So bricht er ſein Wort, und wir können dann nach unſerm Belieben handeln.“
„Auch mußt du bedenken, daß es gegen die Ehre iſt, wenn ich unthätig in Lizan ſitze, während die Meinen ihr Blut für mich vergießen. Hätteſt du doch den Melek getötet! Dieſe Neſtorah waren ſo erſchrocken, daß wir entkommen wären, ohne einen Schuß von ihnen zu er- halten.“
„Die Anſicht eines kurdiſchen Kriegers iſt verſchieden von der Meinung eines chriſtlichen Emirs. Ich habe dem Melek mein Wort gegeben, und ich werde es halten, ſo lange er an das ſeinige denkt.“
Mit dieſem Beſcheide mußte der Bey ſich zufrieden geben. Unſer einfaches Mahl war verzehrt, und ſo ſtreckten wir uns zum Schlafe auf die Matten aus, nachdem wir zuvor die Reihenfolge der Wachen beſtimmt hatten. Ich traute dem Melek vollſtändig, wenigſtens für heute, aber doch war Vorſicht nicht überflüſſig, und ſo hatte ſtets einer von uns die Augen offen zu halten.
Die Nacht verging ohne jede Störung, und am Morgen erhielten wir abermals ein Lamm, welches wie das am vorigen Abend zubereitet wurde. Dann kam der Melek herbei, um uns zum Aufbruch aufzufordern. Schon während der Nacht waren einige Gruppen der
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[508/0522]
„Ich hoffe, daß er nach Gumri gegangen iſt.“
„Was meinſt du, daß er dort thun wird?“
„Er wird deine Krieger herbeiholen, um dich und
uns zu befreien.“
„Dies wollte ich von dir hören. Es wird alſo einen
Kampf, einen ſehr ſchlimmen Kampf geben, und du glaubſt
dennoch, daß der Melek uns als Gäſte behandeln wird?“
„Ja, ich glaube es.“
„Euch, aber nicht mich!“
„So bricht er ſein Wort, und wir können dann nach
unſerm Belieben handeln.“
„Auch mußt du bedenken, daß es gegen die Ehre iſt,
wenn ich unthätig in Lizan ſitze, während die Meinen ihr
Blut für mich vergießen. Hätteſt du doch den Melek
getötet! Dieſe Neſtorah waren ſo erſchrocken, daß wir
entkommen wären, ohne einen Schuß von ihnen zu er-
halten.“
„Die Anſicht eines kurdiſchen Kriegers iſt verſchieden
von der Meinung eines chriſtlichen Emirs. Ich habe dem
Melek mein Wort gegeben, und ich werde es halten, ſo
lange er an das ſeinige denkt.“
Mit dieſem Beſcheide mußte der Bey ſich zufrieden
geben. Unſer einfaches Mahl war verzehrt, und ſo ſtreckten
wir uns zum Schlafe auf die Matten aus, nachdem wir
zuvor die Reihenfolge der Wachen beſtimmt hatten. Ich
traute dem Melek vollſtändig, wenigſtens für heute, aber
doch war Vorſicht nicht überflüſſig, und ſo hatte ſtets
einer von uns die Augen offen zu halten.
Die Nacht verging ohne jede Störung, und am
Morgen erhielten wir abermals ein Lamm, welches wie
das am vorigen Abend zubereitet wurde. Dann kam
der Melek herbei, um uns zum Aufbruch aufzufordern.
Schon während der Nacht waren einige Gruppen der
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/522>, abgerufen am 23.12.2024.
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