Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.enden stets verhängnißvoll mit "aufgeschoben". Der Staatsstreich Am 10. Oktober kündete Bonaparte seinen Ministern den Entschluß Der erste Posten, den sie im Kampfe mit der Exekutivgewalt eingebüßt Gleich am ersten Tage ihrer Wiedereröffnung erhielt die Nationalver¬ enden ſtets verhängnißvoll mit „aufgeſchoben“. Der Staatsſtreich Am 10. Oktober kündete Bonaparte ſeinen Miniſtern den Entſchluß Der erſte Poſten, den ſie im Kampfe mit der Exekutivgewalt eingebüßt Gleich am erſten Tage ihrer Wiedereröffnung erhielt die Nationalver¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0091" n="79"/> enden ſtets verhängnißvoll mit „<hi rendition="#g">aufgeſchoben</hi>“. Der Staatsſtreich<lb/> war ſtets die fixe Idee Bonaparte's. Mit dieſer Idee hatte er den franzö¬<lb/> ſiſchen Boden wieder betreten. Sie beſaß ihn ſo ſehr, daß er ſie forwährend<lb/> verrieth und ausplauderte. Er war ſo ſchwach, daß er ſie ebenſo fortwährend<lb/> wieder aufgab. Der Schatten des Staatsſtreiches war den Pariſern als<lb/> Geſpenſt ſo familiär geworden, daß ſie nicht an ihn glauben wollten, als er<lb/> endlich in Fleiſch und Blut erſchien. Es war alſo weder die verſchloſſene<lb/> Zurückhaltung des Chefs der Geſellſchaft vom 10. Dezember, noch eine un¬<lb/> geahnte Ueberrumpelung von Seiten der Nationalverſammlung, was den<lb/> Staatsſtreich gelingen ließ. Wenn er gelang, gelang er trotz <hi rendition="#g">ſeiner</hi> In¬<lb/> diskretion und mit <hi rendition="#g">ihrem</hi> Vorwiſſen, ein nothwendiges, unvermeidliches<lb/> Reſultat der vorhergegangenen Entwickelung.</p><lb/> <p>Am 10. Oktober kündete Bonaparte ſeinen Miniſtern den Entſchluß<lb/> an, das allgemeine Wahlrecht wieder herſtellen zu wollen, am 16. gaben ſie<lb/> ihre Entlaſſung, am 26. erfuhr Paris die Bildung des Miniſteriums<lb/> Thorigny. Der Polizeipräfekt Cartier wurde gleichzeitig durch Maupas<lb/> erſetzt, der Chef der erſten Militärdiviſion, Magnan, zog die zuverläſſigſten<lb/> Regimenter der Hauptſtadt zuſammen. Am 4. November eröffnete die<lb/> Nationalverſammlung wieder ihre Sitzungen. Sie hatte nichts mehr zu<lb/> thun, als in einem kurzen bündigen Repetitorium den Curſus, den ſie durch¬<lb/> gemacht hatte, zu wiederholen und zu beweiſen, daß ſie erſt begraben wurde,<lb/> nachdem ſie geſtorben war.</p><lb/> <p>Der erſte Poſten, den ſie im Kampfe mit der Exekutivgewalt eingebüßt<lb/> hatte, war das Miniſterium. Sie mußte dieſen Verluſt feierlich eingeſtehn,<lb/> indem ſie das Miniſterium Thorigny, ein bloßes Scheinminiſterium, als<lb/> voll hinnahm. Die Permanenzkommiſſion hatte Herrn Giraud mit Lachen<lb/> empfangen, als er ſich im Namen der neuen Miniſter vorſtellte. Ein ſo<lb/> ſchwaches Miniſterium für ſo ſtarke Maßregeln, wie die Wiederherſtellung<lb/> des allgemeinen Wahlrechts! Aber handelte ſich eben darum, Nichts <hi rendition="#g">im</hi><lb/> Parlament, Alles <hi rendition="#g">gegen</hi> das Parlament durchzuſetzen.