ist, da wir Gumri bald erreichen werden und uns als- dann in Sicherheit befinden."
Wir setzten also unsern Ritt fort und bemerkten nach einiger Zeit, daß die Kurden uns wieder folgten. Sie hielten sich so weit von uns entfernt, daß wir uns in voll- ständiger und gegenseitiger Sicherheit befanden. Später verloren wir sie an einer Krümmung aus dem Auge und erblickten sie dann wieder vor uns. Sie hatten uns um- ritten, um entweder uns abermals den Weg zu verlegen, oder um uns in Gumri zuvorzukommen. Wir bemerkten sehr bald, daß letzteres beabsichtigt sein müsse; denn vor uns stiegen nun, allerdings in noch weiter Entfernung, die Umrisse des isolierten Felsens empor, auf welchem Kalah Gumri liegt. Dieses ist eigentlich nur ein schwaches, aus Lehm erbautes Fort, mit dem einige wenige Geschütze leicht fertig werden könnten; es wird aber von den Kurden für eine sehr starke Festung gehalten.
Wir hatten uns diesem Ort bis auf eine Entfernung von vielleicht einer englischen Meile genähert, als uns plötzlich ein wildes Geschrei umtobte und aus den nahen Büschen mehrere hundert kurdische Krieger hervorsprangen und auf uns eindrangen. Lindsay riß die Büchse empor.
"Um Gottes willen, Sir, nicht schießen!" rief ich ihm zu und schlug ihm den Lauf des Gewehres nieder.
"Warum?" fragte er. "Fürchtet Ihr Euch, Master?"
Ich hatte keine Zeit zur Antwort. Die Kurden waren schon bei uns und zwischen uns und drängten uns aus- einander. Ein junger Mensch trat auf meinen im Steig- bügel ruhenden Fuß, schwang sich empor und holte mit dem Dolch zum Stoße aus. Ich riß ihm die Waffe aus der Hand und schleuderte ihn hinab. Dann packte ich einen anderen beim Arm.
"Du bist mein Beschützer!" rief ich ihm zu.
iſt, da wir Gumri bald erreichen werden und uns als- dann in Sicherheit befinden.“
Wir ſetzten alſo unſern Ritt fort und bemerkten nach einiger Zeit, daß die Kurden uns wieder folgten. Sie hielten ſich ſo weit von uns entfernt, daß wir uns in voll- ſtändiger und gegenſeitiger Sicherheit befanden. Später verloren wir ſie an einer Krümmung aus dem Auge und erblickten ſie dann wieder vor uns. Sie hatten uns um- ritten, um entweder uns abermals den Weg zu verlegen, oder um uns in Gumri zuvorzukommen. Wir bemerkten ſehr bald, daß letzteres beabſichtigt ſein müſſe; denn vor uns ſtiegen nun, allerdings in noch weiter Entfernung, die Umriſſe des iſolierten Felſens empor, auf welchem Kalah Gumri liegt. Dieſes iſt eigentlich nur ein ſchwaches, aus Lehm erbautes Fort, mit dem einige wenige Geſchütze leicht fertig werden könnten; es wird aber von den Kurden für eine ſehr ſtarke Feſtung gehalten.
Wir hatten uns dieſem Ort bis auf eine Entfernung von vielleicht einer engliſchen Meile genähert, als uns plötzlich ein wildes Geſchrei umtobte und aus den nahen Büſchen mehrere hundert kurdiſche Krieger hervorſprangen und auf uns eindrangen. Lindſay riß die Büchſe empor.
„Um Gottes willen, Sir, nicht ſchießen!“ rief ich ihm zu und ſchlug ihm den Lauf des Gewehres nieder.
„Warum?“ fragte er. „Fürchtet Ihr Euch, Maſter?“
Ich hatte keine Zeit zur Antwort. Die Kurden waren ſchon bei uns und zwiſchen uns und drängten uns aus- einander. Ein junger Menſch trat auf meinen im Steig- bügel ruhenden Fuß, ſchwang ſich empor und holte mit dem Dolch zum Stoße aus. Ich riß ihm die Waffe aus der Hand und ſchleuderte ihn hinab. Dann packte ich einen anderen beim Arm.
