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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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haupt nicht als Waaren gegenübertreten. Rock tauscht sich nicht aus
gegen Rock, derselbe Gebrauchswerth nicht gegen denselben Gebrauchswerth.

In der Gesammtheit der verschiedenartigen Gebrauchswerthe oder
Waarenkörper erscheint eine Gesammtheit eben so mannigfaltiger, nach
Gattung, Art, Familie, Unterart, Varietät verschiedner nützlicher Arbeiten
-- eine gesellschaftliche Theilung der Arbeit. Sie ist Exi-
stenzbedingung der Waarenproduktion, obgleich Waarenproduktion nicht
umgekehrt Existenzbedingung gesellschaftlicher Arbeitstheilung. In der
altindischen Gemeinde ist die Arbeit gesellschaftlich getheilt, ohne dass die
Produkte zu Waaren werden. Oder, ein näher liegendes Beispiel,
in jeder Fabrik ist die Arbeit systematisch getheilt, aber diese Theilung
nicht dadurch vermittelt, dass die Arbeiter ihre individuellen Pro-
dukte
austauschen. Nur Produkte selbstständiger und von einander
unabhängiger Privatarbeiten
treten einander als Waaren
gegenüber.

Man hat also gesehn : In dem Gebrauchswerth jeder Waare steckt
eine bestimmte zweckmässig produktive Thätigkeit oder nützliche Arbeit.
Gebrauchswerthe können sich nicht als Waaren gegenübertreten, wenn
nicht qualitativ verschiedne nützliche Arbeiten in ihnen stecken. In einer
Gesellschaft, deren Produkte allgemein die Form der Waare anneh-
men, d. h. in einer Gesellschaft von Waarenproducenten, entwickelt sich
dieser qualitative Unterschied der nützlichen Arbeiten, welche unabhängig
von einander als Privatgeschäfte selbstständiger Producenten betrieben
werden, zu einem vielgliedrigen System, zu einer gesellschaftlichen Thei-
lung der Arbeit.

Dem Rock ist es übrigens gleichgültig, ob er vom Schneider oder
vom Kunden des Schneiders getragen wird. In beiden Fällen wirkt er als
Gebrauchswerth. Ebensowenig ist das Verhältniss zwischen dem Rock
und der ihn producirenden Arbeit an und für sich dadurch verändert, dass
die Schneiderarbeit eigne Profession wird, selbstständiges Glied der gesell-
schaftlichen Theilung der Arbeit. Wo ihn das Kleidungsbedürfniss zwang,
hat der Mensch Jahrtausende lang geschneidert, bevor aus einem Menschen
ein Schneider ward. Aber das Dasein von Rock, Leinwand, jedem nicht
von Natur vorhandnen Element des stofflichen Reichthums,
musste immer vermittelt sein durch eine spezielle, zweckmässig produktive
Thätigkeit, die besondere Naturstoffe besondern menschlichen Bedürfnissen

haupt nicht als Waaren gegenübertreten. Rock tauscht sich nicht aus
gegen Rock, derselbe Gebrauchswerth nicht gegen denselben Gebrauchswerth.

In der Gesammtheit der verschiedenartigen Gebrauchswerthe oder
Waarenkörper erscheint eine Gesammtheit eben so mannigfaltiger, nach
Gattung, Art, Familie, Unterart, Varietät verschiedner nützlicher Arbeiten
— eine gesellschaftliche Theilung der Arbeit. Sie ist Exi-
stenzbedingung der Waarenproduktion, obgleich Waarenproduktion nicht
umgekehrt Existenzbedingung gesellschaftlicher Arbeitstheilung. In der
altindischen Gemeinde ist die Arbeit gesellschaftlich getheilt, ohne dass die
Produkte zu Waaren werden. Oder, ein näher liegendes Beispiel,
in jeder Fabrik ist die Arbeit systematisch getheilt, aber diese Theilung
nicht dadurch vermittelt, dass die Arbeiter ihre individuellen Pro-
dukte
austauschen. Nur Produkte selbstständiger und von einander
unabhängiger Privatarbeiten
treten einander als Waaren
gegenüber.

