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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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daher als unauslöschliche Schmach der englischen Arbeiterklasse, dass sie
"die Sklaverei der Fabrikakte" auf ihre Fahne schrieb gegenüber
dem Kapital, das männlich für "vollkommene Freiheit der Ar-
beit
" stritt192).

Frankreich hinkt langsam hinter England her. Es bedarf der
Februarrevolution zur Geburt des Zwölfstundengesetzes193),
das viel mangelhafter ist als sein englisches Original. Trotzdem macht
die französische revolutionäre Methode auch ihre eigenthümlichen Vorzüge
geltend. Mit einem Schlag diktirt sie allen Ateliers und Fabriken ohne
Unterschied dieselbe Schranke des Arbeitstags, während die
englische Gesetzgebung bald an diesem Punkt, bald an jenem, dem Druck
der Verhältnisse widerwillig weicht und auf dem besten Weg ist, einen
neuen juristischen Rattenkönig auszubrüten194). Andrerseits proklamirt

ins Leben gerufenen Cooperationsgeschäfte der Arbeiter. Heutzutage ist die erste
Utopie Fabrikgesetz, die zweite figurirt als officielle Phrase in allen "Fac-
tory Acts
" und die dritte dient sogar schon zum Deckmantel reaktionärer
Schwindeleien.
192) Ure fzs. Uebers. "Philosophie des Manufactures. Paris
1836," t. II, p. 39, 40, 67, 77 etc.
193) In dem Compte Rendu des "Internationalen Statistischen
Kongresses zu Paris
, 1855", heisst es u. a.: "Das französische Gesetz, das
die Dauer der täglichen Arbeit in Fabriken und Werkstätten auf 12 Stunden be-
schränkt, begrenzt diese Arbeit nicht innerhalb bestimmter fixer Stunden
(Zeitperioden), indem nur für die Kinderarbeit die Periode zwischen 5 Uhr Vor-
mittags und 9 Uhr Abends vorgeschrieben ist. Daher bedient sich ein Theil der
Fabrikanten des Rechts, welches ihnen diess verhängnissvolle Schweigen giebt.
um Tag aus Tag ein, vielleicht mit Ausnahme der Sonntage, ohne Unter-
brechung
arbeiten zu lassen. Sie wenden dazu zwei verschiedne Arbeiterreihen
an, von denen keine mehr als 12 Stunden in der Werkstätte zubringt, aber das
Werk des Etablissements dauert Tag und Nacht. Das Gesetz ist befriedigt, aber
ist es die Humanität ebenfalls?" Ausser dem "zerstörenden Einfluss der Nacht-
arbeit auf den menschlichen Organismus", wird auch "der fatale Einfluss der
nächtlichen Association beider Geschlechter in denselben trüb erleuchteten Werk-
stätten" betont.
194) "Z. B. in meinem Distrikt, in denselben Fabrikbaulichkeiten, ist der-
selbe Fabrikant Bleicher und Färber unter dem "Bleicherei- und Färberei Akt",
Drucker unter dem "Print Works Act" und finisher unter dem "Fabrikakt" . . . .
(Report of Mr. Redgrave in "Reports etc. for 31st Oct. 1861", p. 20.)
Nach Aufzählung der verschiednen Bestimmungen dieser Akte und der daher fol-

daher als unauslöschliche Schmach der englischen Arbeiterklasse, dass sie
„die Sklaverei der Fabrikakte“ auf ihre Fahne schrieb gegenüber
dem Kapital, das männlich für „vollkommene Freiheit der Ar-
beit
“ stritt192).

Frankreich hinkt langsam hinter England her. Es bedarf der
Februarrevolution zur Geburt des Zwölfstundengesetzes193),
das viel mangelhafter ist als sein englisches Original. Trotzdem macht
die französische revolutionäre Methode auch ihre eigenthümlichen Vorzüge
geltend. Mit einem Schlag diktirt sie allen Ateliers und Fabriken ohne
Unterschied dieselbe Schranke des Arbeitstags, während die
englische Gesetzgebung bald an diesem Punkt, bald an jenem, dem Druck
der Verhältnisse widerwillig weicht und auf dem besten Weg ist, einen
neuen juristischen Rattenkönig auszubrüten194). Andrerseits proklamirt

