"Der Allerbarmer gab dem Menschen den Verstand, um zu denken, und ein Herz, um zu fühlen. Wer nicht die Rede eines andern überdenkt, und wer nicht die Ge- fühle seines Bruders empfindet, der hat den Erbarmenden verlassen und verleugnet, und dann, erst dann darf der Zorn und die Strafe über ihn kommen."
"Mir Scheik Khan, ich werde nach deinen Worten handeln!"
"So wiederhole ich meine Frage: Was wirst du thun?"
"Ich werde mit zehn Männern nach Dscherraijah gehen, mir aber genug Krieger folgen lassen, um den Mutessarif gefangen zu nehmen. Vorher aber, bereits noch heute werde ich Kundschafter nach Mossul, Kufjund- schik, Telkeif, Baaweiza, Ras ul Ain und Khorsabad senden, die mich rechtzeitig von seinen Plänen benach- richtigen werden. Ich werde in Liebe mit ihm reden, dann mit Strenge, wenn er nicht hört. Achtet er auch dann nicht auf mich, so lasse ich ihn seinen geheimen Brief sehen und gebe das Zeichen, ihn zu ergreifen. Während ich bei ihm bin, werden meine Männer Dscherraijah um- ringen. Er kann mir nicht entgehen."
"Vielleicht wird er auch Kundschafter senden, um zu erfahren, wie du dich auf die Zusammenkunft mit ihm vorbereitest."
"Er wird nichts erfahren, denn meine Leute werden bereits während der Nacht von hier abgehen, und zwar nicht auf der Straße über Baadri, sondern rechts bis fast nach Bozan hinüber. Sie werden am Morgen am Bache im Westen von Dscherraijah sein."
"Und wer wird während deiner Abwesenheit in Scheik Adi befehligen?"
„Und wenn er nicht auf mich hört?“
„Der Allerbarmer gab dem Menſchen den Verſtand, um zu denken, und ein Herz, um zu fühlen. Wer nicht die Rede eines andern überdenkt, und wer nicht die Ge- fühle ſeines Bruders empfindet, der hat den Erbarmenden verlaſſen und verleugnet, und dann, erſt dann darf der Zorn und die Strafe über ihn kommen.“
„Mir Scheik Khan, ich werde nach deinen Worten handeln!“
„So wiederhole ich meine Frage: Was wirſt du thun?“
„Ich werde mit zehn Männern nach Dſcherraijah gehen, mir aber genug Krieger folgen laſſen, um den Muteſſarif gefangen zu nehmen. Vorher aber, bereits noch heute werde ich Kundſchafter nach Moſſul, Kufjund- ſchik, Telkeif, Baaweiza, Ras ul Aïn und Khorsabad ſenden, die mich rechtzeitig von ſeinen Plänen benach- richtigen werden. Ich werde in Liebe mit ihm reden, dann mit Strenge, wenn er nicht hört. Achtet er auch dann nicht auf mich, ſo laſſe ich ihn ſeinen geheimen Brief ſehen und gebe das Zeichen, ihn zu ergreifen. Während ich bei ihm bin, werden meine Männer Dſcherraijah um- ringen. Er kann mir nicht entgehen.“
„Vielleicht wird er auch Kundſchafter ſenden, um zu erfahren, wie du dich auf die Zuſammenkunft mit ihm vorbereiteſt.“
„Er wird nichts erfahren, denn meine Leute werden bereits während der Nacht von hier abgehen, und zwar nicht auf der Straße über Baadri, ſondern rechts bis faſt nach Bozan hinüber. Sie werden am Morgen am Bache im Weſten von Dſcherraijah ſein.“
„Und wer wird während deiner Abweſenheit in Scheik Adi befehligen?“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0114"n="100"/><p>„Und wenn er nicht auf mich hört?“</p><lb/><p>„Der Allerbarmer gab dem Menſchen den Verſtand,<lb/>
um zu denken, und ein Herz, um zu fühlen. Wer nicht<lb/>
