draußen gewesen, so hätten wir auf die Eindringlinge geschossen, da wir sie für Diebe hätten halten müssen."
"Pferde können nicht über die Mauer fortgeschafft werden, und du hast ja wohl auch den Hund im Hofe, den ich heute bei dir gesehen habe."
Das war eine Wendung, auf die ich nicht einging.
"Das wissen auch wir, daß man die Pferde nicht über die Mauer bringt; aber man konnte sie hier durch den Flur führen."
"Man kann ja nicht herein!"
"Laß deine Gedanken etwas weiter reichen, Neza- num! Wenn man auf das Dach und von da hier her- unter steigt, so kann man die Hof- und auch die Vorder- thüre öffnen und alle Pferde entführen, zumal wenn man die Stubenthüre hier mit dem Riegel verschließt. Wir hätten dann drin gesteckt, ohne uns wehren zu können."
"Wer sollte auf das Dach steigen!"
"Oh, es hatte sich ja bereits ein Mann da oben ver- steckt und die Leiter mit emporgezogen. Das erweckte natürlich unsern Verdacht, und so haben wir die Pferde zu uns hereingenommen. Und wenn auch nun hundert auf das Dach steigen wollten, sie würden wohl hinauf, aber nicht in das Innere des Hauses kommen, und am Morgen würden ihre Leichen auf dem Dache liegen."
"Würdet ihr sie töten?"
"Nein, wir würden ruhig schlafen; denn wir wissen, daß wir uns auf meinen Hund, der oben ist, verlassen können."
"Aber ein Hund gehört doch nicht auf das Dach!"
"Ein Hund gehört überall dahin, wo es gilt, wach- sam zu sein, und ich will dir sagen, daß die Hunde der Tschermaki des Nachts sehr gern auf den Dächern spazie- ren gehen. Aber du wolltest uns ja warnen! Wovor? Du hast uns die Gefahr noch nicht genannt."
draußen geweſen, ſo hätten wir auf die Eindringlinge geſchoſſen, da wir ſie für Diebe hätten halten müſſen.“
„Pferde können nicht über die Mauer fortgeſchafft werden, und du haſt ja wohl auch den Hund im Hofe, den ich heute bei dir geſehen habe.“
Das war eine Wendung, auf die ich nicht einging.
„Das wiſſen auch wir, daß man die Pferde nicht über die Mauer bringt; aber man konnte ſie hier durch den Flur führen.“
„Man kann ja nicht herein!“
„Laß deine Gedanken etwas weiter reichen, Neza- num! Wenn man auf das Dach und von da hier her- unter ſteigt, ſo kann man die Hof- und auch die Vorder- thüre öffnen und alle Pferde entführen, zumal wenn man die Stubenthüre hier mit dem Riegel verſchließt. Wir hätten dann drin geſteckt, ohne uns wehren zu können.“
„Wer ſollte auf das Dach ſteigen!“
„Oh, es hatte ſich ja bereits ein Mann da oben ver- ſteckt und die Leiter mit emporgezogen. Das erweckte natürlich unſern Verdacht, und ſo haben wir die Pferde zu uns hereingenommen. Und wenn auch nun hundert auf das Dach ſteigen wollten, ſie würden wohl hinauf, aber nicht in das Innere des Hauſes kommen, und am Morgen würden ihre Leichen auf dem Dache liegen.“
„Würdet ihr ſie töten?“
„Nein, wir würden ruhig ſchlafen; denn wir wiſſen, daß wir uns auf meinen Hund, der oben iſt, verlaſſen können.“
„Aber ein Hund gehört doch nicht auf das Dach!“
„Ein Hund gehört überall dahin, wo es gilt, wach- ſam zu ſein, und ich will dir ſagen, daß die Hunde der Tſchermaki des Nachts ſehr gern auf den Dächern ſpazie- ren gehen. Aber du wollteſt uns ja warnen! Wovor? Du haſt uns die Gefahr noch nicht genannt.“
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draußen geweſen, ſo hätten wir auf die Eindringlinge
geſchoſſen, da wir ſie für Diebe hätten halten müſſen.“
„Pferde können nicht über die Mauer fortgeſchafft
werden, und du haſt ja wohl auch den Hund im Hofe,
den ich heute bei dir geſehen habe.“
Das war eine Wendung, auf die ich nicht einging.
„Das wiſſen auch wir, daß man die Pferde nicht
über die Mauer bringt; aber man konnte ſie hier durch
den Flur führen.“
„Man kann ja nicht herein!“
„Laß deine Gedanken etwas weiter reichen, Neza-
num! Wenn man auf das Dach und von da hier her-
unter ſteigt, ſo kann man die Hof- und auch die Vorder-
thüre öffnen und alle Pferde entführen, zumal wenn man
die Stubenthüre hier mit dem Riegel verſchließt. Wir
hätten dann drin geſteckt, ohne uns wehren zu können.“
„Wer ſollte auf das Dach ſteigen!“
„Oh, es hatte ſich ja bereits ein Mann da oben ver-
ſteckt und die Leiter mit emporgezogen. Das erweckte
natürlich unſern Verdacht, und ſo haben wir die Pferde
zu uns hereingenommen. Und wenn auch nun hundert
auf das Dach ſteigen wollten, ſie würden wohl hinauf,
aber nicht in das Innere des Hauſes kommen, und am
Morgen würden ihre Leichen auf dem Dache liegen.“
„Würdet ihr ſie töten?“
„Nein, wir würden ruhig ſchlafen; denn wir wiſſen, daß
wir uns auf meinen Hund, der oben iſt, verlaſſen können.“
„Aber ein Hund gehört doch nicht auf das Dach!“
„Ein Hund gehört überall dahin, wo es gilt, wach-
ſam zu ſein, und ich will dir ſagen, daß die Hunde der
Tſchermaki des Nachts ſehr gern auf den Dächern ſpazie-
ren gehen. Aber du wollteſt uns ja warnen! Wovor?
Du haſt uns die Gefahr noch nicht genannt.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/408>, abgerufen am 26.11.2024.
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