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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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das leibliche Wohl ihrer Pfleglinge sei. Halef brachte
auch Kaffee, ein Getränk, welches die Kurden am schmerz-
lichsten vermißt hatten, ganz ebenso wie den Tabak, den
sie nachher rauchten.

Endlich brachen sie auf, eben als Selim Agha ein-
trat, um mir zu sagen, daß der Mutesselim bereit sei,
mich zu empfangen. Sie nahmen einen herzlichen Abschied
von mir und schärften mir nochmals ein, daß ich ja nach
Gumri kommen möge. Dohub nahm das Paket des Dorf-
ältesten mit, und ich war überzeugt, daß ich mir Freunde
erworben hatte, auf die ich im Falle der Not wohl sicher
rechnen könne.

Ich besuchte nun zunächst meine Patientin und wurde
in dem vorderen Zimmer von ihren Eltern mit Freude
empfangen.

"Wie geht es eurer Tochter?" fragte ich.

"O, viel, viel besser bereits, Herr," antwortete der
Mann. "Deine Weisheit ist fast noch größer als unser
Dank, denn sie kann bereits wieder vernünftig reden und
hat uns auch gesagt, daß sie wirklich von den Kirschen
des Todes gegessen habe. Und deine Güte ist noch größer,
als wir verdienen und ahnten; denn ich habe erfahren,
daß du kein Arzt bist, der für Lohn zu den Kranken
kommt, sondern ein großer Emir, der ein Liebling des
Großherrn und ein Freund des Mutessarif ist."

"Wer sagte dies?"

"Die ganze Stadt weiß es bereits. Selim Agha ist
deines Lobes voll; der Mutesselim hat dich mit Parade
empfangen und auf deinen Befehl sogar Gefangene frei-
lassen müssen. Einer sagt es dem andern, und so haben
auch wir es erfahren."

"Bist du ein Kind dieser Stadt? Ich sehe doch, daß
du doch wohl eigentlich ein Kurde bist!"

das leibliche Wohl ihrer Pfleglinge ſei. Halef brachte
auch Kaffee, ein Getränk, welches die Kurden am ſchmerz-
lichſten vermißt hatten, ganz ebenſo wie den Tabak, den
ſie nachher rauchten.

Endlich brachen ſie auf, eben als Selim Agha ein-
trat, um mir zu ſagen, daß der Muteſſelim bereit ſei,
mich zu empfangen. Sie nahmen einen herzlichen Abſchied
von mir und ſchärften mir nochmals ein, daß ich ja nach
Gumri kommen möge. Dohub nahm das Paket des Dorf-
älteſten mit, und ich war überzeugt, daß ich mir Freunde
erworben hatte, auf die ich im Falle der Not wohl ſicher
rechnen könne.

Ich beſuchte nun zunächſt meine Patientin und wurde
in dem vorderen Zimmer von ihren Eltern mit Freude
empfangen.

„Wie geht es eurer Tochter?“ fragte ich.

„O, viel, viel beſſer bereits, Herr,“ antwortete der
Mann. „Deine Weisheit iſt faſt noch größer als unſer
Dank, denn ſie kann bereits wieder vernünftig reden und
hat uns auch geſagt, daß ſie wirklich von den Kirſchen
des Todes gegeſſen habe. Und deine Güte iſt noch größer,
als wir verdienen und ahnten; denn ich habe erfahren,
daß du kein Arzt biſt, der für Lohn zu den Kranken
kommt, ſondern ein großer Emir, der ein Liebling des
Großherrn und ein Freund des Muteſſarif iſt.“

„Wer ſagte dies?“

„Die ganze Stadt weiß es bereits. Selim Agha iſt
deines Lobes voll; der Muteſſelim hat dich mit Parade
empfangen und auf deinen Befehl ſogar Gefangene frei-
laſſen müſſen. Einer ſagt es dem andern, und ſo haben
auch wir es erfahren.“

„Biſt du ein Kind dieſer Stadt? Ich ſehe doch, daß
du doch wohl eigentlich ein Kurde biſt!“

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[217/0231] das leibliche Wohl ihrer Pfleglinge ſei. Halef brachte auch Kaffee, ein Getränk, welches die Kurden am ſchmerz- lichſten vermißt hatten, ganz ebenſo wie den Tabak, den ſie nachher rauchten. Endlich brachen ſie auf, eben als Selim Agha ein- trat, um mir zu ſagen, daß der Muteſſelim bereit ſei, mich zu empfangen. Sie nahmen einen herzlichen Abſchied von mir und ſchärften mir nochmals ein, daß ich ja nach Gumri kommen möge. Dohub nahm das Paket des Dorf- älteſten mit, und ich war überzeugt, daß ich mir Freunde erworben hatte, auf die ich im Falle der Not wohl ſicher rechnen könne. Ich beſuchte nun zunächſt meine Patientin und wurde in dem vorderen Zimmer von ihren Eltern mit Freude empfangen. „Wie geht es eurer Tochter?“ fragte ich. „O, viel, viel beſſer bereits, Herr,“ antwortete der Mann. „Deine Weisheit iſt faſt noch größer als unſer Dank, denn ſie kann bereits wieder vernünftig reden und hat uns auch geſagt, daß ſie wirklich von den Kirſchen des Todes gegeſſen habe. Und deine Güte iſt noch größer, als wir verdienen und ahnten; denn ich habe erfahren, daß du kein Arzt biſt, der für Lohn zu den Kranken kommt, ſondern ein großer Emir, der ein Liebling des Großherrn und ein Freund des Muteſſarif iſt.“ „Wer ſagte dies?“ „Die ganze Stadt weiß es bereits. Selim Agha iſt deines Lobes voll; der Muteſſelim hat dich mit Parade empfangen und auf deinen Befehl ſogar Gefangene frei- laſſen müſſen. Einer ſagt es dem andern, und ſo haben auch wir es erfahren.“ „Biſt du ein Kind dieſer Stadt? Ich ſehe doch, daß du doch wohl eigentlich ein Kurde biſt!“

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/231>, abgerufen am 12.12.2024.