ins Leben gerufenen Cooperationsgeschäfte der Arbeiter. Heutzutage ist die erste
Utopie Fabrikgesetz, die zweite figurirt als officielle Phrase in allen „Fac-
tory Acts
“ und die dritte dient sogar schon zum Deckmantel reaktionärer
Schwindeleien.
192) Ure fzs. Uebers. „Philosophie des Manufactures. Paris
1836,“ t. II, p. 39, 40, 67, 77 etc.
193) In dem Compte Rendu des „Internationalen Statistischen
Kongresses zu Paris
, 1855“, heisst es u. a.: „Das französische Gesetz, das
die Dauer der täglichen Arbeit in Fabriken und Werkstätten auf 12 Stunden be-
schränkt, begrenzt diese Arbeit nicht innerhalb bestimmter fixer Stunden
(Zeitperioden), indem nur für die Kinderarbeit die Periode zwischen 5 Uhr Vor-
mittags und 9 Uhr Abends vorgeschrieben ist. Daher bedient sich ein Theil der
Fabrikanten des Rechts, welches ihnen diess verhängnissvolle Schweigen giebt.
um Tag aus Tag ein, vielleicht mit Ausnahme der Sonntage, ohne Unter-
brechung
arbeiten zu lassen. Sie wenden dazu zwei verschiedne Arbeiterreihen
an, von denen keine mehr als 12 Stunden in der Werkstätte zubringt, aber das
Werk des Etablissements dauert Tag und Nacht. Das Gesetz ist befriedigt, aber
ist es die Humanität ebenfalls?“ Ausser dem „zerstörenden Einfluss der Nacht-
arbeit auf den menschlichen Organismus“, wird auch „der fatale Einfluss der
nächtlichen Association beider Geschlechter in denselben trüb erleuchteten Werk-
stätten“ betont.
194) „Z. B. in meinem Distrikt, in denselben Fabrikbaulichkeiten, ist der-
selbe Fabrikant Bleicher und Färber unter dem „Bleicherei- und Färberei Akt“,
Drucker unter dem „Print Works Act“ und finisher unter dem „Fabrikakt“ . . . .
(Report of Mr. Redgrave in „Reports etc. for 31st Oct. 1861“, p. 20.)
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[278/0297] daher als unauslöschliche Schmach der englischen Arbeiterklasse, dass sie „die Sklaverei der Fabrikakte“ auf ihre Fahne schrieb gegenüber dem Kapital, das männlich für „vollkommene Freiheit der Ar- beit“ stritt 192). Frankreich hinkt langsam hinter England her. Es bedarf der Februarrevolution zur Geburt des Zwölfstundengesetzes 193), das viel mangelhafter ist als sein englisches Original. Trotzdem macht die französische revolutionäre Methode auch ihre eigenthümlichen Vorzüge geltend. Mit einem Schlag diktirt sie allen Ateliers und Fabriken ohne Unterschied dieselbe Schranke des Arbeitstags, während die englische Gesetzgebung bald an diesem Punkt, bald an jenem, dem Druck der Verhältnisse widerwillig weicht und auf dem besten Weg ist, einen neuen juristischen Rattenkönig auszubrüten 194). Andrerseits proklamirt 191) 192) Ure fzs. Uebers. „Philosophie des Manufactures. Paris 1836,“ t. II, p. 39, 40, 67, 77 etc. 193) In dem Compte Rendu des „Internationalen Statistischen Kongresses zu Paris, 1855“, heisst es u. a.: „Das französische Gesetz, das die Dauer der täglichen Arbeit in Fabriken und Werkstätten auf 12 Stunden be- schränkt, begrenzt diese Arbeit nicht innerhalb bestimmter fixer Stunden (Zeitperioden), indem nur für die Kinderarbeit die Periode zwischen 5 Uhr Vor- mittags und 9 Uhr Abends vorgeschrieben ist. Daher bedient sich ein Theil der Fabrikanten des Rechts, welches ihnen diess verhängnissvolle Schweigen giebt. um Tag aus Tag ein, vielleicht mit Ausnahme der Sonntage, ohne Unter- brechung arbeiten zu lassen. Sie wenden dazu zwei verschiedne Arbeiterreihen an, von denen keine mehr als 12 Stunden in der Werkstätte zubringt, aber das Werk des Etablissements dauert Tag und Nacht. Das Gesetz ist befriedigt, aber ist es die Humanität ebenfalls?“ Ausser dem „zerstörenden Einfluss der Nacht- arbeit auf den menschlichen Organismus“, wird auch „der fatale Einfluss der nächtlichen Association beider Geschlechter in denselben trüb erleuchteten Werk- stätten“ betont. 194) „Z. B. in meinem Distrikt, in denselben Fabrikbaulichkeiten, ist der- selbe Fabrikant Bleicher und Färber unter dem „Bleicherei- und Färberei Akt“, Drucker unter dem „Print Works Act“ und finisher unter dem „Fabrikakt“ . . . . (Report of Mr. Redgrave in „Reports etc. for 31st Oct. 1861“, p. 20.) Nach Aufzählung der verschiednen Bestimmungen dieser Akte und der daher fol- 191) ins Leben gerufenen Cooperationsgeschäfte der Arbeiter. Heutzutage ist die erste Utopie Fabrikgesetz, die zweite figurirt als officielle Phrase in allen „Fac- tory Acts“ und die dritte dient sogar schon zum Deckmantel reaktionärer Schwindeleien.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/297>, abgerufen am 22.11.2024.