werdet ihr getötet, vielleicht aber auch erlangt ihr Gnade, wenn ihr gehorsam seid."
"Was sollen wir thun?"
"Zunächst meine Fragen der Wahrheit gemäß beant- worten."
"Frage!"
"Kommen noch mehr Truppen hinter euch?"
"Nein."
"Ihr seid wirklich die einzigen hier?"
"Ja."
"So ist der Miralai Omar Amed ein sehr unfähiger Mensch. In Scheik Adi halten mehrere tausend Bewaff- nete, und hier schickt er dreißig Männer mit vier Kanonen gegen sie. Er mußte euch wenigstens einen Alai Emini mit zweihundert Mann Infanterie als Bedeckung mit- geben. Dieser Mann hat gemeint, die Dschesidi seien so leicht zu fangen und zu töten, wie die Fliegen. Welche Befehle hat er euch gegeben?"
"Wir sollen die Geschütze unbemerkt bis an das Wasser schaffen."
"Und dann?"
"Und dann an demselben aufwärts gehen, bis eine halbe Stunde vor Scheik Adi."
"Weiter!"
"Dort sollen wir warten, bis er uns einen Boten sendet. Darauf müssen wir bis zum Thale vorrücken und die Dschesidi mit Kugeln, Kartätschen und Granaten be- schießen."
"Das Vorrücken ist euch gestattet; ihr werdet sogar noch weiter kommen als nur bis zum Eingange des Thales. Das Schießen aber werden andere übernehmen."
Nun es einmal geschehen war, ergaben sich die Türken als echte Fatalisten ganz ruhig in ihr Schicksal. Sie
werdet ihr getötet, vielleicht aber auch erlangt ihr Gnade, wenn ihr gehorſam ſeid.“
„Was ſollen wir thun?“
„Zunächſt meine Fragen der Wahrheit gemäß beant- worten.“
„Frage!“
„Kommen noch mehr Truppen hinter euch?“
„Nein.“
„Ihr ſeid wirklich die einzigen hier?“
„Ja.“
„So iſt der Miralai Omar Amed ein ſehr unfähiger Menſch. In Scheik Adi halten mehrere tauſend Bewaff- nete, und hier ſchickt er dreißig Männer mit vier Kanonen gegen ſie. Er mußte euch wenigſtens einen Alai Emini mit zweihundert Mann Infanterie als Bedeckung mit- geben. Dieſer Mann hat gemeint, die Dſcheſidi ſeien ſo leicht zu fangen und zu töten, wie die Fliegen. Welche Befehle hat er euch gegeben?“
„Wir ſollen die Geſchütze unbemerkt bis an das Waſſer ſchaffen.“
„Und dann?“
„Und dann an demſelben aufwärts gehen, bis eine halbe Stunde vor Scheik Adi.“
„Weiter!“
„Dort ſollen wir warten, bis er uns einen Boten ſendet. Darauf müſſen wir bis zum Thale vorrücken und die Dſcheſidi mit Kugeln, Kartätſchen und Granaten be- ſchießen.“
„Das Vorrücken iſt euch geſtattet; ihr werdet ſogar noch weiter kommen als nur bis zum Eingange des Thales. Das Schießen aber werden andere übernehmen.“
Nun es einmal geſchehen war, ergaben ſich die Türken als echte Fataliſten ganz ruhig in ihr Schickſal. Sie
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0049"n="35"/>
werdet ihr getötet, vielleicht aber auch erlangt ihr Gnade,<lb/>
wenn ihr gehorſam ſeid.“</p><lb/><p>„Was ſollen wir thun?“</p><lb/><p>„Zunächſt meine Fragen der Wahrheit gemäß beant-<lb/>
worten.“</p><lb/><p>„Frage!“</p><lb/><p>„Kommen noch mehr Truppen hinter euch?“</p><lb/><p>„Nein.“</p><lb/><p>„Ihr ſeid wirklich die einzigen hier?“</p><lb/><p>„Ja.“</p><lb/><p>„So iſt der Miralai Omar Amed ein ſehr unfähiger<lb/>
Menſch. In Scheik Adi halten mehrere tauſend Bewaff-<lb/>
nete, und hier ſchickt er dreißig Männer mit vier Kanonen<lb/>
gegen ſie. Er mußte euch wenigſtens einen Alai Emini<lb/>
mit zweihundert Mann Infanterie als Bedeckung mit-<lb/>
geben. Dieſer Mann hat gemeint, die Dſcheſidi ſeien ſo<lb/>
leicht zu fangen und zu töten, wie die Fliegen. Welche<lb/>
Befehle hat er euch gegeben?“</p><lb/><p>„Wir ſollen die Geſchütze unbemerkt bis an das Waſſer<lb/>ſchaffen.“</p><lb/><p>„Und dann?“</p><lb/><p>„Und dann an demſelben aufwärts gehen, bis eine<lb/>
halbe Stunde vor Scheik Adi.“</p><lb/><p>„Weiter!“</p><lb/><p>„Dort ſollen wir warten, bis er uns einen Boten<lb/>ſendet. Darauf müſſen wir bis zum Thale vorrücken und<lb/>
die Dſcheſidi mit Kugeln, Kartätſchen und Granaten be-<lb/>ſchießen.“</p><lb/><p>„Das Vorrücken iſt euch geſtattet; ihr werdet ſogar<lb/>
noch weiter kommen als nur bis zum Eingange des Thales.<lb/>
Das Schießen aber werden andere übernehmen.“</p><lb/><p>Nun es einmal geſchehen war, ergaben ſich die Türken<lb/>
als echte Fataliſten ganz ruhig in ihr Schickſal. Sie<lb/></p></div></body></text></TEI>
[35/0049]
werdet ihr getötet, vielleicht aber auch erlangt ihr Gnade,
wenn ihr gehorſam ſeid.“
„Was ſollen wir thun?“
„Zunächſt meine Fragen der Wahrheit gemäß beant-
worten.“
„Frage!“
„Kommen noch mehr Truppen hinter euch?“
„Nein.“
„Ihr ſeid wirklich die einzigen hier?“
„Ja.“
„So iſt der Miralai Omar Amed ein ſehr unfähiger
Menſch. In Scheik Adi halten mehrere tauſend Bewaff-
nete, und hier ſchickt er dreißig Männer mit vier Kanonen
gegen ſie. Er mußte euch wenigſtens einen Alai Emini
mit zweihundert Mann Infanterie als Bedeckung mit-
geben. Dieſer Mann hat gemeint, die Dſcheſidi ſeien ſo
leicht zu fangen und zu töten, wie die Fliegen. Welche
Befehle hat er euch gegeben?“
„Wir ſollen die Geſchütze unbemerkt bis an das Waſſer
ſchaffen.“
„Und dann?“
„Und dann an demſelben aufwärts gehen, bis eine
halbe Stunde vor Scheik Adi.“
„Weiter!“
„Dort ſollen wir warten, bis er uns einen Boten
ſendet. Darauf müſſen wir bis zum Thale vorrücken und
die Dſcheſidi mit Kugeln, Kartätſchen und Granaten be-
ſchießen.“
„Das Vorrücken iſt euch geſtattet; ihr werdet ſogar
noch weiter kommen als nur bis zum Eingange des Thales.
Das Schießen aber werden andere übernehmen.“
Nun es einmal geſchehen war, ergaben ſich die Türken
als echte Fataliſten ganz ruhig in ihr Schickſal. Sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/49>, abgerufen am 23.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.