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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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Er schüttelte den Kopf.

"Du bist bewaffnet!" antwortete er.

"Ich vertraue dir alle Waffen an. Hier, nimm sie!"

Er nahm meine Waffen an und legte dann die Hand
auf mich.

"Dieser ist mein auf den ganzen Tag," erklärte er
laut.

"Und die andern auch," fügte ich hinzu.

"Sie haben nicht um Schutz gebeten," wehrte er ab

"Ich thue es an ihrer Stelle. Sie reden eure Sprache
nicht."

"So mögen sie ihre Waffen ablegen, dann will ich
ihr Hal-am *) sein."

Die Entwaffnung ging sehr schnell vor sich, obgleich
keiner der Gefährten mit meinem Verfahren zufrieden war.
Ausgenommen den einen, welcher den Dolch auf mich ge-
zückt hatte, schien es, als ob die Kurden jetzt weniger nach
unserem Leben als vielmehr danach trachteten, unsere Per-
sonen in ihre Gewalt zu bekommen. Jener eine aber
fixierte mich mit so grimmigen Blicken, daß ich in ihm
den Bluträcher vermuten mußte, und dies bestätigte sich
auch sehr bald; denn als wir uns in Bewegung setzten,
ersah er die Gelegenheit, zog den Dolch und warf sich auf
meinen Hund. Doch dieser war schneller als der Mann.
Er fuhr zurück, um dem Stoße auszuweichen, und faßte
dann den Feind gleich über dem Griffe des Dolches am
Handgelenk. Wir hörten zwischen den gewaltigen Zähnen
des Tieres die Knochen knirschen. Der Kurde stieß einen
Schrei aus und ließ den Dolch fallen. Sofort riß ihn der
Hund zu Boden und packte ihn an der Kehle. Einige
Dutzend Flinten richteten sich auf das mutige Tier.

*) "Hal" = Onkel von mütterlicher, "Am" = Onkel von väterlicher Seite.
Die Zusammenziehung dieser beiden Worte bedeutet Beschützer.

Er ſchüttelte den Kopf.

„Du biſt bewaffnet!“ antwortete er.

„Ich vertraue dir alle Waffen an. Hier, nimm ſie!“

Er nahm meine Waffen an und legte dann die Hand
auf mich.

„Dieſer iſt mein auf den ganzen Tag,“ erklärte er
laut.

„Und die andern auch,“ fügte ich hinzu.

„Sie haben nicht um Schutz gebeten,“ wehrte er ab

„Ich thue es an ihrer Stelle. Sie reden eure Sprache
nicht.“

„So mögen ſie ihre Waffen ablegen, dann will ich
ihr Hal-am *) ſein.“

Die Entwaffnung ging ſehr ſchnell vor ſich, obgleich
keiner der Gefährten mit meinem Verfahren zufrieden war.
Ausgenommen den einen, welcher den Dolch auf mich ge-
zückt hatte, ſchien es, als ob die Kurden jetzt weniger nach
unſerem Leben als vielmehr danach trachteten, unſere Per-
ſonen in ihre Gewalt zu bekommen. Jener eine aber
fixierte mich mit ſo grimmigen Blicken, daß ich in ihm
den Bluträcher vermuten mußte, und dies beſtätigte ſich
auch ſehr bald; denn als wir uns in Bewegung ſetzten,
erſah er die Gelegenheit, zog den Dolch und warf ſich auf
meinen Hund. Doch dieſer war ſchneller als der Mann.
Er fuhr zurück, um dem Stoße auszuweichen, und faßte
dann den Feind gleich über dem Griffe des Dolches am
Handgelenk. Wir hörten zwiſchen den gewaltigen Zähnen
des Tieres die Knochen knirſchen. Der Kurde ſtieß einen
Schrei aus und ließ den Dolch fallen. Sofort riß ihn der
Hund zu Boden und packte ihn an der Kehle. Einige
Dutzend Flinten richteten ſich auf das mutige Tier.

*) „Hal“ = Onkel von mütterlicher, „Am“ = Onkel von väterlicher Seite.
Die Zuſammenziehung dieſer beiden Worte bedeutet Beſchützer.
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[419/0433] Er ſchüttelte den Kopf. „Du biſt bewaffnet!“ antwortete er. „Ich vertraue dir alle Waffen an. Hier, nimm ſie!“ Er nahm meine Waffen an und legte dann die Hand auf mich. „Dieſer iſt mein auf den ganzen Tag,“ erklärte er laut. „Und die andern auch,“ fügte ich hinzu. „Sie haben nicht um Schutz gebeten,“ wehrte er ab „Ich thue es an ihrer Stelle. Sie reden eure Sprache nicht.“ „So mögen ſie ihre Waffen ablegen, dann will ich ihr Hal-am *) ſein.“ Die Entwaffnung ging ſehr ſchnell vor ſich, obgleich keiner der Gefährten mit meinem Verfahren zufrieden war. Ausgenommen den einen, welcher den Dolch auf mich ge- zückt hatte, ſchien es, als ob die Kurden jetzt weniger nach unſerem Leben als vielmehr danach trachteten, unſere Per- ſonen in ihre Gewalt zu bekommen. Jener eine aber fixierte mich mit ſo grimmigen Blicken, daß ich in ihm den Bluträcher vermuten mußte, und dies beſtätigte ſich auch ſehr bald; denn als wir uns in Bewegung ſetzten, erſah er die Gelegenheit, zog den Dolch und warf ſich auf meinen Hund. Doch dieſer war ſchneller als der Mann. Er fuhr zurück, um dem Stoße auszuweichen, und faßte dann den Feind gleich über dem Griffe des Dolches am Handgelenk. Wir hörten zwiſchen den gewaltigen Zähnen des Tieres die Knochen knirſchen. Der Kurde ſtieß einen Schrei aus und ließ den Dolch fallen. Sofort riß ihn der Hund zu Boden und packte ihn an der Kehle. Einige Dutzend Flinten richteten ſich auf das mutige Tier. *) „Hal“ = Onkel von mütterlicher, „Am“ = Onkel von väterlicher Seite. Die Zuſammenziehung dieſer beiden Worte bedeutet Beſchützer.

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/433>, abgerufen am 24.11.2024.