"So sende sie hinaus. Sie mögen mit den Türken die Kleidung wechseln, den Boten gefangen nehmen und dann sofort einen Schuß lösen. Dies wird für uns das sicherste Zeichen sein, daß der Feind nahe ist, und diesen selbst wird es zu einem übereilten Angriff verleiten. Was thust du mit den Gefangenen?"
"Ich schicke sie fort und lasse sie bewachen."
"Im Thale Idiz?"
"Nein. Diesen Ort darf keiner sehen, der nicht ein Dschesidi ist. Aber es giebt eine kleine Schlucht, in der es möglich ist, die Gefangenen nur durch wenige Leute festzuhalten. Komm!"
In seinem Hause erwartete mich ein sehr reichliches Nachtessen, wobei mich seine Frau bediente. Er selbst war nicht zugegen, denn er mußte die Umkleidung der Ge- fangenen beaufsichtigen, welche dann abgeführt wurden. Diejenigen, welche die Uniformen der Türken erhielten, waren geschulte Kanoniere und rückten bald ab, um sich zu den Geschützen zu begeben.
Die Sterne begannen bereits zu erbleichen, als Ali Bey zu mir kam.
"Bist du bereit, aufzubrechen, Emir?"
"Wohin?"
"Nach dem Thale Idiz."
"Erlaube, daß ich hier bleibe!"
"Du willst mitkämpfen?"
"Nein."
"Dich uns nur anschließen, um zu sehen, ob wir tapfer sind?"
"Ich werde mich euch auch nicht anschließen, sondern hier in Scheik Adi bleiben."
"Herr, was denkst du!"
„Genug!“
„So ſende ſie hinaus. Sie mögen mit den Türken die Kleidung wechſeln, den Boten gefangen nehmen und dann ſofort einen Schuß löſen. Dies wird für uns das ſicherſte Zeichen ſein, daß der Feind nahe iſt, und dieſen ſelbſt wird es zu einem übereilten Angriff verleiten. Was thuſt du mit den Gefangenen?“
„Ich ſchicke ſie fort und laſſe ſie bewachen.“
„Im Thale Idiz?“
„Nein. Dieſen Ort darf keiner ſehen, der nicht ein Dſcheſidi iſt. Aber es giebt eine kleine Schlucht, in der es möglich iſt, die Gefangenen nur durch wenige Leute feſtzuhalten. Komm!“
In ſeinem Hauſe erwartete mich ein ſehr reichliches Nachteſſen, wobei mich ſeine Frau bediente. Er ſelbſt war nicht zugegen, denn er mußte die Umkleidung der Ge- fangenen beaufſichtigen, welche dann abgeführt wurden. Diejenigen, welche die Uniformen der Türken erhielten, waren geſchulte Kanoniere und rückten bald ab, um ſich zu den Geſchützen zu begeben.
Die Sterne begannen bereits zu erbleichen, als Ali Bey zu mir kam.
„Biſt du bereit, aufzubrechen, Emir?“
„Wohin?“
„Nach dem Thale Idiz.“
„Erlaube, daß ich hier bleibe!“
„Du willſt mitkämpfen?“
„Nein.“
„Dich uns nur anſchließen, um zu ſehen, ob wir tapfer ſind?“
„Ich werde mich euch auch nicht anſchließen, ſondern hier in Scheik Adi bleiben.“
„Herr, was denkſt du!“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0051"n="37"/><p>„Genug!“</p><lb/><p>„So ſende ſie hinaus. Sie mögen mit den Türken<lb/>
die Kleidung wechſeln, den Boten gefangen nehmen und<lb/>
dann ſofort einen Schuß löſen. Dies wird für uns das<lb/>ſicherſte Zeichen ſein, daß der Feind nahe iſt, und dieſen<lb/>ſelbſt wird es zu einem übereilten Angriff verleiten. Was<lb/>
thuſt du mit den Gefangenen?“</p><lb/><p>„Ich ſchicke ſie fort und laſſe ſie bewachen.“</p><lb/><p>„Im Thale Idiz?“</p><lb/><p>„Nein. Dieſen Ort darf keiner ſehen, der nicht ein<lb/>
Dſcheſidi iſt. Aber es giebt eine kleine Schlucht, in der<lb/>
es möglich iſt, die Gefangenen nur durch wenige Leute<lb/>
feſtzuhalten. Komm!“</p><lb/><p>In ſeinem Hauſe erwartete mich ein ſehr reichliches<lb/>
Nachteſſen, wobei mich ſeine Frau bediente. Er ſelbſt war<lb/>
nicht zugegen, denn er mußte die Umkleidung der Ge-<lb/>
fangenen beaufſichtigen, welche dann abgeführt wurden.<lb/>
Diejenigen, welche die Uniformen der Türken erhielten,<lb/>
waren geſchulte Kanoniere und rückten bald ab, um ſich<lb/>
zu den Geſchützen zu begeben.</p><lb/><p>Die Sterne begannen bereits zu erbleichen, als Ali<lb/>
Bey zu mir kam.</p><lb/><p>„Biſt du bereit, aufzubrechen, Emir?“</p><lb/><p>„Wohin?“</p><lb/><p>„Nach dem Thale Idiz.“</p><lb/><p>„Erlaube, daß ich hier bleibe!“</p><lb/><p>„Du willſt mitkämpfen?“</p><lb/><p>„Nein.“</p><lb/><p>„Dich uns nur anſchließen, um zu ſehen, ob wir<lb/>
tapfer ſind?“</p><lb/><p>„Ich werde mich euch auch nicht anſchließen, ſondern<lb/>
hier in Scheik Adi bleiben.“</p><lb/><p>„Herr, was denkſt du!“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[37/0051]
„Genug!“
„So ſende ſie hinaus. Sie mögen mit den Türken
die Kleidung wechſeln, den Boten gefangen nehmen und
dann ſofort einen Schuß löſen. Dies wird für uns das
ſicherſte Zeichen ſein, daß der Feind nahe iſt, und dieſen
ſelbſt wird es zu einem übereilten Angriff verleiten. Was
thuſt du mit den Gefangenen?“
„Ich ſchicke ſie fort und laſſe ſie bewachen.“
„Im Thale Idiz?“
„Nein. Dieſen Ort darf keiner ſehen, der nicht ein
Dſcheſidi iſt. Aber es giebt eine kleine Schlucht, in der
es möglich iſt, die Gefangenen nur durch wenige Leute
feſtzuhalten. Komm!“
In ſeinem Hauſe erwartete mich ein ſehr reichliches
Nachteſſen, wobei mich ſeine Frau bediente. Er ſelbſt war
nicht zugegen, denn er mußte die Umkleidung der Ge-
fangenen beaufſichtigen, welche dann abgeführt wurden.
Diejenigen, welche die Uniformen der Türken erhielten,
waren geſchulte Kanoniere und rückten bald ab, um ſich
zu den Geſchützen zu begeben.
Die Sterne begannen bereits zu erbleichen, als Ali
Bey zu mir kam.
„Biſt du bereit, aufzubrechen, Emir?“
„Wohin?“
„Nach dem Thale Idiz.“
„Erlaube, daß ich hier bleibe!“
„Du willſt mitkämpfen?“
„Nein.“
„Dich uns nur anſchließen, um zu ſehen, ob wir
tapfer ſind?“
„Ich werde mich euch auch nicht anſchließen, ſondern
hier in Scheik Adi bleiben.“
„Herr, was denkſt du!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/51>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.