"Er wird es um so sicherer und treuer thun, wenn er sieht, daß es auch der Wille des Mutessarif ist."
"Ich muß dir gestehen, daß dieser schriftliche Befehl meinen Verdacht erweckt."
"Warum?"
"Weil er überflüssig ist. Und wie eigentümlich klingen die letzten Worte, daß der Kaimakam den Befehl ja ganz genau lesen möge!"
"Dies soll uns von dem guten Willen des Mutessarif überzeugen und den Kaimakam zum pünktlichsten Gehorsam ermuntern."
"Diese Pünktlichkeit ist selbstverständlich, und darum scheint mir der Befehl mehr als überflüssig."
"Dieser Brief gehört nicht mir; der Gouverneur hat ihn meiner Ehrlichkeit anvertraut, und der Kaimakam soll ihn erhalten."
Es war, als wolle der Zufall diesem Vorsatze des Bey seine ganz besondere Genehmigung erteilen, denn gerade jetzt meldete ein eintretender Dschesidi:
"Herr, es kommt ein Reiter aus dem Thal herauf."
Wir gingen hinaus und erkannten nach einiger Zeit in dem Nahenden den Kaimakam, der allerdings ohne alle Be- gleitung heraufgeritten kam. Wir erwarteten ihn im Freien.
"Seni selamlar-im -- ich begrüße dich!" sagte er beim Absteigen erst zum Bey und dann auch zu mir.
"Chosch geldin-sen, effendi -- sei willkommen, Herr!" antwortete Ali. "Welcher Wunsch führt dich zu mir?"
"Der Wunsch meiner Krieger, welche kein Brot zu essen haben."
Das war ohne alle Einleitung gesprochen. Ali lächelte leise.
"Ich mußte das erwarten. Aber hast du dir gemerkt, daß ich Brot nur gegen Waffen verkaufe?"
„Er wird es um ſo ſicherer und treuer thun, wenn er ſieht, daß es auch der Wille des Muteſſarif iſt.“
„Weil er überflüſſig iſt. Und wie eigentümlich klingen die letzten Worte, daß der Kaimakam den Befehl ja ganz genau leſen möge!“
„Dies ſoll uns von dem guten Willen des Muteſſarif überzeugen und den Kaimakam zum pünktlichſten Gehorſam ermuntern.“
„Dieſe Pünktlichkeit iſt ſelbſtverſtändlich, und darum ſcheint mir der Befehl mehr als überflüſſig.“
„Dieſer Brief gehört nicht mir; der Gouverneur hat ihn meiner Ehrlichkeit anvertraut, und der Kaimakam ſoll ihn erhalten.“
Es war, als wolle der Zufall dieſem Vorſatze des Bey ſeine ganz beſondere Genehmigung erteilen, denn gerade jetzt meldete ein eintretender Dſcheſidi:
„Herr, es kommt ein Reiter aus dem Thal herauf.“
Wir gingen hinaus und erkannten nach einiger Zeit in dem Nahenden den Kaimakam, der allerdings ohne alle Be- gleitung heraufgeritten kam. Wir erwarteten ihn im Freien.
„Seni ſelamlar-im — ich begrüße dich!“ ſagte er beim Abſteigen erſt zum Bey und dann auch zu mir.
„Choſch geldin-ſen, effendi — ſei willkommen, Herr!“ antwortete Ali. „Welcher Wunſch führt dich zu mir?“
„Der Wunſch meiner Krieger, welche kein Brot zu eſſen haben.“
Das war ohne alle Einleitung geſprochen. Ali lächelte leiſe.
„Ich mußte das erwarten. Aber haſt du dir gemerkt, daß ich Brot nur gegen Waffen verkaufe?“
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„Er wird es um ſo ſicherer und treuer thun, wenn
er ſieht, daß es auch der Wille des Muteſſarif iſt.“
„Ich muß dir geſtehen, daß dieſer ſchriftliche Befehl
meinen Verdacht erweckt.“
„Warum?“
„Weil er überflüſſig iſt. Und wie eigentümlich klingen
die letzten Worte, daß der Kaimakam den Befehl ja ganz
genau leſen möge!“
„Dies ſoll uns von dem guten Willen des Muteſſarif
überzeugen und den Kaimakam zum pünktlichſten Gehorſam
ermuntern.“
„Dieſe Pünktlichkeit iſt ſelbſtverſtändlich, und darum
ſcheint mir der Befehl mehr als überflüſſig.“
„Dieſer Brief gehört nicht mir; der Gouverneur hat
ihn meiner Ehrlichkeit anvertraut, und der Kaimakam ſoll
ihn erhalten.“
Es war, als wolle der Zufall dieſem Vorſatze des
Bey ſeine ganz beſondere Genehmigung erteilen, denn
gerade jetzt meldete ein eintretender Dſcheſidi:
„Herr, es kommt ein Reiter aus dem Thal herauf.“
Wir gingen hinaus und erkannten nach einiger Zeit in
dem Nahenden den Kaimakam, der allerdings ohne alle Be-
gleitung heraufgeritten kam. Wir erwarteten ihn im Freien.
„Seni ſelamlar-im — ich begrüße dich!“ ſagte er
beim Abſteigen erſt zum Bey und dann auch zu mir.
„Choſch geldin-ſen, effendi — ſei willkommen, Herr!“
antwortete Ali. „Welcher Wunſch führt dich zu mir?“
„Der Wunſch meiner Krieger, welche kein Brot zu
eſſen haben.“
Das war ohne alle Einleitung geſprochen. Ali lächelte
leiſe.
„Ich mußte das erwarten. Aber haſt du dir gemerkt,
daß ich Brot nur gegen Waffen verkaufe?“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/104>, abgerufen am 22.11.2024.
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