"Makredsch, du steigest ja abwärts! Ein Mutesselim braucht nicht mit sich feilschen zu lassen. Sagst du nicht ja, so gehe ich noch höher."
"Ich habe es nicht. Zweitausend könnte ich dir geben!"
"Deine Hand ist verschlossen, aber du wirst sie gern noch öffnen. Jetzt verlange ich fünftausend!"
"Herr, ich will dir die drei Tausend geben!"
"Fünf habe ich gesagt!"
Die Augen des Makredsch hafteten wütend auf dem Kommandanten, und die Angst um sein Geld stand ihm deutlich auf der Stirn geschrieben. Aber die Sorge für seine Freiheit war noch größer.
"Versprichst du mir, mich hinaus zu lassen, wenn ich dich bezahle?"
"Ich verspreche es dir."
"Schwöre es mir bei dem Propheten!"
"Ich schwöre es!"
Diese Worte sprach der Mutesselim unbedenklich aus.
"So zähle!" sagte der Makredsch.
Er langte in die Taschen seiner weiten Beinkleider und zog ein Paket hervor, welches in ein seidenes Tuch geschlagen war. Er öffnete es und begann, die Summe auf dem Fußboden aufzuzählen, wobei der Agha leuchtete.
"Ist es richtig?" fragte er, als er fertig war.
Der Mutesselim zählte nach und sagte dann:
"Es sind Kaime *) mit dem Zahlwerte von fünf- tausend Piaster. Aber du wirst wissen, daß dieses Geld den vollen Wert nicht hat. Das Pfund Sterling kostet, mit Kaime bezahlt, jetzt einhundertvierzig statt einhundert-
*) Neben dem "Sehim" eine Art Papiergeld.
„So giebſt du viertauſend.“
„Herr! Du ſteigſt ja in die Höhe!“
„Makredſch, du ſteigeſt ja abwärts! Ein Muteſſelim braucht nicht mit ſich feilſchen zu laſſen. Sagſt du nicht ja, ſo gehe ich noch höher.“
„Ich habe es nicht. Zweitauſend könnte ich dir geben!“
„Deine Hand iſt verſchloſſen, aber du wirſt ſie gern noch öffnen. Jetzt verlange ich fünftauſend!“
„Herr, ich will dir die drei Tauſend geben!“
„Fünf habe ich geſagt!“
Die Augen des Makredſch hafteten wütend auf dem Kommandanten, und die Angſt um ſein Geld ſtand ihm deutlich auf der Stirn geſchrieben. Aber die Sorge für ſeine Freiheit war noch größer.
„Verſprichſt du mir, mich hinaus zu laſſen, wenn ich dich bezahle?“
„Ich verſpreche es dir.“
„Schwöre es mir bei dem Propheten!“
„Ich ſchwöre es!“
Dieſe Worte ſprach der Muteſſelim unbedenklich aus.
„So zähle!“ ſagte der Makredſch.
Er langte in die Taſchen ſeiner weiten Beinkleider und zog ein Paket hervor, welches in ein ſeidenes Tuch geſchlagen war. Er öffnete es und begann, die Summe auf dem Fußboden aufzuzählen, wobei der Agha leuchtete.
„Iſt es richtig?“ fragte er, als er fertig war.
Der Muteſſelim zählte nach und ſagte dann:
„Es ſind Kaime *) mit dem Zahlwerte von fünf- tauſend Piaſter. Aber du wirſt wiſſen, daß dieſes Geld den vollen Wert nicht hat. Das Pfund Sterling koſtet, mit Kaime bezahlt, jetzt einhundertvierzig ſtatt einhundert-
*) Neben dem „Sehim“ eine Art Papiergeld.
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„So giebſt du viertauſend.“
„Herr! Du ſteigſt ja in die Höhe!“
„Makredſch, du ſteigeſt ja abwärts! Ein Muteſſelim
braucht nicht mit ſich feilſchen zu laſſen. Sagſt du nicht
ja, ſo gehe ich noch höher.“
„Ich habe es nicht. Zweitauſend könnte ich dir
geben!“
„Deine Hand iſt verſchloſſen, aber du wirſt ſie gern
noch öffnen. Jetzt verlange ich fünftauſend!“
„Herr, ich will dir die drei Tauſend geben!“
„Fünf habe ich geſagt!“
Die Augen des Makredſch hafteten wütend auf dem
Kommandanten, und die Angſt um ſein Geld ſtand ihm
deutlich auf der Stirn geſchrieben. Aber die Sorge für
ſeine Freiheit war noch größer.
„Verſprichſt du mir, mich hinaus zu laſſen, wenn ich
dich bezahle?“
„Ich verſpreche es dir.“
„Schwöre es mir bei dem Propheten!“
„Ich ſchwöre es!“
Dieſe Worte ſprach der Muteſſelim unbedenklich aus.
„So zähle!“ ſagte der Makredſch.
Er langte in die Taſchen ſeiner weiten Beinkleider
und zog ein Paket hervor, welches in ein ſeidenes Tuch
geſchlagen war. Er öffnete es und begann, die Summe
auf dem Fußboden aufzuzählen, wobei der Agha leuchtete.
„Iſt es richtig?“ fragte er, als er fertig war.
Der Muteſſelim zählte nach und ſagte dann:
„Es ſind Kaime *) mit dem Zahlwerte von fünf-
tauſend Piaſter. Aber du wirſt wiſſen, daß dieſes Geld
den vollen Wert nicht hat. Das Pfund Sterling koſtet,
mit Kaime bezahlt, jetzt einhundertvierzig ſtatt einhundert-
*) Neben dem „Sehim“ eine Art Papiergeld.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/328>, abgerufen am 29.11.2024.
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