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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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Eltern sinnen nur darauf aus den Kindern so viel als möglich herauszu-
schlagen. Aufgewachsen fragen die Kinder natürlich keinen Deut nach
den Eltern und verlassen sie. "Es ist kein Wunder, dass Unwissenheit
und Laster überströmen in einer so aufgezüchteten Bevölkerung ... Ihre
Moral steht auf der niedrigsten Stufe . . . . Eine grosse Anzahl der Weiber
hat illegitime Kinder und manche in so unreifem Alter, dass selbst die
Vertrauten der Kriminalstatistik darüber erstarren"262). Und das Hei-
mathsland dieser Musterfamilien ist, so sagt der sicher im Christenthum
kompetente Graf Montalembert, Europa's christliches Musterland!

Der Arbeitslohn, in den eben behandelten Industriezweigen überhaupt
jämmerlich (der ausnahmsweise Maximallohn der Kinder in den
Strohflechtschulen 3 sh.), wird noch tief unter seinen Nominalbetrag herab-
gedrückt durch das namentlich in den Spitzendistrikten allgemein vorherr-
schende Trucksystem263).

Die Verwohlfeilerung der Arbeitskraft durch blossen
Missbrauch weiblicher und unreifer Arbeitskräfte, blossen Raub aller nor-
malen Arbeits- und Lebensbedingungen, und blosse Brutalität der Ueber-
und Nachtarbeit, stösst zuletzt auf gewisse nicht weiter überschreitbare Na-
turschranken, also auch die auf diesen Grundlagen beruhende Verwohl-
feilerung der Waaren und kapitalistische Exploitation überhaupt.
Sobald dieser Punkt endlich erreicht ist, und es dauert lange, schlägt die
Stunde für Einführung der Maschinerie und die nun rasche Verwand-
lung der zersplitterten Hausarbeit (oder auch Manufaktur) in Fabrik-
betrieb
.

Das kolossalste Beispiel dieser Bewegung liefert die Produktion von
"Wearing Apparel" (zum Anzug gehörige Artikel). Nach der Klas-
sifikation der "Child. Empl. Comm." umfasst diese Industrie Strohhut-
und Damenhutmacher, Kappenmacher, Schneider, milliners und dressma-
kers264), Hemdenmacher und Nätherinnen, Korsetten-, Handschuh-, Schuh-
macher, nebst vielen kleineren Zweigen, wie Fabrikation von Kravatten, Hals-

262) l. c. p. XL, XLI.
263) "Child. Empl. Comm. I. Rep. 1863", p. 185.
264) Millinery bezieht sich eigentlich nur auf den Kopfputz, doch auch
Damenmäntel und Mantillen, während Dressmakers mit unsern Putzmache-
rinnen identisch sind.

Eltern sinnen nur darauf aus den Kindern so viel als möglich herauszu-
schlagen. Aufgewachsen fragen die Kinder natürlich keinen Deut nach
den Eltern und verlassen sie. „Es ist kein Wunder, dass Unwissenheit
und Laster überströmen in einer so aufgezüchteten Bevölkerung … Ihre
Moral steht auf der niedrigsten Stufe . . . . Eine grosse Anzahl der Weiber
hat illegitime Kinder und manche in so unreifem Alter, dass selbst die
Vertrauten der Kriminalstatistik darüber erstarren“262). Und das Hei-
mathsland dieser Musterfamilien ist, so sagt der sicher im Christenthum
kompetente Graf Montalembert, Europa’s christliches Musterland!

Der Arbeitslohn, in den eben behandelten Industriezweigen überhaupt
jämmerlich (der ausnahmsweise Maximallohn der Kinder in den
Strohflechtschulen 3 sh.), wird noch tief unter seinen Nominalbetrag herab-
gedrückt durch das namentlich in den Spitzendistrikten allgemein vorherr-
schende Trucksystem263).

