zahlen130). Ein Beispiel genüge. Im September 1864, berichtet Dr. Simon, ging dem Minister des Innern, Sir George Grey, folgende Denunciation Seitens des Vorstehers des Nuisance Removal Com- mittee der Pfarrei von Sevenoaks zu: "Pocken waren dieser Pfarrei fast ganz unbekannt bis etwa vor 12 Monaten. Kurz vor dieser Zeit wurden Ar- beiten für eine Eisenbahn von Lewisham nach Tunbridge eröffnet. Aus- serdem dass die Hauptarbeiten in der unmittelbaren Nachbarschaft dieser Stadt ausgeführt wurden, ward hier auch das Hauptdepot des ganzen Werks errichtet. Grosse Personenzahl daher hier beschäftigt. Da es unmöglich war sie alle in Cottages unterzubringen, liess der Contractor, Herr Jay, längst der Linie der Bahn auf verschiednen Punkten Hütten aufschlagen zur Behausung der Arbeiter. Diese Hütten besassen weder Ventilation noch Abzugsgerinne und waren ausserdem nothwendig überfüllt, weil jeder Miether andre Logirer aufnehmen musste, wie zahlreich immer seine eigne Familie, und obgleich jede Hütte nur zweizimmerig. Nach dem ärzt- lichen Bericht, den wir erhielten, war die Folge, dass diese armen Leute zur Nachtzeit alle Qualen der Erstickung zu erdulden hatten, zur Vermei- dung der pestilenzialischen Dünste von dem schmutzigen stehenden Wasser und den Abtritten dicht unter den Fenstern. Endlich wurden unsrem Comite Klagen eingehändigt von einem Arzte, der Gelegenheit hatte diese Hütten zu besuchen. Er sprach über den Zustand dieser s. g. Wohnlichkeiten in den bittersten Ausdrücken und befürchtete sehr ernst- hafte Folgen, falls nicht einige Gesundheitsvorkehrungen getroffen wür- den. Ungefähr vor einem Jahr verpflichtete sich p. p. Jay ein Haus ein- zurichten, wohin die von ihm beschäftigten Personen, beim Ausbruch an- steckender Krankheiten, sofort entfernt werden sollten. Er wiederholte diess Versprechen Ende letzten Juli's, that aber nie den geringsten Schritt zur Ausführung, obgleich seit diesem Datum verschiedne Fälle von Pocken und in Folge davon zwei Todesfälle vorkamen. Am 9. September be- richtete mir Surgeon Kelson weitere Pockenfälle in denselben Hütten und beschrieb ihren Zustand als entsetzlich. Zu Ihrer (des Ministers) Infor- mation muss ich hinzufügen, dass unsre Pfarrei ein isolirtes Haus besitzt, das s. g. Pesthaus, wo die Pfarreigenossen, die von ansteckenden Krank- heiten leiden, verpflegt werden. Diess Haus ist jetzt seit Monaten fort-
130) l. c. p. 165.
zahlen130). Ein Beispiel genüge. Im September 1864, berichtet Dr. Simon, ging dem Minister des Innern, Sir George Grey, folgende Denunciation Seitens des Vorstehers des Nuisance Removal Com- mittee der Pfarrei von Sevenoaks zu: „Pocken waren dieser Pfarrei fast ganz unbekannt bis etwa vor 12 Monaten. Kurz vor dieser Zeit wurden Ar- beiten für eine Eisenbahn von Lewisham nach Tunbridge eröffnet. Aus- serdem dass die Hauptarbeiten in der unmittelbaren Nachbarschaft dieser Stadt ausgeführt wurden, ward hier auch das Hauptdepot des ganzen Werks errichtet. Grosse Personenzahl daher hier beschäftigt. Da es unmöglich war sie alle in Cottages unterzubringen, liess der Contractor, Herr Jay, längst der Linie der Bahn auf verschiednen Punkten Hütten aufschlagen zur Behausung der Arbeiter. Diese Hütten besassen weder Ventilation noch Abzugsgerinne und waren ausserdem nothwendig überfüllt, weil jeder Miether andre Logirer aufnehmen musste, wie zahlreich immer seine eigne Familie, und obgleich jede Hütte nur zweizimmerig. Nach dem ärzt- lichen Bericht, den wir erhielten, war die Folge, dass diese armen Leute zur Nachtzeit alle Qualen der Erstickung zu erdulden hatten, zur Vermei- dung der pestilenzialischen Dünste von dem schmutzigen stehenden Wasser und den Abtritten dicht unter den