den Eintritt lassen konnte. Als er die auf sich gerichteten Waffen sah, blieb er in der Thüröffnung stehen.
"Chodih! Ihr wollt auf mich schießen?"
"Nein. Wir halten uns nur für alles bereit. Es könnte doch auch ein anderer, ein Feind sein!"
Er kam vollends herein, und ich schob den Balken wieder vor.
"Was willst du, daß du uns in unserer Ruhe störst?" begann ich nun.
"Ich will euch warnen," antwortete er.
"Warnen! Wovor?"
"Vor einer sehr großen Gefahr. Ihr seid meine Gäste, und daher ist es meine Pflicht, euch aufmerksam zu machen."
Sein Blick forschte ringsum und fiel auf die Leiter und auf das geöffnete Loch im Dache.
"Wo habt ihr eure Pferde?" fragte er.
"Drin in der Stube."
"In der Stube? Chodih, diese ist doch nur für Menschen gemacht!"
"Ein gutes Pferd ist dem Reisenden mehr wert als ein schlechter Mensch!"
"Der Besitzer dieses Hauses wird zornig sein, denn die Hufe der Tiere werden ihm seine Diele zerstampfen."
"Wir werden ihn entschädigen."
"Warum habt ihr die Leiter hereingenommen?"
"Sie gehört herein, da keine Treppe vorhanden ist."
"Habt ihr geschlafen?"
Ich bejahte, und er fragte weiter:
"Habt ihr Geräusch gehört?"
"Wir hörten draußen vor dem Hause Leute gehen, aber das können wir ihnen nicht verbieten. Doch wir hörten auch Leute in den Hof steigen, und das war uns nicht lieb. Der Hof ist unser. Wären unsere Pferde noch
den Eintritt laſſen konnte. Als er die auf ſich gerichteten Waffen ſah, blieb er in der Thüröffnung ſtehen.
„Chodih! Ihr wollt auf mich ſchießen?“
„Nein. Wir halten uns nur für alles bereit. Es könnte doch auch ein anderer, ein Feind ſein!“
Er kam vollends herein, und ich ſchob den Balken wieder vor.
„Was willſt du, daß du uns in unſerer Ruhe ſtörſt?“ begann ich nun.
„Ich will euch warnen,“ antwortete er.
„Warnen! Wovor?“
„Vor einer ſehr großen Gefahr. Ihr ſeid meine Gäſte, und daher iſt es meine Pflicht, euch aufmerkſam zu machen.“
Sein Blick forſchte ringsum und fiel auf die Leiter und auf das geöffnete Loch im Dache.
„Wo habt ihr eure Pferde?“ fragte er.
„Drin in der Stube.“
„In der Stube? Chodih, dieſe iſt doch nur für Menſchen gemacht!“
„Ein gutes Pferd iſt dem Reiſenden mehr wert als ein ſchlechter Menſch!“
„Der Beſitzer dieſes Hauſes wird zornig ſein, denn die Hufe der Tiere werden ihm ſeine Diele zerſtampfen.“
„Wir werden ihn entſchädigen.“
„Warum habt ihr die Leiter hereingenommen?“
„Sie gehört herein, da keine Treppe vorhanden iſt.“
„Habt ihr geſchlafen?“
Ich bejahte, und er fragte weiter:
„Habt ihr Geräuſch gehört?“
„Wir hörten draußen vor dem Hauſe Leute gehen, aber das können wir ihnen nicht verbieten. Doch wir hörten auch Leute in den Hof ſteigen, und das war uns nicht lieb. Der Hof iſt unſer. Wären unſere Pferde noch
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den Eintritt laſſen konnte. Als er die auf ſich gerichteten
Waffen ſah, blieb er in der Thüröffnung ſtehen.
„Chodih! Ihr wollt auf mich ſchießen?“
„Nein. Wir halten uns nur für alles bereit. Es
könnte doch auch ein anderer, ein Feind ſein!“
Er kam vollends herein, und ich ſchob den Balken
wieder vor.
„Was willſt du, daß du uns in unſerer Ruhe ſtörſt?“
begann ich nun.
„Ich will euch warnen,“ antwortete er.
„Warnen! Wovor?“
„Vor einer ſehr großen Gefahr. Ihr ſeid meine Gäſte,
und daher iſt es meine Pflicht, euch aufmerkſam zu machen.“
Sein Blick forſchte ringsum und fiel auf die Leiter
und auf das geöffnete Loch im Dache.
„Wo habt ihr eure Pferde?“ fragte er.
„Drin in der Stube.“
„In der Stube? Chodih, dieſe iſt doch nur für
Menſchen gemacht!“
„Ein gutes Pferd iſt dem Reiſenden mehr wert als
ein ſchlechter Menſch!“
„Der Beſitzer dieſes Hauſes wird zornig ſein, denn
die Hufe der Tiere werden ihm ſeine Diele zerſtampfen.“
„Wir werden ihn entſchädigen.“
„Warum habt ihr die Leiter hereingenommen?“
„Sie gehört herein, da keine Treppe vorhanden iſt.“
„Habt ihr geſchlafen?“
Ich bejahte, und er fragte weiter:
„Habt ihr Geräuſch gehört?“
„Wir hörten draußen vor dem Hauſe Leute gehen,
aber das können wir ihnen nicht verbieten. Doch wir
hörten auch Leute in den Hof ſteigen, und das war uns
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/407>, abgerufen am 27.05.2024.
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