Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

zu sein. Es ist diess der Fall, wenn sein Dasein für den Menschen nicht
durch Arbeit vermittelt ist. So Luft, jungfräulicher Boden, natürliche
Wiesen, wildwachsendes Holz u. s. w. Ein Ding kann nützlich und Pro-
dukt menschlicher Arbeit sein, ohne Waare zu sein. Wer durch sein
Produkt sein eignes Bedürfniss befriedigt, schafft zwar Gebrauchs-
werth
, aber nicht Waare. Um Waare zu produciren, muss er nicht
nur Gebrauchswerth produciren, sondern Gebrauchswerth für
andre, gesellschaftlichen Gebrauchswerth
. Endlich kann
kein Ding Werth sein, ohne Gebrauchsgegenstand zu sein. Ist es nutz-
los, so ist auch die in ihm enthaltene Arbeit nutzlos, zählt nicht als Arbeit
und bildet daher keinen Werth.

Ursprünglich erschien uns die Waare als ein Zwieschläch-
tiges
, Gebrauchswerth und Tauschwerth. Näher betrachtet wird sich
zeigen, dass auch die in der Waare enthaltene Arbeit zwie-
schlächtig
ist. Dieser Punkt, der von mir zuerst kritisch entwickelt
wurde12), ist der Springpunkt, um den sich das Verständniss der po-
litischen Oekonomie dreht.

Nehmen wir zwei Waaren, etwa einen Rock und 10 Ellen Leinwand.
Der erstere habe den zweifachen Werth der letzteren, so dass wenn
10 Ellen Leinwand = W, der Rock = 2 W.

Der Rock ist ein Gebrauchswerth, der ein besondres Bedürfniss be-
friedigt. Um ihn hervorzubringen, bedarf es einer bestimmten Art
zweckmässig produktiver Thätigkeit
. Sie ist bestimmt nach
Zweck, Operationsweise, Gegenstand, Mitteln und Resultat. Die Arbeit,
deren Nützlichkeit sich so im Gebrauchswerth ihres Produkts oder darin
darstellt, dass ihr Produkt ein Gebrauchswerth ist, heisse hier der Verein-
fachung halber kurzweg nützliche Arbeit. Unter diesem Gesichts-
punkt ist sie stets betrachtet in Bezug auf den Nutzeffekt, dessen
Hervorbringung sie bezweckt.

Wie Rock und Leinwand qualitativ verschiedne Gebrauchs-
werthe
, so sind die ihr Dasein vermittelnden Arbeiten qualitativ
verschieden -- Schneiderarbeit
und Weberei. Wären jene
Dinge nicht qualitativ verschiedne Gebrauchswerthe und daher Produkte
qualitativ verschiedner nützlicher Arbeiten, so könnten sie sich über-

12) l. c. p. 12, 13 und passim.

zu sein. Es ist diess der Fall, wenn sein Dasein für den Menschen nicht
durch Arbeit vermittelt ist. So Luft, jungfräulicher Boden, natürliche
Wiesen, wildwachsendes Holz u. s. w. Ein Ding kann nützlich und Pro-
dukt menschlicher Arbeit sein, ohne Waare zu sein. Wer durch sein
Produkt sein eignes Bedürfniss befriedigt, schafft zwar Gebrauchs-
werth
, aber nicht Waare. Um Waare zu produciren, muss er nicht
nur Gebrauchswerth produciren, sondern Gebrauchswerth für
andre, gesellschaftlichen Gebrauchswerth
. Endlich kann
kein Ding Werth sein, ohne Gebrauchsgegenstand zu sein. Ist es nutz-
los, so ist auch die in ihm enthaltene Arbeit nutzlos, zählt nicht als Arbeit
und bildet daher keinen Werth.

Ursprünglich erschien uns die Waare als ein Zwieschläch-
tiges
, Gebrauchswerth und Tauschwerth. Näher betrachtet wird sich
zeigen, dass auch die in der Waare enthaltene Arbeit zwie-
schlächtig
ist. Dieser Punkt, der von mir zuerst kritisch entwickelt
wurde12), ist der Springpunkt, um den sich das Verständniss der po-
litischen Oekonomie dreht.