Fenstern. Endlich wurden unsrem Comité Klagen eingehändigt von einem Arzte, der Gelegenheit hatte diese Hütten zu besuchen. Er sprach über den Zustand dieser s. g. Wohnlichkeiten in den bittersten Ausdrücken und befürchtete sehr ernst- hafte Folgen, falls nicht einige Gesundheitsvorkehrungen getroffen wür- den. Ungefähr vor einem Jahr verpflichtete sich p. p. Jay ein Haus ein- zurichten, wohin die von ihm beschäftigten Personen, beim Ausbruch an- steckender Krankheiten, sofort entfernt werden sollten. Er wiederholte diess Versprechen Ende letzten Juli’s, that aber nie den geringsten Schritt zur Ausführung, obgleich seit diesem Datum verschiedne Fälle von Pocken und in Folge davon zwei Todesfälle vorkamen. Am 9. September be- richtete mir Surgeon Kelson weitere Pockenfälle in denselben Hütten und beschrieb ihren Zustand als entsetzlich. Zu Ihrer (des Ministers) Infor- mation muss ich hinzufügen, dass unsre Pfarrei ein isolirtes Haus besitzt, das s. g. Pesthaus, wo die Pfarreigenossen, die von ansteckenden Krank- heiten leiden, verpflegt werden. Diess Haus ist jetzt seit Monaten fort-
130) l. c. p. 165.
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zahlen 130). Ein Beispiel genüge. Im September 1864, berichtet
Dr. Simon, ging dem Minister des Innern, Sir George Grey, folgende
Denunciation Seitens des Vorstehers des Nuisance Removal Com-
mittee der Pfarrei von Sevenoaks zu: „Pocken waren dieser Pfarrei fast
ganz unbekannt bis etwa vor 12 Monaten. Kurz vor dieser Zeit wurden Ar-
beiten für eine Eisenbahn von Lewisham nach Tunbridge eröffnet. Aus-
serdem dass die Hauptarbeiten in der unmittelbaren Nachbarschaft dieser
Stadt ausgeführt wurden, ward hier auch das Hauptdepot des ganzen Werks
errichtet. Grosse Personenzahl daher hier beschäftigt. Da es unmöglich
war sie alle in Cottages unterzubringen, liess der Contractor, Herr Jay,
längst der Linie der Bahn auf verschiednen Punkten Hütten aufschlagen
zur Behausung der Arbeiter. Diese Hütten besassen weder Ventilation
noch Abzugsgerinne und waren ausserdem nothwendig überfüllt, weil jeder
Miether andre Logirer aufnehmen musste, wie zahlreich immer seine eigne
Familie, und obgleich jede Hütte nur zweizimmerig. Nach dem ärzt-
lichen Bericht, den wir erhielten, war die Folge, dass diese armen Leute
zur Nachtzeit alle Qualen der Erstickung zu erdulden hatten, zur Vermei-
dung der pestilenzialischen Dünste von dem schmutzigen stehenden Wasser
und den Abtritten dicht unter den Fenstern. Endlich wurden unsrem
Comité Klagen eingehändigt von einem Arzte, der Gelegenheit hatte
diese Hütten zu besuchen. Er sprach über den Zustand dieser s. g.
Wohnlichkeiten in den bittersten Ausdrücken und befürchtete sehr ernst-
hafte Folgen, falls nicht einige Gesundheitsvorkehrungen getroffen wür-
den. Ungefähr vor einem Jahr verpflichtete sich p. p. Jay ein Haus ein-
zurichten, wohin die von ihm beschäftigten Personen, beim Ausbruch an-
steckender Krankheiten, sofort entfernt werden sollten. Er wiederholte
diess Versprechen Ende letzten Juli’s, that aber nie den geringsten Schritt
zur Ausführung, obgleich seit diesem Datum verschiedne Fälle von Pocken
und in Folge davon zwei Todesfälle vorkamen. Am 9. September be-
richtete mir Surgeon Kelson weitere Pockenfälle in denselben Hütten und
beschrieb ihren Zustand als entsetzlich. Zu Ihrer (des Ministers) Infor-
mation muss ich hinzufügen, dass unsre Pfarrei ein isolirtes Haus besitzt,
das s. g. Pesthaus, wo die Pfarreigenossen, die von ansteckenden Krank-
heiten leiden, verpflegt werden. Diess Haus ist jetzt seit Monaten fort-
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/672>, abgerufen am 30.01.2025.
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