Notiz in der Fabrik aufzuhängen, worin Anfang, Ende, Pausen des Arbeits- tags angegeben sind. Kinder, die ihre Arbeit des Vormittags vor 12 Uhr beginnen, dürfen nicht wieder nach 1 Uhr Mittags verwandt werden. Die Nachmittagsreihe muss also aus andern Kindern bestehn als die Vormit- tagsreihe. Die 11/2 Stunden für Mahlzeit müssen allen beschützten Arbeitern zu denselben Tagesperioden eingeräumt werden, eine Stunde wenigstens vor 3 Uhr Nachmittags. Kein Kind oder junge Person darf länger als 5 Stunden vor 1 Uhr Mittags verwandt werden ohne eine mindestens halbstündige Pause für Mahlzeit. Kein Kind, junge Person, oder Frauenzimmer darf während irgend einer Mahlzeit in einer Fabrikstube bleiben, worin irgend ein Arbeitsprozess vorgeht u. s. w."
Man hat gesehn: Diese minutiösen Bestimmungen, welche die Periode, Grenzen, Pausen der Arbeit so militärisch uniform nach dem Glockenschlag regeln, waren keineswegs Produkte parlamentarischer Hirnweberei. Sie entwickelten sich allmählig aus den Verhältnissen heraus, als Naturge- setze der modernen Produktionsweise. Ihre Formulirung, officielle An- erkennung und staatliche Proklamation waren Ergebniss langwieriger Klassenkämpfe. Eine ihrer nächsten Folgen war, dass die Praxis auch den Arbeitstag der erwachsnen männlichen Fabrikarbeiter denselben Schranken unterwarf, da in den meisten Produktionsprozessen die Cooperation der Kinder, jungen Personen und Frauenzimmer unentbehr- lich. Im Grossen und Ganzen galt daher während der Periode von 1844--47 der zwölfstündige Arbeitstag allgemein und uniform in allen der Fabrikgesetzgebung unterworfenen Industriezweigen.
Die Fabrikanten erlaubten diesen "Fortschritt" jedoch nicht ohne einen kompensirenden "Rückschritt". Auf ihren Antrieb reducirte das Unterhaus das Minimalalter der zu verarbeitenden Kinder von 9 Jah- ren auf 8, zur Sicherung der dem Kapital von Gott und Rechtswegen geschuldeten "additionellen Fabrikkinderzufuhr"141).
Die Jahre 1846--47 machen Epoche in der ökonomischen Ge- schichte Englands. Widerruf der Korngesetze, die Einfuhrzölle auf
141) "As a reduction in their hours of work would cause a large number (of children) to be employed, it was thought that the additional supply of children from eight to nine years of age, would meet the increased demand." (l. c. p. 13.)
Notiz in der Fabrik aufzuhängen, worin Anfang, Ende, Pausen des Arbeits- tags angegeben sind. Kinder, die ihre Arbeit des Vormittags vor 12 Uhr beginnen, dürfen nicht wieder nach 1 Uhr Mittags verwandt werden. Die Nachmittagsreihe muss also aus andern Kindern bestehn als die Vormit- tagsreihe. Die 1½ Stunden für Mahlzeit müssen allen beschützten Arbeitern zu denselben Tagesperioden eingeräumt werden, eine Stunde wenigstens vor 3 Uhr Nachmittags. Kein Kind oder junge Person darf länger als 5 Stunden vor 1 Uhr Mittags verwandt werden ohne eine mindestens halbstündige Pause für Mahlzeit. Kein Kind, junge Person, oder Frauenzimmer darf während irgend einer Mahlzeit in einer Fabrikstube bleiben, worin irgend ein Arbeitsprozess vorgeht u. s. w.“
Man hat gesehn: Diese minutiösen Bestimmungen, welche die Periode, Grenzen, Pausen der Arbeit so militärisch uniform nach dem Glockenschlag regeln, waren keineswegs Produkte parlamentarischer Hirnweberei. Sie entwickelten sich allmählig aus den Verhältnissen heraus, als Naturge- setze der modernen Produktionsweise. Ihre Formulirung, officielle An- erkennung und staatliche Proklamation waren Ergebniss langwieriger Klassenkämpfe. Eine ihrer nächsten Folgen war, dass die Praxis auch den Arbeitstag der erwachsnen männlichen Fabrikarbeiter denselben Schranken unterwarf, da in den meisten Produktionsprozessen die Cooperation der Kinder, jungen Personen und Frauenzimmer unentbehr- lich. Im Grossen und Ganzen galt daher während der Periode von 1844—47 der zwölfstündige Arbeitstag allgemein und uniform in allen der Fabrikgesetzgebung unterworfenen Industriezweigen.