Nehmen wir zwei Waaren, etwa einen Rock und 10 Ellen Leinwand.
Der erstere habe den zweifachen Werth der letzteren, so dass wenn
10 Ellen Leinwand = W, der Rock = 2 W.

Der Rock ist ein Gebrauchswerth, der ein besondres Bedürfniss be-
friedigt. Um ihn hervorzubringen, bedarf es einer bestimmten Art
zweckmässig produktiver Thätigkeit
. Sie ist bestimmt nach
Zweck, Operationsweise, Gegenstand, Mitteln und Resultat. Die Arbeit,
deren Nützlichkeit sich so im Gebrauchswerth ihres Produkts oder darin
darstellt, dass ihr Produkt ein Gebrauchswerth ist, heisse hier der Verein-
fachung halber kurzweg nützliche Arbeit. Unter diesem Gesichts-
punkt ist sie stets betrachtet in Bezug auf den Nutzeffekt, dessen
Hervorbringung sie bezweckt.

Wie Rock und Leinwand qualitativ verschiedne Gebrauchs-
werthe
, so sind die ihr Dasein vermittelnden Arbeiten qualitativ
verschieden — Schneiderarbeit
und Weberei. Wären jene
Dinge nicht qualitativ verschiedne Gebrauchswerthe und daher Produkte
qualitativ verschiedner nützlicher Arbeiten, so könnten sie sich über-