</p><lb/> <p>Gleich am erſten Tage ihrer Wiedereröffnung erhielt die Nationalver¬<lb/> ſammlung die Botſchaft Bonaparte's, worin er Wiederherſtellung des allge¬<lb/> meinen Wahlrechts und Abſchaffung des Geſetzes vom 31. Mai 1850 ver¬<lb/> langte. Seine Miniſter brachten an demſelben Tage ein Dekret in dieſem<lb/> Sinne ein. Die Verſammlung verwarf den Dringlichkeitsantrag der Mini¬<lb/> ſter ſofort und das Geſetz ſelbſt am 13. November, mit 355 gegen 348<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0091]
enden ſtets verhängnißvoll mit „aufgeſchoben“. Der Staatsſtreich
war ſtets die fixe Idee Bonaparte's. Mit dieſer Idee hatte er den franzö¬
ſiſchen Boden wieder betreten. Sie beſaß ihn ſo ſehr, daß er ſie forwährend
verrieth und ausplauderte. Er war ſo ſchwach, daß er ſie ebenſo fortwährend
wieder aufgab. Der Schatten des Staatsſtreiches war den Pariſern als
Geſpenſt ſo familiär geworden, daß ſie nicht an ihn glauben wollten, als er
endlich in Fleiſch und Blut erſchien. Es war alſo weder die verſchloſſene
Zurückhaltung des Chefs der Geſellſchaft vom 10. Dezember, noch eine un¬
geahnte Ueberrumpelung von Seiten der Nationalverſammlung, was den
Staatsſtreich gelingen ließ. Wenn er gelang, gelang er trotz ſeiner In¬
diskretion und mit ihrem Vorwiſſen, ein nothwendiges, unvermeidliches
Reſultat der vorhergegangenen Entwickelung.
Am 10. Oktober kündete Bonaparte ſeinen Miniſtern den Entſchluß
an, das allgemeine Wahlrecht wieder herſtellen zu wollen, am 16. gaben ſie
ihre Entlaſſung, am 26. erfuhr Paris die Bildung des Miniſteriums
Thorigny. Der Polizeipräfekt Cartier wurde gleichzeitig durch Maupas
erſetzt, der Chef der erſten Militärdiviſion, Magnan, zog die zuverläſſigſten
Regimenter der Hauptſtadt zuſammen. Am 4. November eröffnete die
Nationalverſammlung wieder ihre Sitzungen. Sie hatte nichts mehr zu
thun, als in einem kurzen bündigen Repetitorium den Curſus, den ſie durch¬
gemacht hatte, zu wiederholen und zu beweiſen, daß ſie erſt begraben wurde,
nachdem ſie geſtorben war.
Der erſte Poſten, den ſie im Kampfe mit der Exekutivgewalt eingebüßt
hatte, war das Miniſterium. Sie mußte dieſen Verluſt feierlich eingeſtehn,
indem ſie das Miniſterium Thorigny, ein bloßes Scheinminiſterium, als
voll hinnahm. Die Permanenzkommiſſion hatte Herrn Giraud mit Lachen
empfangen, als er ſich im Namen der neuen Miniſter vorſtellte. Ein ſo
ſchwaches Miniſterium für ſo ſtarke Maßregeln, wie die Wiederherſtellung
des allgemeinen Wahlrechts! Aber handelte ſich eben darum, Nichts im
Parlament, Alles gegen das Parlament durchzuſetzen.
Gleich am erſten Tage ihrer Wiedereröffnung erhielt die Nationalver¬
ſammlung die Botſchaft Bonaparte's, worin er Wiederherſtellung des allge¬
meinen Wahlrechts und Abſchaffung des Geſetzes vom 31. Mai 1850 ver¬
langte. Seine Miniſter brachten an demſelben Tage ein Dekret in dieſem
Sinne ein. Die Verſammlung verwarf den Dringlichkeitsantrag der Mini¬
ſter ſofort und das Geſetz ſelbſt am 13. November, mit 355 gegen 348
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