Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.schärft durch den wachsenden Ungestüm von Gläubigern, die mit jedem Son¬ Wenn je ein Ereigniß lange vor seinem Eintritt seinen Schatten vor ſchärft durch den wachſenden Ungeſtüm von Gläubigern, die mit jedem Son¬ Wenn je ein Ereigniß lange vor ſeinem Eintritt ſeinen Schatten vor <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0090" n="78"/> ſchärft durch den wachſenden Ungeſtüm von Gläubigern, die mit jedem Son¬<lb/> nenuntergang, der den Verfalltag, den 2. Mai 1852 näher rückte, einen<lb/> Proteſt der Geſtirnbewegung gegen ihre irdiſchen Wechſel erblickten. Sie<lb/> waren zu wahren Aſtrologen geworden. Die Nationalverſammlung hatte<lb/> Bonaparte die Hoffnung auf konſtitutionelle Prorogation ſeiner Gewalt ab¬<lb/> geſchnitten, die Kandidatur des Prinzen von Joinville geſtattete kein längeres<lb/> Schwanken.</p><lb/> <p>Wenn je ein Ereigniß lange vor ſeinem Eintritt ſeinen Schatten vor<lb/> ſich hergeworfen hat, ſo war es Bonaparte's Staatsſtreich. Schon am 29.<lb/> Januar 1849, kaum einen Monat nach ſeiner Wahl; hatte er den Vorſchlag<lb/> dazu dem Changarnier gemacht. Sein eigner Premierminiſter Odilon<lb/> Barrot hatte im Sommer 1849 verhüllt, Thiers im Winter 1850 offen die<lb/> Politik der Staatsſtreiche denunzirt. Perſigny hatte im Mai 1851 Chan¬<lb/> garnier noch einmal für den Coup zu gewinnen geſucht, der „<hi rendition="#aq">Messager de<lb/> l'Assemblée</hi>“ hatte dieſe Unterhandlung veröffentlicht. Die bonapartiſtiſchen<lb/> Journale drohten bei jedem parlamentariſchen Sturme mit einem Staats¬<lb/> ſtreich, und je näher die Kriſe rückte, deſto lauter wurde ihr Ton. In den<lb/> Orgien, die Bonaparte jede Nacht mit männlichem und weiblichem <hi rendition="#aq">swell<lb/> mob</hi> feierte, ſo oft die Mitternachtsſtunde heranrückte und reichliche Liba¬<lb/> tionen die Zunge gelöſt und die Phantaſie erhitzt hatten, wurde der Staats¬<lb/> ſtreich für den folgenden Morgen beſchloſſen. Die Schwerter wurden ge¬<lb/> zogen, die Gläſer klirrten, die Repräſentanten flogen zum Fenſter hinaus,<lb/> der Kaiſermantel fiel auf die Schultern Bonaparte's, bis der nächſte Morgen<lb/> wieder den Spuk vertrieb und das erſtaunte Paris von wenig verſchloſſenen<lb/> Beſtalinen und indiskreten Paladinen die Gefahr erfuhr, der es noch<lb/> einmal entwiſcht war. In den Monaten September und Oktober über¬<lb/> ſtürzten ſich die Gerüchte von einem <hi rendition="#aq">Coup d'état</hi>. Der Schatten nahm zu¬<lb/> gleich Farbe an, wie ein buntes Daguerreotyp. Man ſchlage die Monats¬<lb/> gänge für September und Oktober in den Organen der europäiſchen Tages¬<lb/> preſſe nach und man wird wörtlich Andeutungen wie folgende finden:<lb/> „<choice><sic>Staasſtreich-Gerüchte</sic><corr>Staatsſtreich-Gerüchte</corr></choice> erfüllen Paris. Die Hauptſtadt ſoll während der<lb/> Nacht mit Truppen gefüllt werden und der andre Morgen Dekrete bringen,<lb/> die die Nationalverſammlung auflöſen, das Departement der Seine in Be¬<lb/> lagerungszuſtand verſetzen, das allgemeine Wahlrecht wiederherſtellen, an's<lb/> Volk appelliren. Bonaparte ſoll Miniſter für die Ausführung dieſer illegalen<lb/> Dekrete ſuchen.“ Die Korreſpondenzen, die dieſe Nachrichten bringen,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0090]
ſchärft durch den wachſenden Ungeſtüm von Gläubigern, die mit jedem Son¬
nenuntergang, der den Verfalltag, den 2. Mai 1852 näher rückte, einen
Proteſt der Geſtirnbewegung gegen ihre irdiſchen Wechſel erblickten. Sie
waren zu wahren Aſtrologen geworden. Die Nationalverſammlung hatte
Bonaparte die Hoffnung auf konſtitutionelle Prorogation ſeiner Gewalt ab¬
geſchnitten, die Kandidatur des Prinzen von Joinville geſtattete kein längeres
Schwanken.
Wenn je ein Ereigniß lange vor ſeinem Eintritt ſeinen Schatten vor
ſich hergeworfen hat, ſo war es Bonaparte's Staatsſtreich. Schon am 29.
Januar 1849, kaum einen Monat nach ſeiner Wahl; hatte er den Vorſchlag
dazu dem Changarnier gemacht. Sein eigner Premierminiſter Odilon
Barrot hatte im Sommer 1849 verhüllt, Thiers im Winter 1850 offen die
Politik der Staatsſtreiche denunzirt. Perſigny hatte im Mai 1851 Chan¬
garnier noch einmal für den Coup zu gewinnen geſucht, der „Messager de
l'Assemblée“ hatte dieſe Unterhandlung veröffentlicht. Die bonapartiſtiſchen
Journale drohten bei jedem parlamentariſchen Sturme mit einem Staats¬
ſtreich, und je näher die Kriſe rückte, deſto lauter wurde ihr Ton. In den
Orgien, die Bonaparte jede Nacht mit männlichem und weiblichem swell
mob feierte, ſo oft die Mitternachtsſtunde heranrückte und reichliche Liba¬
tionen die Zunge gelöſt und die Phantaſie erhitzt hatten, wurde der Staats¬
ſtreich für den folgenden Morgen beſchloſſen. Die Schwerter wurden ge¬
zogen, die Gläſer klirrten, die Repräſentanten flogen zum Fenſter hinaus,
der Kaiſermantel fiel auf die Schultern Bonaparte's, bis der nächſte Morgen
wieder den Spuk vertrieb und das erſtaunte Paris von wenig verſchloſſenen
Beſtalinen und indiskreten Paladinen die Gefahr erfuhr, der es noch
einmal entwiſcht war. In den Monaten September und Oktober über¬
ſtürzten ſich die Gerüchte von einem Coup d'état. Der Schatten nahm zu¬
gleich Farbe an, wie ein buntes Daguerreotyp. Man ſchlage die Monats¬
gänge für September und Oktober in den Organen der europäiſchen Tages¬
preſſe nach und man wird wörtlich Andeutungen wie folgende finden:
„Staatsſtreich-Gerüchte erfüllen Paris. Die Hauptſtadt ſoll während der
Nacht mit Truppen gefüllt werden und der andre Morgen Dekrete bringen,
die die Nationalverſammlung auflöſen, das Departement der Seine in Be¬
lagerungszuſtand verſetzen, das allgemeine Wahlrecht wiederherſtellen, an's
Volk appelliren. Bonaparte ſoll Miniſter für die Ausführung dieſer illegalen
Dekrete ſuchen.“ Die Korreſpondenzen, die dieſe Nachrichten bringen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDiese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des … [mehr] Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |