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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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basirtem Papiergeld die englische Aristokratie vom Wucher zu
emancipiren suchten.22)

Die Kreditassociationen, die sich im 12. und 14. Jahrhundert in
Venedig und Genua bildeten, entsprangen aus dem Bedürfniss des
Seehandels und des auf denselben gegründeten Grosshandels, sich
von der Herrschaft des altmodischen Wuchers und den Monopo-
lisirern des Geldhandels zu emancipiren. Wenn die eigentlichen
Banken, die in diesen Stadtrepubliken gestiftet wurden, zugleich
als Anstalten für den öffentlichen Kredit sich darstellen, von denen
der Staat Vorschüsse auf einzunehmende Steuern erhielt, so darf
nicht vergessen werden, dass die Kaufleute, die jene Associationen
bildeten, selbst die ersten Leute jener Staaten, und ebenso interessirt
waren ihre Regierung, wie sich selbst vom Wucher zu emancipiren23),
und zugleich sich den Staat dadurch mehr und sicherer zu unter-
werfen. Als die Bank von England gestiftet werden sollte, warfen
daher auch die Tories ein: "Banken seien republikanische Institu-
tionen. Blühende Banken existirten zu Venedig, Genua, Amsterdam
und Hamburg. Aber wer hätte je gehört von einer Bank von
Frankreich oder Spanien."

Die Bank von Amsterdam 1609 bezeichnet ebenso wenig wie
die von Hamburg (1619) eine Epoche in der Entwicklung des
modernen Kreditwesens. Sie war eine reine Depositenbank. Die
Bons, die die Bank ausgab, waren in der That nur Empfangscheine
für das deponirte gemünzte und ungemünzte Edelmetall, und cir-
kulirten nur mit dem Endossement ihrer Empfänger. Aber in

22) Selbst in den Titeln ihrer Werke gaben sie als Hauptzweck an "das
allgemeine Wohl der Grundbesitzer, die grosse Steigerung des Werthes von
Grundbesitz, die Befreiung des Adels und der gentry etc. von Steuern, die
Vermehrung ihres jährlichen Einkommens etc." Nur die Wucherer würden
verlieren, diese schlimmsten Feinde der Nation, die dem Adel und der yeo-
manry mehr Schaden gethan als eine Invasionsarmee aus Frankreich hätte
thun können.
23) "Karl II. von England z. B. hatte noch enorme Wucherzinsen und Agios
an "die Goldschmiede" (die Vorläufer der Bankiers) zu zahlen, 20--30 %.
Ein so profitliches Geschäft veranlasste "die Goldschmiede" mehr und mehr
dem Könige Vorschüsse zu machen, die gesammten Steuereingänge zu anti-
cipiren, jede parlamentarische Geldbewilligung in Pfand zu nehmen, sobald
sie gemacht war, auch mit einander zu wetteifern im Aufkauf und Pfand-
nahme von bills, orders und tallies, sodass in Wirklichkeit sämmtliche Staats-
einnahmen durch ihre Hand gingen." (John Francis, History of the Bank of
England. London 1848. I. p. 31.) "Die Errichtung einer Bank war schon
früher manchmal vorgeschlagen. Sie war endlich nothwendig geworden."
(l. c., p. 38.) "Die Bank war schon nöthig allein für die von den Wucherern
ausgesaugte Regierung, um Geld zu einem erträglichen Zinsfuss zu erhalten,
auf die Sicherheit von parlamentarischen Bewilligungen." (l. c., p. 59, 60.)

basirtem Papiergeld die englische Aristokratie vom Wucher zu
emancipiren suchten.22)

Die Kreditassociationen, die sich im 12. und 14. Jahrhundert in
Venedig und Genua bildeten, entsprangen aus dem Bedürfniss des
Seehandels und des auf denselben gegründeten Grosshandels, sich
von der Herrschaft des altmodischen Wuchers und den Monopo-
lisirern des Geldhandels zu emancipiren. Wenn die eigentlichen
Banken, die in diesen Stadtrepubliken gestiftet wurden, zugleich
als Anstalten für den öffentlichen Kredit sich darstellen, von denen
der Staat Vorschüsse auf einzunehmende Steuern erhielt, so darf
nicht vergessen werden, dass die Kaufleute, die jene Associationen
bildeten, selbst die ersten Leute jener Staaten, und ebenso interessirt
waren ihre Regierung, wie sich selbst vom Wucher zu emancipiren23),
und zugleich sich den Staat dadurch mehr und sicherer zu unter-
werfen. Als die Bank von England gestiftet werden sollte, warfen
daher auch die Tories ein: „Banken seien republikanische Institu-
tionen. Blühende Banken existirten zu Venedig, Genua, Amsterdam
und Hamburg. Aber wer hätte je gehört von einer Bank von
Frankreich oder Spanien.“

Die Bank von Amsterdam 1609 bezeichnet ebenso wenig wie
die von Hamburg (1619) eine Epoche in der Entwicklung des
modernen Kreditwesens. Sie war eine reine Depositenbank. Die
Bons, die die Bank ausgab, waren in der That nur Empfangscheine
für das deponirte gemünzte und ungemünzte Edelmetall, und cir-
kulirten nur mit dem Endossement ihrer Empfänger. Aber in

