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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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mußten zusammentreten und wurden von den Dschesidi
eskortiert. Die Geschützstücke waren auf die Maultiere
geladen worden und folgten unter Bedeckung. Natürlich
machten wir uns wieder beritten, als wir bei den Pferden
ankamen.

Eine halbe Stunde vor dem Thale von Scheik Adi
ließ ich die Kanonen unter dem Schutze von zwanzig Mann
zurück. Es geschah dies um des Boten willen, welcher
von dem Miralai erwartet wurde.

Gleich an dem Eingange zum Thale trafen wir auf
eine bedeutende Menschenmenge. Das Gerücht von unserer
kleinen Expedition hatte sich sehr bald unter den Pilgern
verbreitet, und man hatte sich hier versammelt, um das
Ergebnis so bald wie möglich zu vernehmen. Infolge-
dessen war auch jedwedes Schießen im Thale eingestellt
worden, sodaß nun eine tiefe Stille herrschte. Man
wollte die Schüsse hören, falls es zwischen uns und den
Türken zu einem ernstlichen Kampfe kommen sollte.

Der erste, welcher mir entgegenkam, war Ali Bey.

"Endlich kommst du," rief er sichtlich erleichtert;
dann setzte er besorgt hinzu: "aber ohne Kanonen! Und
auch Leute fehlen!"

"Es fehlt kein Mann, und auch kein einziger ist ver-
wundet."

"Wo sind sie?"

"Bei Halef und Selek draußen bei den Geschützen,
die ich zurückgelassen habe."

"Warum?"

"Dieser Jüs Baschi hat mir erzählt, daß der Miralai
an die Stelle, wo die Kanonen stehen, einen Boten senden
werde. Sie sollen dann vorrücken und Scheik Adi mit
Vollkugeln, Kartätschen und Granaten beschießen. Hast
du Leute, welche ein Geschütz zu bedienen verstehen?"

mußten zuſammentreten und wurden von den Dſcheſidi
eskortiert. Die Geſchützſtücke waren auf die Maultiere
geladen worden und folgten unter Bedeckung. Natürlich
machten wir uns wieder beritten, als wir bei den Pferden
ankamen.

Eine halbe Stunde vor dem Thale von Scheik Adi
ließ ich die Kanonen unter dem Schutze von zwanzig Mann
zurück. Es geſchah dies um des Boten willen, welcher
von dem Miralai erwartet wurde.

Gleich an dem Eingange zum Thale trafen wir auf
eine bedeutende Menſchenmenge. Das Gerücht von unſerer
kleinen Expedition hatte ſich ſehr bald unter den Pilgern
verbreitet, und man hatte ſich hier verſammelt, um das
Ergebnis ſo bald wie möglich zu vernehmen. Infolge-
deſſen war auch jedwedes Schießen im Thale eingeſtellt
worden, ſodaß nun eine tiefe Stille herrſchte. Man
wollte die Schüſſe hören, falls es zwiſchen uns und den
Türken zu einem ernſtlichen Kampfe kommen ſollte.

Der erſte, welcher mir entgegenkam, war Ali Bey.

„Endlich kommſt du,“ rief er ſichtlich erleichtert;
dann ſetzte er beſorgt hinzu: „aber ohne Kanonen! Und
auch Leute fehlen!“

„Es fehlt kein Mann, und auch kein einziger iſt ver-
wundet.“

„Wo ſind ſie?“

„Bei Halef und Selek draußen bei den Geſchützen,
die ich zurückgelaſſen habe.“

„Warum?“

„Dieſer Jüs Baſchi hat mir erzählt, daß der Miralai
an die Stelle, wo die Kanonen ſtehen, einen Boten ſenden
werde. Sie ſollen dann vorrücken und Scheik Adi mit
Vollkugeln, Kartätſchen und Granaten beſchießen. Haſt
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[36/0050] mußten zuſammentreten und wurden von den Dſcheſidi eskortiert. Die Geſchützſtücke waren auf die Maultiere geladen worden und folgten unter Bedeckung. Natürlich machten wir uns wieder beritten, als wir bei den Pferden ankamen. Eine halbe Stunde vor dem Thale von Scheik Adi ließ ich die Kanonen unter dem Schutze von zwanzig Mann zurück. Es geſchah dies um des Boten willen, welcher von dem Miralai erwartet wurde. Gleich an dem Eingange zum Thale trafen wir auf eine bedeutende Menſchenmenge. Das Gerücht von unſerer kleinen Expedition hatte ſich ſehr bald unter den Pilgern verbreitet, und man hatte ſich hier verſammelt, um das Ergebnis ſo bald wie möglich zu vernehmen. Infolge- deſſen war auch jedwedes Schießen im Thale eingeſtellt worden, ſodaß nun eine tiefe Stille herrſchte. Man wollte die Schüſſe hören, falls es zwiſchen uns und den Türken zu einem ernſtlichen Kampfe kommen ſollte. Der erſte, welcher mir entgegenkam, war Ali Bey. „Endlich kommſt du,“ rief er ſichtlich erleichtert; dann ſetzte er beſorgt hinzu: „aber ohne Kanonen! Und auch Leute fehlen!“ „Es fehlt kein Mann, und auch kein einziger iſt ver- wundet.“ „Wo ſind ſie?“ „Bei Halef und Selek draußen bei den Geſchützen, die ich zurückgelaſſen habe.“ „Warum?“ „Dieſer Jüs Baſchi hat mir erzählt, daß der Miralai an die Stelle, wo die Kanonen ſtehen, einen Boten ſenden werde. Sie ſollen dann vorrücken und Scheik Adi mit Vollkugeln, Kartätſchen und Granaten beſchießen. Haſt du Leute, welche ein Geſchütz zu bedienen verſtehen?“

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/50>, abgerufen am 21.11.2024.