Man hat also gesehn : In dem Gebrauchswerth jeder Waare steckt
eine bestimmte zweckmässig produktive Thätigkeit oder nützliche Arbeit.
Gebrauchswerthe können sich nicht als Waaren gegenübertreten, wenn
nicht qualitativ verschiedne nützliche Arbeiten in ihnen stecken. In einer
Gesellschaft, deren Produkte allgemein die Form der Waare anneh-
men, d. h. in einer Gesellschaft von Waarenproducenten, entwickelt sich
dieser qualitative Unterschied der nützlichen Arbeiten, welche unabhängig
von einander als Privatgeschäfte selbstständiger Producenten betrieben
werden, zu einem vielgliedrigen System, zu einer gesellschaftlichen Thei-
lung der Arbeit.

Dem Rock ist es übrigens gleichgültig, ob er vom Schneider oder
vom Kunden des Schneiders getragen wird. In beiden Fällen wirkt er als
Gebrauchswerth. Ebensowenig ist das Verhältniss zwischen dem Rock
und der ihn producirenden Arbeit an und für sich dadurch verändert, dass
die Schneiderarbeit eigne Profession wird, selbstständiges Glied der gesell-
schaftlichen Theilung der Arbeit. Wo ihn das Kleidungsbedürfniss zwang,
hat der Mensch Jahrtausende lang geschneidert, bevor aus einem Menschen
ein Schneider ward. Aber das Dasein von Rock, Leinwand, jedem nicht
von Natur vorhandnen Element des stofflichen Reichthums,
musste immer vermittelt sein durch eine spezielle, zweckmässig produktive
Thätigkeit, die besondere Naturstoffe besondern menschlichen Bedürfnissen

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[8/0027] haupt nicht als Waaren gegenübertreten. Rock tauscht sich nicht aus gegen Rock, derselbe Gebrauchswerth nicht gegen denselben Gebrauchswerth. In der Gesammtheit der verschiedenartigen Gebrauchswerthe oder Waarenkörper erscheint eine Gesammtheit eben so mannigfaltiger, nach Gattung, Art, Familie, Unterart, Varietät verschiedner nützlicher Arbeiten — eine gesellschaftliche Theilung der Arbeit. Sie ist Exi- stenzbedingung der Waarenproduktion, obgleich Waarenproduktion nicht umgekehrt Existenzbedingung gesellschaftlicher Arbeitstheilung. In der altindischen Gemeinde ist die Arbeit gesellschaftlich getheilt, ohne dass die Produkte zu Waaren werden. Oder, ein näher liegendes Beispiel, in jeder Fabrik ist die Arbeit systematisch getheilt, aber diese Theilung nicht dadurch vermittelt, dass die Arbeiter ihre individuellen Pro- dukte austauschen. Nur Produkte selbstständiger und von einander unabhängiger Privatarbeiten treten einander als Waaren gegenüber. Man hat also gesehn : In dem Gebrauchswerth jeder Waare steckt eine bestimmte zweckmässig produktive Thätigkeit oder nützliche Arbeit. Gebrauchswerthe können sich nicht als Waaren gegenübertreten, wenn nicht qualitativ verschiedne nützliche Arbeiten in ihnen stecken. In einer Gesellschaft, deren Produkte allgemein die Form der Waare anneh- men, d. h. in einer Gesellschaft von Waarenproducenten, entwickelt sich dieser qualitative Unterschied der nützlichen Arbeiten, welche unabhängig von einander als Privatgeschäfte selbstständiger Producenten betrieben werden, zu einem vielgliedrigen System, zu einer gesellschaftlichen Thei- lung der Arbeit. Dem Rock ist es übrigens gleichgültig, ob er vom Schneider oder vom Kunden des Schneiders getragen wird. In beiden Fällen wirkt er als Gebrauchswerth. Ebensowenig ist das Verhältniss zwischen dem Rock und der ihn producirenden Arbeit an und für sich dadurch verändert, dass die Schneiderarbeit eigne Profession wird, selbstständiges Glied der gesell- schaftlichen Theilung der Arbeit. Wo ihn das Kleidungsbedürfniss zwang, hat der Mensch Jahrtausende lang geschneidert, bevor aus einem Menschen ein Schneider ward. Aber das Dasein von Rock, Leinwand, jedem nicht von Natur vorhandnen Element des stofflichen Reichthums, musste immer vermittelt sein durch eine spezielle, zweckmässig produktive Thätigkeit, die besondere Naturstoffe besondern menschlichen Bedürfnissen

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/27>, abgerufen am 24.04.2024.