Die Fabrikanten erlaubten diesen „Fortschritt“ jedoch nicht ohne einen kompensirenden „Rückschritt“. Auf ihren Antrieb reducirte das Unterhaus das Minimalalter der zu verarbeitenden Kinder von 9 Jah- ren auf 8, zur Sicherung der dem Kapital von Gott und Rechtswegen geschuldeten „additionellen Fabrikkinderzufuhr“141).
Die Jahre 1846—47 machen Epoche in der ökonomischen Ge- schichte Englands. Widerruf der Korngesetze, die Einfuhrzölle auf
141) „As a reduction in their hours of work would cause a large number (of children) to be employed, it was thought that the additional supply of children from eight to nine years of age, would meet the increased demand.“ (l. c. p. 13.)
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Notiz in der Fabrik aufzuhängen, worin Anfang, Ende, Pausen des Arbeits-
tags angegeben sind. Kinder, die ihre Arbeit des Vormittags vor 12 Uhr
beginnen, dürfen nicht wieder nach 1 Uhr Mittags verwandt werden. Die
Nachmittagsreihe muss also aus andern Kindern bestehn als die Vormit-
tagsreihe. Die 1½ Stunden für Mahlzeit müssen allen beschützten
Arbeitern zu denselben Tagesperioden eingeräumt werden, eine
Stunde wenigstens vor 3 Uhr Nachmittags. Kein Kind oder junge Person
darf länger als 5 Stunden vor 1 Uhr Mittags verwandt werden ohne eine
mindestens halbstündige Pause für Mahlzeit. Kein Kind, junge Person,
oder Frauenzimmer darf während irgend einer Mahlzeit in einer Fabrikstube
bleiben, worin irgend ein Arbeitsprozess vorgeht u. s. w.“
Man hat gesehn: Diese minutiösen Bestimmungen, welche die Periode,
Grenzen, Pausen der Arbeit so militärisch uniform nach dem Glockenschlag
regeln, waren keineswegs Produkte parlamentarischer Hirnweberei. Sie
entwickelten sich allmählig aus den Verhältnissen heraus, als Naturge-
setze der modernen Produktionsweise. Ihre Formulirung, officielle An-
erkennung und staatliche Proklamation waren Ergebniss langwieriger
Klassenkämpfe. Eine ihrer nächsten Folgen war, dass die Praxis auch
den Arbeitstag der erwachsnen männlichen Fabrikarbeiter
denselben Schranken unterwarf, da in den meisten Produktionsprozessen
die Cooperation der Kinder, jungen Personen und Frauenzimmer unentbehr-
lich. Im Grossen und Ganzen galt daher während der Periode von
1844—47 der zwölfstündige Arbeitstag allgemein und uniform in allen
der Fabrikgesetzgebung unterworfenen Industriezweigen.
Die Fabrikanten erlaubten diesen „Fortschritt“ jedoch nicht ohne
einen kompensirenden „Rückschritt“. Auf ihren Antrieb reducirte das
Unterhaus das Minimalalter der zu verarbeitenden Kinder von 9 Jah-
ren auf 8, zur Sicherung der dem Kapital von Gott und Rechtswegen
geschuldeten „additionellen Fabrikkinderzufuhr“ 141).
Die Jahre 1846—47 machen Epoche in der ökonomischen Ge-
schichte Englands. Widerruf der Korngesetze, die Einfuhrzölle auf
141) „As a reduction in their hours of work would cause a large number (of
children) to be employed, it was thought that the additional supply of
children from eight to nine years of age, would meet the increased
demand.“ (l. c. p. 13.)
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/277>, abgerufen am 25.11.2024.
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