„Du biſt mein Beſchützer!“ rief ich ihm zu.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0432"n="418"/>
iſt, da wir Gumri bald erreichen werden und uns als-<lb/>
dann in Sicherheit befinden.“</p><lb/><p>Wir ſetzten alſo unſern Ritt fort und bemerkten nach<lb/>
einiger Zeit, daß die Kurden uns wieder folgten. Sie<lb/>
hielten ſich ſo weit von uns entfernt, daß wir uns in voll-<lb/>ſtändiger und gegenſeitiger Sicherheit befanden. Später<lb/>
verloren wir ſie an einer Krümmung aus dem Auge und<lb/>
erblickten ſie dann wieder vor uns. Sie hatten uns um-<lb/>
ritten, um entweder uns abermals den Weg zu verlegen,<lb/>
oder um uns in Gumri zuvorzukommen. Wir bemerkten<lb/>ſehr bald, daß letzteres beabſichtigt ſein müſſe; denn vor<lb/>
uns ſtiegen nun, allerdings in noch weiter Entfernung, die<lb/>
Umriſſe des iſolierten Felſens empor, auf welchem Kalah<lb/>
Gumri liegt. Dieſes iſt eigentlich nur ein ſchwaches, aus<lb/>
Lehm erbautes Fort, mit dem einige wenige Geſchütze leicht<lb/>
fertig werden könnten; es wird aber von den Kurden für<lb/>
eine ſehr ſtarke Feſtung gehalten.</p><lb/><p>Wir hatten uns dieſem Ort bis auf eine Entfernung<lb/>
von vielleicht einer engliſchen Meile genähert, als uns<lb/>
plötzlich ein wildes Geſchrei umtobte und aus den nahen<lb/>
Büſchen mehrere hundert kurdiſche Krieger hervorſprangen<lb/>
und auf uns eindrangen. Lindſay riß die Büchſe empor.</p><lb/><p>„Um Gottes willen, Sir, nicht ſchießen!“ rief ich ihm<lb/>
zu und ſchlug ihm den Lauf des Gewehres nieder.</p><lb/><p>„Warum?“ fragte er. „Fürchtet Ihr Euch, Maſter?“</p><lb/><p>Ich hatte keine Zeit zur Antwort. Die Kurden waren<lb/>ſchon bei uns und zwiſchen uns und drängten uns aus-<lb/>
einander. Ein junger Menſch trat auf meinen im Steig-<lb/>
bügel ruhenden Fuß, ſchwang ſich empor und holte mit<lb/>
dem Dolch zum Stoße aus. Ich riß ihm die Waffe aus<lb/>
der Hand und ſchleuderte ihn hinab. Dann packte ich einen<lb/>
anderen beim Arm.</p><lb/><p>„Du biſt mein Beſchützer!“ rief ich ihm zu.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[418/0432]
iſt, da wir Gumri bald erreichen werden und uns als-
dann in Sicherheit befinden.“
Wir ſetzten alſo unſern Ritt fort und bemerkten nach
einiger Zeit, daß die Kurden uns wieder folgten. Sie
hielten ſich ſo weit von uns entfernt, daß wir uns in voll-
ſtändiger und gegenſeitiger Sicherheit befanden. Später
verloren wir ſie an einer Krümmung aus dem Auge und
erblickten ſie dann wieder vor uns. Sie hatten uns um-
ritten, um entweder uns abermals den Weg zu verlegen,
oder um uns in Gumri zuvorzukommen. Wir bemerkten
ſehr bald, daß letzteres beabſichtigt ſein müſſe; denn vor
uns ſtiegen nun, allerdings in noch weiter Entfernung, die
Umriſſe des iſolierten Felſens empor, auf welchem Kalah
Gumri liegt. Dieſes iſt eigentlich nur ein ſchwaches, aus
Lehm erbautes Fort, mit dem einige wenige Geſchütze leicht
fertig werden könnten; es wird aber von den Kurden für
eine ſehr ſtarke Feſtung gehalten.
Wir hatten uns dieſem Ort bis auf eine Entfernung
von vielleicht einer engliſchen Meile genähert, als uns
plötzlich ein wildes Geſchrei umtobte und aus den nahen
Büſchen mehrere hundert kurdiſche Krieger hervorſprangen
und auf uns eindrangen. Lindſay riß die Büchſe empor.
„Um Gottes willen, Sir, nicht ſchießen!“ rief ich ihm
zu und ſchlug ihm den Lauf des Gewehres nieder.
„Warum?“ fragte er. „Fürchtet Ihr Euch, Maſter?“
Ich hatte keine Zeit zur Antwort. Die Kurden waren
ſchon bei uns und zwiſchen uns und drängten uns aus-
einander. Ein junger Menſch trat auf meinen im Steig-
bügel ruhenden Fuß, ſchwang ſich empor und holte mit
dem Dolch zum Stoße aus. Ich riß ihm die Waffe aus
der Hand und ſchleuderte ihn hinab. Dann packte ich einen
anderen beim Arm.
„Du biſt mein Beſchützer!“ rief ich ihm zu.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/432>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.