12) l. c. p. 12, 13 und passim.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0026" n="7"/>
zu sein. Es ist diess der Fall, wenn sein Dasein für den Menschen nicht<lb/>
durch Arbeit vermittelt ist. So Luft, jungfräulicher Boden, natürliche<lb/>
Wiesen, wildwachsendes Holz u. s. w. Ein Ding kann nützlich und Pro-<lb/>
dukt menschlicher Arbeit sein, ohne <hi rendition="#g">Waare</hi> zu sein. Wer durch sein<lb/>
Produkt sein eignes Bedürfniss befriedigt, schafft zwar <hi rendition="#g">Gebrauchs-<lb/>
werth</hi>, aber nicht <hi rendition="#g">Waare</hi>. Um Waare zu produciren, muss er nicht<lb/>
nur Gebrauchswerth produciren, sondern <hi rendition="#g">Gebrauchswerth für<lb/>
andre, gesellschaftlichen Gebrauchswerth</hi>. Endlich kann<lb/>
kein Ding <hi rendition="#g">Werth</hi> sein, ohne Gebrauchsgegenstand zu sein. Ist es nutz-<lb/>
los, so ist auch die in ihm enthaltene Arbeit nutzlos, zählt nicht als Arbeit<lb/>
und bildet daher keinen Werth.</p><lb/>
            <p>Ursprünglich erschien uns die <hi rendition="#g">Waare</hi> als ein <hi rendition="#g">Zwieschläch-<lb/>
tiges</hi>, Gebrauchswerth <hi rendition="#g">und</hi> Tauschwerth. Näher betrachtet wird sich<lb/>
zeigen, dass auch die in der Waare <hi rendition="#g">enthaltene Arbeit zwie-<lb/>
schlächtig</hi> ist. Dieser Punkt, der von mir zuerst kritisch entwickelt<lb/>
wurde<note place="foot" n="12)">l. c. p. 12, 13 und <hi rendition="#g">passim</hi>.</note>, ist der Springpunkt, um den sich das Verständniss der po-<lb/>
litischen Oekonomie dreht.</p><lb/>
            <p>Nehmen wir zwei Waaren, etwa einen Rock und 10 Ellen Leinwand.<lb/>
Der erstere habe den zweifachen Werth der letzteren, so dass wenn<lb/>
10 Ellen Leinwand = W, der Rock = 2 W.</p><lb/>
            <p>Der Rock ist ein Gebrauchswerth, der ein besondres Bedürfniss be-<lb/>
friedigt. Um ihn hervorzubringen, bedarf es einer <hi rendition="#g">bestimmten Art<lb/>
zweckmässig produktiver Thätigkeit</hi>. Sie ist bestimmt nach<lb/>
Zweck, Operationsweise, Gegenstand, Mitteln und Resultat. Die Arbeit,<lb/>
deren Nützlichkeit sich so im Gebrauchswerth ihres Produkts oder darin<lb/>
darstellt, dass ihr Produkt ein Gebrauchswerth ist, heisse hier der Verein-<lb/>
fachung halber kurzweg <hi rendition="#g">nützliche Arbeit</hi>. Unter diesem Gesichts-<lb/>
punkt ist sie stets betrachtet in Bezug auf den <hi rendition="#g">Nutzeffekt</hi>, dessen<lb/>
Hervorbringung sie bezweckt.</p><lb/>
            <p>Wie Rock und Leinwand <hi rendition="#g">qualitativ verschiedne Gebrauchs-<lb/>
werthe</hi>, so sind die ihr Dasein vermittelnden Arbeiten <hi rendition="#g">qualitativ<lb/>
verschieden &#x2014; Schneiderarbeit</hi> und <hi rendition="#g">Weberei</hi>. Wären jene<lb/>
Dinge nicht qualitativ verschiedne Gebrauchswerthe und daher Produkte<lb/>
qualitativ verschiedner nützlicher Arbeiten, so könnten sie sich über-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0026] zu sein. Es ist diess der Fall, wenn sein Dasein für den Menschen nicht durch Arbeit vermittelt ist. So Luft, jungfräulicher Boden, natürliche Wiesen, wildwachsendes Holz u. s. w. Ein Ding kann nützlich und Pro- dukt menschlicher Arbeit sein, ohne Waare zu sein. Wer durch sein Produkt sein eignes Bedürfniss befriedigt, schafft zwar Gebrauchs- werth, aber nicht Waare. Um Waare zu produciren, muss er nicht nur Gebrauchswerth produciren, sondern Gebrauchswerth für andre, gesellschaftlichen Gebrauchswerth. Endlich kann kein Ding Werth sein, ohne Gebrauchsgegenstand zu sein. Ist es nutz- los, so ist auch die in ihm enthaltene Arbeit nutzlos, zählt nicht als Arbeit und bildet daher keinen Werth. Ursprünglich erschien uns die Waare als ein Zwieschläch- tiges, Gebrauchswerth und Tauschwerth. Näher betrachtet wird sich zeigen, dass auch die in der Waare enthaltene Arbeit zwie- schlächtig ist. Dieser Punkt, der von mir zuerst kritisch entwickelt wurde 12), ist der Springpunkt, um den sich das Verständniss der po- litischen Oekonomie dreht. Nehmen wir zwei Waaren, etwa einen Rock und 10 Ellen Leinwand. Der erstere habe den zweifachen Werth der letzteren, so dass wenn 10 Ellen Leinwand = W, der Rock = 2 W. Der Rock ist ein Gebrauchswerth, der ein besondres Bedürfniss be- friedigt. Um ihn hervorzubringen, bedarf es einer bestimmten Art zweckmässig produktiver Thätigkeit. Sie ist bestimmt nach Zweck, Operationsweise, Gegenstand, Mitteln und Resultat. Die Arbeit, deren Nützlichkeit sich so im Gebrauchswerth ihres Produkts oder darin darstellt, dass ihr Produkt ein Gebrauchswerth ist, heisse hier der Verein- fachung halber kurzweg nützliche Arbeit. Unter diesem Gesichts- punkt ist sie stets betrachtet in Bezug auf den Nutzeffekt, dessen Hervorbringung sie bezweckt. Wie Rock und Leinwand qualitativ verschiedne Gebrauchs- werthe, so sind die ihr Dasein vermittelnden Arbeiten qualitativ verschieden — Schneiderarbeit und Weberei. Wären jene Dinge nicht qualitativ verschiedne Gebrauchswerthe und daher Produkte qualitativ verschiedner nützlicher Arbeiten, so könnten sie sich über- 12) l. c. p. 12, 13 und passim.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/26
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/26>, abgerufen am 29.03.2024.