Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

einigermassen entwickelt ist, bedarf er bereits bearbeiteter Arbeitsmittel.
In den ältesten Menschenhöhlen finden wir Steinwerkzeuge und Steinwaffen.
Neben bearbeitetem Stein und Holz spielt im Anfang der Menschenge-
schichte das gezähmte, also selbst schon durch Arbeit veränderte, ge-
züchtete Thier die Hauptrolle als Arbeitsmittel4). Der Gebrauch und
die Schöpfung von Arbeitsmitteln, obgleich im Keim schon gewissen Thier-
arten eigen, charakterisiren den spezifisch menschlichen Arbeits-
prozess
und Franklin definirt daher den Menschen als "a tool-
making animal
", ein Werkzeuge fabrizirendes Thier. Dieselbe
Wichtigkeit, die der Bau von Knochenreliquien für die Erkenntniss der
Organisation untergegangner Thiergeschlechter, haben Reliquien von Ar-
beitsmitteln
für die Beurtheilung untergegangner ökonomischer Ge-
sellschaftsformationen. Nicht was gemacht wird, sondern wie, mit
welchen Arbeitsmitteln gemacht wird, unterscheidet die ökonomischen
Epochen5). Die Arbeitsmittel sind nicht nur der Gradmesser der Ent-
wicklung der menschlichen Arbeitskraft, sondern auch der Index der ge-
sellschaftlichen Verhältnisse, unter denen gearbeitet wird. Unter den
Arbeitsmitteln selbst bieten die mechanischen Arbeitsmittel,
deren Gesammtheit man das Knochen- und Muskelsystem der
Produktion
nennen kann, viel entscheidendere Charaktermerkmale
einer gesellschaftlichen Produktionsepoche, als solche Arbeitsmittel, die
nur zu Behältern des Arbeitsgegenstands dienen, und deren Gesammtheit
ganz allgemein als das Gefässsystem der Produktion bezeichnet
werden kann, wie z. B. Röhren, Fässer, Körbe, Krüge u. s. w. Erst in
der chemischen Fabrikation spielen sie eine bedeutungsvolle Rolle.

Im weiteren Sinn zählt der Arbeitsprozess unter seine Mittel ausser
den Dingen, welche die Wirkung der Arbeit auf ihren Gegenstand ver-
mitteln, und daher in einer oder der andern Weise als Leiter der Thätig-
keit dienen, alle gegenständlichen Bedingungen, die überhaupt
erheischt sind, damit der ganze Prozess vorgehe. Sie gehn nicht direkt
in den Arbeitsprozess ein, aber der Arbeitsprozess kann ohne sie gar nicht

4) In den oben citirten "Reflexions" entwickelt Turgot gut die Wich-
tigkeit des gezähmten Thiers für die Anfänge der Kultur.
5) Von allen Waaren sind eigentliche Luxuswaaren die unbedeutendsten
für die technologische Vergleichung verschiedner Produktionsepochen.

einigermassen entwickelt ist, bedarf er bereits bearbeiteter Arbeitsmittel.
In den ältesten Menschenhöhlen finden wir Steinwerkzeuge und Steinwaffen.
Neben bearbeitetem Stein und Holz spielt im Anfang der Menschenge-
schichte das gezähmte, also selbst schon durch Arbeit veränderte, ge-
züchtete Thier die Hauptrolle als Arbeitsmittel4). Der Gebrauch und
die Schöpfung von Arbeitsmitteln, obgleich im Keim schon gewissen Thier-
arten eigen, charakterisiren den spezifisch menschlichen Arbeits-
prozess
und Franklin definirt daher den Menschen als „a tool-
making animal
“, ein Werkzeuge fabrizirendes Thier. Dieselbe
Wichtigkeit, die der Bau von Knochenreliquien für die Erkenntniss der
Organisation untergegangner Thiergeschlechter, haben Reliquien von Ar-
beitsmitteln
für die Beurtheilung untergegangner ökonomischer Ge-
sellschaftsformationen. Nicht was gemacht wird, sondern wie, mit
welchen Arbeitsmitteln gemacht wird, unterscheidet die ökonomischen
Epochen5). Die Arbeitsmittel sind nicht nur der Gradmesser der Ent-
wicklung der menschlichen Arbeitskraft, sondern auch der Index der ge-
sellschaftlichen Verhältnisse, unter denen gearbeitet wird. Unter den
Arbeitsmitteln selbst bieten die mechanischen Arbeitsmittel,
deren Gesammtheit man das Knochen- und Muskelsystem der
Produktion
nennen kann, viel entscheidendere Charaktermerkmale
einer gesellschaftlichen Produktionsepoche, als solche Arbeitsmittel, die
nur zu Behältern des Arbeitsgegenstands dienen, und deren Gesammtheit
ganz allgemein als das Gefässsystem der Produktion bezeichnet
werden kann, wie z. B. Röhren, Fässer, Körbe, Krüge u. s. w. Erst in
der chemischen Fabrikation spielen sie eine bedeutungsvolle Rolle.