Die Verwohlfeilerung der Arbeitskraft durch blossen
Missbrauch weiblicher und unreifer Arbeitskräfte, blossen Raub aller nor-
malen Arbeits- und Lebensbedingungen, und blosse Brutalität der Ueber-
und Nachtarbeit, stösst zuletzt auf gewisse nicht weiter überschreitbare Na-
turschranken, also auch die auf diesen Grundlagen beruhende Verwohl-
feilerung der Waaren und kapitalistische Exploitation überhaupt.
Sobald dieser Punkt endlich erreicht ist, und es dauert lange, schlägt die
Stunde für Einführung der Maschinerie und die nun rasche Verwand-
lung der zersplitterten Hausarbeit (oder auch Manufaktur) in Fabrik-
betrieb
.

Das kolossalste Beispiel dieser Bewegung liefert die Produktion von
Wearing Apparel“ (zum Anzug gehörige Artikel). Nach der Klas-
sifikation der „Child. Empl. Comm.“ umfasst diese Industrie Strohhut-
und Damenhutmacher, Kappenmacher, Schneider, milliners und dressma-
kers264), Hemdenmacher und Nätherinnen, Korsetten-, Handschuh-, Schuh-
macher, nebst vielen kleineren Zweigen, wie Fabrikation von Kravatten, Hals-

262) l. c. p. XL, XLI.
263)Child. Empl. Comm. I. Rep. 1863“, p. 185.
264) Millinery bezieht sich eigentlich nur auf den Kopfputz, doch auch
Damenmäntel und Mantillen, während Dressmakers mit unsern Putzmache-
rinnen identisch sind.
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[461/0480] Eltern sinnen nur darauf aus den Kindern so viel als möglich herauszu- schlagen. Aufgewachsen fragen die Kinder natürlich keinen Deut nach den Eltern und verlassen sie. „Es ist kein Wunder, dass Unwissenheit und Laster überströmen in einer so aufgezüchteten Bevölkerung … Ihre Moral steht auf der niedrigsten Stufe . . . . Eine grosse Anzahl der Weiber hat illegitime Kinder und manche in so unreifem Alter, dass selbst die Vertrauten der Kriminalstatistik darüber erstarren“ 262). Und das Hei- mathsland dieser Musterfamilien ist, so sagt der sicher im Christenthum kompetente Graf Montalembert, Europa’s christliches Musterland! Der Arbeitslohn, in den eben behandelten Industriezweigen überhaupt jämmerlich (der ausnahmsweise Maximallohn der Kinder in den Strohflechtschulen 3 sh.), wird noch tief unter seinen Nominalbetrag herab- gedrückt durch das namentlich in den Spitzendistrikten allgemein vorherr- schende Trucksystem 263). Die Verwohlfeilerung der Arbeitskraft durch blossen Missbrauch weiblicher und unreifer Arbeitskräfte, blossen Raub aller nor- malen Arbeits- und Lebensbedingungen, und blosse Brutalität der Ueber- und Nachtarbeit, stösst zuletzt auf gewisse nicht weiter überschreitbare Na- turschranken, also auch die auf diesen Grundlagen beruhende Verwohl- feilerung der Waaren und kapitalistische Exploitation überhaupt. Sobald dieser Punkt endlich erreicht ist, und es dauert lange, schlägt die Stunde für Einführung der Maschinerie und die nun rasche Verwand- lung der zersplitterten Hausarbeit (oder auch Manufaktur) in Fabrik- betrieb. Das kolossalste Beispiel dieser Bewegung liefert die Produktion von „Wearing Apparel“ (zum Anzug gehörige Artikel). Nach der Klas- sifikation der „Child. Empl. Comm.“ umfasst diese Industrie Strohhut- und Damenhutmacher, Kappenmacher, Schneider, milliners und dressma- kers 264), Hemdenmacher und Nätherinnen, Korsetten-, Handschuh-, Schuh- macher, nebst vielen kleineren Zweigen, wie Fabrikation von Kravatten, Hals- 262) l. c. p. XL, XLI. 263) „Child. Empl. Comm. I. Rep. 1863“, p. 185. 264) Millinery bezieht sich eigentlich nur auf den Kopfputz, doch auch Damenmäntel und Mantillen, während Dressmakers mit unsern Putzmache- rinnen identisch sind.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/480>, abgerufen am 22.11.2024.