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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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dillac: "Es ist falsch, dass man im Waarenaustausch gleichen Werth
gegen gleichen Werth austauscht. Umgekehrt. Jeder der beiden Con-
trahenten giebt immer einen kleineren für einen grösseren Werth ...
Tauschte man in der That immer gleiche Werthe aus, so wäre kein
Gewinn zu machen
für irgend einen Contrahenten. Aber alle beide
gewinnen oder sollten doch gewinnen. Warum? Der Werth der Dinge
besteht bloss in ihrer Beziehung auf unsere Bedürfnisse. Was für
den einen mehr, ist für den andern weniger, und umgekehrt. ... Man
setzt nicht voraus, dass wir unsrer Consumtion unentbehrliche Dinge zum
Verkauf ausbieten. . . . Wir wollen eine uns nutzlose Sache weggeben, um
eine uns nothwendige zu erhalten; wir wollen weniger für mehr geben ...
Es war natürlich zu urtheilen, dass man im Austausch gleichen Werth für
gleichen Werth gebe, so oft jedes der ausgetauschten Dinge an Werth
demselben Quantum Geld gleich war ... Aber eine andre Betrachtung
muss noch in die Rechnung eingehn; es fragt sich, ob wir beide einen
Ueberfluss gegen etwas Nothwendiges austauschen21)." Man sieht,
wie Condillac nicht nur Gebrauchswerth und Tauschwerth durcheinan-
der wirft, sondern wahrhaft kindlich einer Gesellschaft mit entwickelter
Waarenproduktion einen Zustand unterschiebt, worin der Producent seine
Subsistenzmittel selbst producirt und nur den Ueberschuss über den eignen
Bedarf, den Ueberfluss, in die Cirkulation wirft22). Dennoch wird
Condillac's Argument häufig bei modernen Oekonomen wiederholt, na-
mentlich wenn es gilt, die entwickelte Gestalt des Waarenaustausches, den
Handel, als produktiv von Mehrwerth darzustellen. "Der Handel",
heisst es z. B., "fügt den Produkten Werth zu, denn dieselben

21) Condillac: "Le Commerce et le Gouvernement" (1776).
Edit. Daire et Molinari in den "Melanges d'Economie Politique.
Paris
1847", p. 267.
22) Le Trosne antwortet daher seinem Freunde Condillac sehr richtig:
"Dans la societe formee il n'y a pas de surabondant en aucun genre." Zugleich
neckt er ihn mit der Glosse, dass "wenn beide Austauscher gleich viel mehr für
gleich viel weniger erhalten, sie beide gleich viel erhalten." Weil Condillac
noch nicht die geringste Ahnung von der Natur des Tauschwerths besitzt, ist
er der passende Gewährsmann des Herrn Prof. Wilhelm Roscher für seine
eignen Kinderbegriffe. Sieh dessen: "Die Grundlagen der National-
ökonomie. Dritte Auflage
. 1858".

dillac: „Es ist falsch, dass man im Waarenaustausch gleichen Werth
gegen gleichen Werth austauscht. Umgekehrt. Jeder der beiden Con-
trahenten giebt immer einen kleineren für einen grösseren Werth …
Tauschte man in der That immer gleiche Werthe aus, so wäre kein
Gewinn zu machen
für irgend einen Contrahenten. Aber alle beide
gewinnen oder sollten doch gewinnen. Warum? Der Werth der Dinge
besteht bloss in ihrer Beziehung auf unsere Bedürfnisse. Was für
den einen mehr, ist für den andern weniger, und umgekehrt. … Man
setzt nicht voraus, dass wir unsrer Consumtion unentbehrliche Dinge zum
Verkauf ausbieten. . . . Wir wollen eine uns nutzlose Sache weggeben, um
eine uns nothwendige zu erhalten; wir wollen weniger für mehr geben …
Es war natürlich zu urtheilen, dass man im Austausch gleichen Werth für
gleichen Werth gebe, so oft jedes der ausgetauschten Dinge an Werth
demselben Quantum Geld gleich war … Aber eine andre Betrachtung
muss noch in die Rechnung eingehn; es fragt sich, ob wir beide einen
Ueberfluss gegen etwas Nothwendiges austauschen21).“ Man sieht,
wie Condillac nicht nur Gebrauchswerth und Tauschwerth durcheinan-
der wirft, sondern wahrhaft kindlich einer Gesellschaft mit entwickelter
Waarenproduktion einen Zustand unterschiebt, worin der Producent seine
Subsistenzmittel selbst producirt und nur den Ueberschuss über den eignen
Bedarf, den Ueberfluss, in die Cirkulation wirft22). Dennoch wird
Condillac’s Argument häufig bei modernen Oekonomen wiederholt, na-
mentlich wenn es gilt, die entwickelte Gestalt des Waarenaustausches, den
Handel, als produktiv von Mehrwerth darzustellen. „Der Handel“,
heisst es z. B., „fügt den Produkten Werth zu, denn dieselben