Im weiteren Sinn zählt der Arbeitsprozess unter seine Mittel ausser
den Dingen, welche die Wirkung der Arbeit auf ihren Gegenstand ver-
mitteln, und daher in einer oder der andern Weise als Leiter der Thätig-
keit dienen, alle gegenständlichen Bedingungen, die überhaupt
erheischt sind, damit der ganze Prozess vorgehe. Sie gehn nicht direkt
in den Arbeitsprozess ein, aber der Arbeitsprozess kann ohne sie gar nicht

4) In den oben citirten „Réflexions“ entwickelt Turgot gut die Wich-
tigkeit des gezähmten Thiers für die Anfänge der Kultur.
5) Von allen Waaren sind eigentliche Luxuswaaren die unbedeutendsten
für die technologische Vergleichung verschiedner Produktionsepochen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0163" n="144"/>
einigermassen entwickelt ist, bedarf er bereits bearbeiteter Arbeitsmittel.<lb/>
In den ältesten Menschenhöhlen finden wir Steinwerkzeuge und Steinwaffen.<lb/>
Neben bearbeitetem <hi rendition="#g">Stein</hi> und <hi rendition="#g">Holz</hi> spielt im Anfang der Menschenge-<lb/>
schichte das <hi rendition="#g">gezähmte</hi>, also selbst schon durch Arbeit veränderte, ge-<lb/>
züchtete <hi rendition="#g">Thier</hi> die Hauptrolle als Arbeitsmittel<note place="foot" n="4)">In den oben citirten &#x201E;<hi rendition="#g">Réflexions</hi>&#x201C; entwickelt <hi rendition="#g">Turgot</hi> gut die Wich-<lb/>
tigkeit des gezähmten Thiers für die Anfänge der Kultur.</note>. Der Gebrauch und<lb/>
die Schöpfung von Arbeitsmitteln, obgleich im Keim schon gewissen Thier-<lb/>
arten eigen, charakterisiren den <hi rendition="#g">spezifisch menschlichen Arbeits-<lb/>
prozess</hi> und <hi rendition="#g">Franklin</hi> definirt daher den Menschen als &#x201E;<hi rendition="#g">a tool-<lb/>
making animal</hi>&#x201C;, ein Werkzeuge fabrizirendes Thier. Dieselbe<lb/>
Wichtigkeit, die der Bau von Knochenreliquien für die Erkenntniss der<lb/>
Organisation untergegangner Thiergeschlechter, haben Reliquien von <hi rendition="#g">Ar-<lb/>
beitsmitteln</hi> für die Beurtheilung untergegangner ökonomischer Ge-<lb/>
sellschaftsformationen. Nicht <hi rendition="#g">was</hi> gemacht wird, sondern <hi rendition="#g">wie</hi>, mit<lb/>
welchen Arbeitsmitteln gemacht wird, unterscheidet die ökonomischen<lb/>
Epochen<note place="foot" n="5)">Von allen Waaren sind eigentliche <hi rendition="#g">Luxuswaaren</hi> die unbedeutendsten<lb/>
für die technologische Vergleichung verschiedner Produktionsepochen.</note>. Die Arbeitsmittel sind nicht nur der Gradmesser der Ent-<lb/>
wicklung der menschlichen Arbeitskraft, sondern auch der Index der ge-<lb/>
sellschaftlichen Verhältnisse, unter denen gearbeitet wird. Unter den<lb/>
Arbeitsmitteln selbst bieten die <hi rendition="#g">mechanischen Arbeitsmittel</hi>,<lb/>
deren Gesammtheit man das <hi rendition="#g">Knochen- und Muskelsystem der<lb/>
Produktion</hi> nennen kann, viel entscheidendere Charaktermerkmale<lb/>
einer gesellschaftlichen Produktionsepoche, als solche Arbeitsmittel, die<lb/>
nur zu Behältern des Arbeitsgegenstands dienen, und deren Gesammtheit<lb/>
ganz allgemein als das <hi rendition="#g">Gefässsystem der Produktion</hi> bezeichnet<lb/>