22) Selbst in den Titeln ihrer Werke gaben sie als Hauptzweck an „das
allgemeine Wohl der Grundbesitzer, die grosse Steigerung des Werthes von
Grundbesitz, die Befreiung des Adels und der gentry etc. von Steuern, die
Vermehrung ihres jährlichen Einkommens etc.“ Nur die Wucherer würden
verlieren, diese schlimmsten Feinde der Nation, die dem Adel und der yeo-
manry mehr Schaden gethan als eine Invasionsarmee aus Frankreich hätte
thun können.
23) „Karl II. von England z. B. hatte noch enorme Wucherzinsen und Agios
an „die Goldschmiede“ (die Vorläufer der Bankiers) zu zahlen, 20—30 %.
Ein so profitliches Geschäft veranlasste „die Goldschmiede“ mehr und mehr
dem Könige Vorschüsse zu machen, die gesammten Steuereingänge zu anti-
cipiren, jede parlamentarische Geldbewilligung in Pfand zu nehmen, sobald
sie gemacht war, auch mit einander zu wetteifern im Aufkauf und Pfand-
nahme von bills, orders und tallies, sodass in Wirklichkeit sämmtliche Staats-
einnahmen durch ihre Hand gingen.“ (John Francis, History of the Bank of
England. London 1848. I. p. 31.) „Die Errichtung einer Bank war schon
früher manchmal vorgeschlagen. Sie war endlich nothwendig geworden.“
(l. c., p. 38.) „Die Bank war schon nöthig allein für die von den Wucherern
ausgesaugte Regierung, um Geld zu einem erträglichen Zinsfuss zu erhalten,
auf die Sicherheit von parlamentarischen Bewilligungen.“ (l. c., p. 59, 60.)
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[141/0150] basirtem Papiergeld die englische Aristokratie vom Wucher zu emancipiren suchten. 22) Die Kreditassociationen, die sich im 12. und 14. Jahrhundert in Venedig und Genua bildeten, entsprangen aus dem Bedürfniss des Seehandels und des auf denselben gegründeten Grosshandels, sich von der Herrschaft des altmodischen Wuchers und den Monopo- lisirern des Geldhandels zu emancipiren. Wenn die eigentlichen Banken, die in diesen Stadtrepubliken gestiftet wurden, zugleich als Anstalten für den öffentlichen Kredit sich darstellen, von denen der Staat Vorschüsse auf einzunehmende Steuern erhielt, so darf nicht vergessen werden, dass die Kaufleute, die jene Associationen bildeten, selbst die ersten Leute jener Staaten, und ebenso interessirt waren ihre Regierung, wie sich selbst vom Wucher zu emancipiren 23), und zugleich sich den Staat dadurch mehr und sicherer zu unter- werfen. Als die Bank von England gestiftet werden sollte, warfen daher auch die Tories ein: „Banken seien republikanische Institu- tionen. Blühende Banken existirten zu Venedig, Genua, Amsterdam und Hamburg. Aber wer hätte je gehört von einer Bank von Frankreich oder Spanien.“ Die Bank von Amsterdam 1609 bezeichnet ebenso wenig wie die von Hamburg (1619) eine Epoche in der Entwicklung des modernen Kreditwesens. Sie war eine reine Depositenbank. Die Bons, die die Bank ausgab, waren in der That nur Empfangscheine für das deponirte gemünzte und ungemünzte Edelmetall, und cir- kulirten nur mit dem Endossement ihrer Empfänger. Aber in 22) Selbst in den Titeln ihrer Werke gaben sie als Hauptzweck an „das allgemeine Wohl der Grundbesitzer, die grosse Steigerung des Werthes von Grundbesitz, die Befreiung des Adels und der gentry etc. von Steuern, die Vermehrung ihres jährlichen Einkommens etc.“ Nur die Wucherer würden verlieren, diese schlimmsten Feinde der Nation, die dem Adel und der yeo- manry mehr Schaden gethan als eine Invasionsarmee aus Frankreich hätte thun können. 23) „Karl II. von England z. B. hatte noch enorme Wucherzinsen und Agios an „die Goldschmiede“ (die Vorläufer der Bankiers) zu zahlen, 20—30 %. Ein so profitliches Geschäft veranlasste „die Goldschmiede“ mehr und mehr dem Könige Vorschüsse zu machen, die gesammten Steuereingänge zu anti- cipiren, jede parlamentarische Geldbewilligung in Pfand zu nehmen, sobald sie gemacht war, auch mit einander zu wetteifern im Aufkauf und Pfand- nahme von bills, orders und tallies, sodass in Wirklichkeit sämmtliche Staats- einnahmen durch ihre Hand gingen.“ (John Francis, History of the Bank of England. London 1848. I. p. 31.) „Die Errichtung einer Bank war schon früher manchmal vorgeschlagen. Sie war endlich nothwendig geworden.“ (l. c., p. 38.) „Die Bank war schon nöthig allein für die von den Wucherern ausgesaugte Regierung, um Geld zu einem erträglichen Zinsfuss zu erhalten, auf die Sicherheit von parlamentarischen Bewilligungen.“ (l. c., p. 59, 60.)

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/150>, abgerufen am 02.05.2024.