die Rede eines andern überdenkt, und wer nicht die Ge-<lb/>
fühle ſeines Bruders empfindet, der hat den Erbarmenden<lb/>
verlaſſen und verleugnet, und dann, erſt dann darf der<lb/>
Zorn und die Strafe über ihn kommen.“</p><lb/><p>„Mir Scheik Khan, ich werde nach deinen Worten<lb/>
handeln!“</p><lb/><p>„So wiederhole ich meine Frage: Was wirſt du<lb/>
thun?“</p><lb/><p>„Ich werde mit zehn Männern nach Dſcherraijah<lb/>
gehen, mir aber genug Krieger folgen laſſen, um den<lb/>
Muteſſarif gefangen zu nehmen. Vorher aber, bereits<lb/>
noch heute werde ich Kundſchafter nach Moſſul, Kufjund-<lb/>ſchik, Telkeif, Baaweiza, Ras ul Aïn und Khorsabad<lb/>ſenden, die mich rechtzeitig von ſeinen Plänen benach-<lb/>
richtigen werden. Ich werde in Liebe mit ihm reden,<lb/>
dann mit Strenge, wenn er nicht hört. Achtet er auch<lb/>
dann nicht auf mich, ſo laſſe ich ihn ſeinen geheimen Brief<lb/>ſehen und gebe das Zeichen, ihn zu ergreifen. Während<lb/>
ich bei ihm bin, werden meine Männer Dſcherraijah um-<lb/>
ringen. Er kann mir nicht entgehen.“</p><lb/><p>„Vielleicht wird er auch Kundſchafter ſenden, um zu<lb/>
erfahren, wie du dich auf die Zuſammenkunft mit ihm<lb/>
vorbereiteſt.“</p><lb/><p>„Er wird nichts erfahren, denn meine Leute werden<lb/>
bereits während der Nacht von hier abgehen, und zwar<lb/>
nicht auf der Straße über Baadri, ſondern rechts bis faſt<lb/>
nach Bozan hinüber. Sie werden am Morgen am Bache<lb/>
im Weſten von Dſcherraijah ſein.“</p><lb/><p>„Und wer wird während deiner Abweſenheit in Scheik<lb/>
Adi befehligen?“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[100/0114]
„Und wenn er nicht auf mich hört?“
„Der Allerbarmer gab dem Menſchen den Verſtand,
um zu denken, und ein Herz, um zu fühlen. Wer nicht
die Rede eines andern überdenkt, und wer nicht die Ge-
fühle ſeines Bruders empfindet, der hat den Erbarmenden
verlaſſen und verleugnet, und dann, erſt dann darf der
Zorn und die Strafe über ihn kommen.“
„Mir Scheik Khan, ich werde nach deinen Worten
handeln!“
„So wiederhole ich meine Frage: Was wirſt du
thun?“
„Ich werde mit zehn Männern nach Dſcherraijah
gehen, mir aber genug Krieger folgen laſſen, um den
Muteſſarif gefangen zu nehmen. Vorher aber, bereits
noch heute werde ich Kundſchafter nach Moſſul, Kufjund-
ſchik, Telkeif, Baaweiza, Ras ul Aïn und Khorsabad
ſenden, die mich rechtzeitig von ſeinen Plänen benach-
richtigen werden. Ich werde in Liebe mit ihm reden,
dann mit Strenge, wenn er nicht hört. Achtet er auch
dann nicht auf mich, ſo laſſe ich ihn ſeinen geheimen Brief
ſehen und gebe das Zeichen, ihn zu ergreifen. Während
ich bei ihm bin, werden meine Männer Dſcherraijah um-
ringen. Er kann mir nicht entgehen.“
„Vielleicht wird er auch Kundſchafter ſenden, um zu
erfahren, wie du dich auf die Zuſammenkunft mit ihm
vorbereiteſt.“
„Er wird nichts erfahren, denn meine Leute werden
bereits während der Nacht von hier abgehen, und zwar
nicht auf der Straße über Baadri, ſondern rechts bis faſt
nach Bozan hinüber. Sie werden am Morgen am Bache
im Weſten von Dſcherraijah ſein.“
„Und wer wird während deiner Abweſenheit in Scheik
Adi befehligen?“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/114>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.