21) Condillac: „Le Commerce et le Gouvernement“ (1776).
Édit. Daire et Molinari in den „Mélanges d’Économie Politique.
Paris
1847“, p. 267.
22) Le Trosne antwortet daher seinem Freunde Condillac sehr richtig:
„Dans la société formée il n’y a pas de surabondant en aucun genre.“ Zugleich
neckt er ihn mit der Glosse, dass „wenn beide Austauscher gleich viel mehr für
gleich viel weniger erhalten, sie beide gleich viel erhalten.“ Weil Condillac
noch nicht die geringste Ahnung von der Natur des Tauschwerths besitzt, ist
er der passende Gewährsmann des Herrn Prof. Wilhelm Roscher für seine
eignen Kinderbegriffe. Sieh dessen: „Die Grundlagen der National-
ökonomie. Dritte Auflage
. 1858“.
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[121/0140] dillac: „Es ist falsch, dass man im Waarenaustausch gleichen Werth gegen gleichen Werth austauscht. Umgekehrt. Jeder der beiden Con- trahenten giebt immer einen kleineren für einen grösseren Werth … Tauschte man in der That immer gleiche Werthe aus, so wäre kein Gewinn zu machen für irgend einen Contrahenten. Aber alle beide gewinnen oder sollten doch gewinnen. Warum? Der Werth der Dinge besteht bloss in ihrer Beziehung auf unsere Bedürfnisse. Was für den einen mehr, ist für den andern weniger, und umgekehrt. … Man setzt nicht voraus, dass wir unsrer Consumtion unentbehrliche Dinge zum Verkauf ausbieten. . . . Wir wollen eine uns nutzlose Sache weggeben, um eine uns nothwendige zu erhalten; wir wollen weniger für mehr geben … Es war natürlich zu urtheilen, dass man im Austausch gleichen Werth für gleichen Werth gebe, so oft jedes der ausgetauschten Dinge an Werth demselben Quantum Geld gleich war … Aber eine andre Betrachtung muss noch in die Rechnung eingehn; es fragt sich, ob wir beide einen Ueberfluss gegen etwas Nothwendiges austauschen 21).“ Man sieht, wie Condillac nicht nur Gebrauchswerth und Tauschwerth durcheinan- der wirft, sondern wahrhaft kindlich einer Gesellschaft mit entwickelter Waarenproduktion einen Zustand unterschiebt, worin der Producent seine Subsistenzmittel selbst producirt und nur den Ueberschuss über den eignen Bedarf, den Ueberfluss, in die Cirkulation wirft 22). Dennoch wird Condillac’s Argument häufig bei modernen Oekonomen wiederholt, na- mentlich wenn es gilt, die entwickelte Gestalt des Waarenaustausches, den Handel, als produktiv von Mehrwerth darzustellen. „Der Handel“, heisst es z. B., „fügt den Produkten Werth zu, denn dieselben 21) Condillac: „Le Commerce et le Gouvernement“ (1776). Édit. Daire et Molinari in den „Mélanges d’Économie Politique. Paris 1847“, p. 267. 22) Le Trosne antwortet daher seinem Freunde Condillac sehr richtig: „Dans la société formée il n’y a pas de surabondant en aucun genre.“ Zugleich neckt er ihn mit der Glosse, dass „wenn beide Austauscher gleich viel mehr für gleich viel weniger erhalten, sie beide gleich viel erhalten.“ Weil Condillac noch nicht die geringste Ahnung von der Natur des Tauschwerths besitzt, ist er der passende Gewährsmann des Herrn Prof. Wilhelm Roscher für seine eignen Kinderbegriffe. Sieh dessen: „Die Grundlagen der National- ökonomie. Dritte Auflage. 1858“.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/140>, abgerufen am 24.11.2024.