zu seinen Haddedihn zu gelangen, und man wird ihm denselben verlegen. Wie willst du dann reiten?"
"Ich werde mich nach den Umständen zu richten haben. Wir könnten nach Süden gehen und auf dem Zab Ala oder zu Pferde längs des Akra-Flusses entkommen. Wir könnten auch nach Norden gehen, über die Berge von Tijari und den Maranan-Dagh, und dann den Khabur und den Tigris überschreiten, um durch die Salzwüste nach dem Sindschar zu kommen."
"In diesen Fällen aber werden wir dich niemals wiedersehen!"
"Gott lenkt die Gedanken und Schritte des Men- schen; ihm sei alles anheimgestellt!"
Wir ritten weiter. Halef und der Baschi-Bozuk folg- ten uns. Mein Rappe hatte sich weidlich ausruhen kön- nen. Er hatte früher nur Balahat-Datteln gefressen und sich jetzt an anderes Futter gewöhnen müssen, war mir aber doch fast ein wenig zu fleischig geworden und zeigte einen Ueberfluß an Kräften, so daß ich ihn derb zwischen die Schenkel nehmen mußte. Ich war übrigens halb neu- gierig und halb besorgt, wie er sich bewähren werde, wenn es gälte, die Schneeberge Kurdistans zu überwinden.
Wir langten bald bei den Badinan an und wurden von ihnen mit gastlicher Fröhlichkeit empfangen. Moham- med Emin war reisefertig, und nachdem wir noch ein Stündchen geplaudert, geschmaust und geraucht hatten, brachen wir auf. Ali Bey gab uns allen, und mir zu- letzt, die Hand. Im Auge stand ihm eine Thräne.
"Emir, glaubst du, daß ich dich lieb habe?" fragte er bewegt.
"Ich weiß es; aber auch ich scheide in Wehmut von dir, den meine Seele lieb gewonnen hat."
"Du gehst von hinnen, und ich bleibe; aber meine
zu ſeinen Haddedihn zu gelangen, und man wird ihm denſelben verlegen. Wie willſt du dann reiten?“
„Ich werde mich nach den Umſtänden zu richten haben. Wir könnten nach Süden gehen und auf dem Zab Ala oder zu Pferde längs des Akra-Fluſſes entkommen. Wir könnten auch nach Norden gehen, über die Berge von Tijari und den Maranan-Dagh, und dann den Khabur und den Tigris überſchreiten, um durch die Salzwüſte nach dem Sindſchar zu kommen.“
„In dieſen Fällen aber werden wir dich niemals wiederſehen!“
„Gott lenkt die Gedanken und Schritte des Men- ſchen; ihm ſei alles anheimgeſtellt!“
Wir ritten weiter. Halef und der Baſchi-Bozuk folg- ten uns. Mein Rappe hatte ſich weidlich ausruhen kön- nen. Er hatte früher nur Balahat-Datteln gefreſſen und ſich jetzt an anderes Futter gewöhnen müſſen, war mir aber doch faſt ein wenig zu fleiſchig geworden und zeigte einen Ueberfluß an Kräften, ſo daß ich ihn derb zwiſchen die Schenkel nehmen mußte. Ich war übrigens halb neu- gierig und halb beſorgt, wie er ſich bewähren werde, wenn es gälte, die Schneeberge Kurdiſtans zu überwinden.
Wir langten bald bei den Badinan an und wurden von ihnen mit gaſtlicher Fröhlichkeit empfangen. Moham- med Emin war reiſefertig, und nachdem wir noch ein Stündchen geplaudert, geſchmauſt und geraucht hatten, brachen wir auf. Ali Bey gab uns allen, und mir zu- letzt, die Hand. Im Auge ſtand ihm eine Thräne.
„Emir, glaubſt du, daß ich dich lieb habe?“ fragte er bewegt.
„Ich weiß es; aber auch ich ſcheide in Wehmut von dir, den meine Seele lieb gewonnen hat.“
„Du gehſt von hinnen, und ich bleibe; aber meine
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zu ſeinen Haddedihn zu gelangen, und man wird ihm
denſelben verlegen. Wie willſt du dann reiten?“
„Ich werde mich nach den Umſtänden zu richten haben.
Wir könnten nach Süden gehen und auf dem Zab Ala
oder zu Pferde längs des Akra-Fluſſes entkommen. Wir
könnten auch nach Norden gehen, über die Berge von
Tijari und den Maranan-Dagh, und dann den Khabur
und den Tigris überſchreiten, um durch die Salzwüſte
nach dem Sindſchar zu kommen.“
„In dieſen Fällen aber werden wir dich niemals
wiederſehen!“
„Gott lenkt die Gedanken und Schritte des Men-
ſchen; ihm ſei alles anheimgeſtellt!“
Wir ritten weiter. Halef und der Baſchi-Bozuk folg-
ten uns. Mein Rappe hatte ſich weidlich ausruhen kön-
nen. Er hatte früher nur Balahat-Datteln gefreſſen und
ſich jetzt an anderes Futter gewöhnen müſſen, war mir
aber doch faſt ein wenig zu fleiſchig geworden und zeigte
einen Ueberfluß an Kräften, ſo daß ich ihn derb zwiſchen
die Schenkel nehmen mußte. Ich war übrigens halb neu-
gierig und halb beſorgt, wie er ſich bewähren werde, wenn
es gälte, die Schneeberge Kurdiſtans zu überwinden.
Wir langten bald bei den Badinan an und wurden
von ihnen mit gaſtlicher Fröhlichkeit empfangen. Moham-
med Emin war reiſefertig, und nachdem wir noch ein
Stündchen geplaudert, geſchmauſt und geraucht hatten,
brachen wir auf. Ali Bey gab uns allen, und mir zu-
letzt, die Hand. Im Auge ſtand ihm eine Thräne.
„Emir, glaubſt du, daß ich dich lieb habe?“ fragte
er bewegt.
„Ich weiß es; aber auch ich ſcheide in Wehmut von
dir, den meine Seele lieb gewonnen hat.“
„Du gehſt von hinnen, und ich bleibe; aber meine
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/130>, abgerufen am 22.11.2024.
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