werden kann, wie z. B. Röhren, Fässer, Körbe, Krüge u. s. w. Erst in<lb/>
der chemischen Fabrikation spielen sie eine bedeutungsvolle Rolle.</p><lb/>
            <p>Im weiteren Sinn zählt der Arbeitsprozess unter seine <hi rendition="#g">Mittel</hi> ausser<lb/>
den Dingen, welche die Wirkung der Arbeit auf ihren Gegenstand ver-<lb/>
mitteln, und daher in einer oder der andern Weise als Leiter der Thätig-<lb/>
keit dienen, alle <hi rendition="#g">gegenständlichen Bedingungen</hi>, die überhaupt<lb/>
erheischt sind, damit der ganze Prozess vorgehe. Sie gehn nicht direkt<lb/>
in den Arbeitsprozess ein, aber der Arbeitsprozess kann ohne sie gar nicht<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0163] einigermassen entwickelt ist, bedarf er bereits bearbeiteter Arbeitsmittel. In den ältesten Menschenhöhlen finden wir Steinwerkzeuge und Steinwaffen. Neben bearbeitetem Stein und Holz spielt im Anfang der Menschenge- schichte das gezähmte, also selbst schon durch Arbeit veränderte, ge- züchtete Thier die Hauptrolle als Arbeitsmittel 4). Der Gebrauch und die Schöpfung von Arbeitsmitteln, obgleich im Keim schon gewissen Thier- arten eigen, charakterisiren den spezifisch menschlichen Arbeits- prozess und Franklin definirt daher den Menschen als „a tool- making animal“, ein Werkzeuge fabrizirendes Thier. Dieselbe Wichtigkeit, die der Bau von Knochenreliquien für die Erkenntniss der Organisation untergegangner Thiergeschlechter, haben Reliquien von Ar- beitsmitteln für die Beurtheilung untergegangner ökonomischer Ge- sellschaftsformationen. Nicht was gemacht wird, sondern wie, mit welchen Arbeitsmitteln gemacht wird, unterscheidet die ökonomischen Epochen 5). Die Arbeitsmittel sind nicht nur der Gradmesser der Ent- wicklung der menschlichen Arbeitskraft, sondern auch der Index der ge- sellschaftlichen Verhältnisse, unter denen gearbeitet wird. Unter den Arbeitsmitteln selbst bieten die mechanischen Arbeitsmittel, deren Gesammtheit man das Knochen- und Muskelsystem der Produktion nennen kann, viel entscheidendere Charaktermerkmale einer gesellschaftlichen Produktionsepoche, als solche Arbeitsmittel, die nur zu Behältern des Arbeitsgegenstands dienen, und deren Gesammtheit ganz allgemein als das Gefässsystem der Produktion bezeichnet werden kann, wie z. B. Röhren, Fässer, Körbe, Krüge u. s. w. Erst in der chemischen Fabrikation spielen sie eine bedeutungsvolle Rolle. Im weiteren Sinn zählt der Arbeitsprozess unter seine Mittel ausser den Dingen, welche die Wirkung der Arbeit auf ihren Gegenstand ver- mitteln, und daher in einer oder der andern Weise als Leiter der Thätig- keit dienen, alle gegenständlichen Bedingungen, die überhaupt erheischt sind, damit der ganze Prozess vorgehe. Sie gehn nicht direkt in den Arbeitsprozess ein, aber der Arbeitsprozess kann ohne sie gar nicht 4) In den oben citirten „Réflexions“ entwickelt Turgot gut die Wich- tigkeit des gezähmten Thiers für die Anfänge der Kultur. 5) Von allen Waaren sind eigentliche Luxuswaaren die unbedeutendsten für die technologische Vergleichung verschiedner Produktionsepochen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/163
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/163>, abgerufen am 02.05.2024.