Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.bene Dreiviertel der Stimmenzahl für Revision entscheide. Nach sechstä¬ Die Majorität des Parlaments erklärte sich so gegen die Verfassung, Das Parlament hatte die Verfassung und mit ihr seine eigene Herrschaft Die Ordnungspartei bewies durch ihren Beschluß über die Revision, bene Dreiviertel der Stimmenzahl für Reviſion entſcheide. Nach ſechstä¬ Die Majorität des Parlaments erklärte ſich ſo gegen die Verfaſſung, Das Parlament hatte die Verfaſſung und mit ihr ſeine eigene Herrſchaft Die Ordnungspartei bewies durch ihren Beſchluß über die Reviſion, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0082" n="70"/> bene Dreiviertel der Stimmenzahl für Reviſion entſcheide. Nach ſechstä¬<lb/> gigen ſtürmiſchen Debatten, am 19. Juli, wurde die Reviſion, wie vorher¬<lb/> zuſehn, verworfen. Es ſtimmten 446 dafür, aber 278 dagegen. Die<lb/> entſchiedenen Orleaniſten Thiers, Changarnier ꝛc. ſtimmten mit den Repu¬<lb/> blikanern und der Montagne.</p><lb/> <p>Die Majorität des Parlaments erklärte ſich ſo gegen die Verfaſſung,<lb/> aber dieſe Verfaſſung ſelbſt erklärte ſich für die Minorität, und ihren<lb/> Beſchluß für bindend. Hatte aber die Ordnungspartei nicht am 31. Mai<lb/> 1850, nicht am 13. Juni 1849 die Verfaſſung der parlamentariſchen Ma¬<lb/> jorität untergeordnet? Beruhte ihre ganze bisherige Politik nicht auf der<lb/> Unterordnung der Verfaſſungsparagraphen unter die parlamentariſchen<lb/> Majoritätsbeſchlüſſe? Hatte ſie den altteſtamentariſchen Aberglauben an den<lb/> Buchſtaben des Geſetzes nicht den Demokraten überlaſſen und an den De¬<lb/> mokraten gezüchtigt? In dieſem Augenblicke aber hieß Reviſion der Ver¬<lb/> faſſung nichts Andres, als Fortdauer der präſidentiellen Gewalt, wie Fort¬<lb/> dauer der Verfaſſung nichts Andres hieß als Abſetzung Bonaparte's. Das<lb/> Parlament hatte ſich für ihn erklärt, aber die Verfaſſung erklärte ſich gegen<lb/> das Parlament. Er handelte alſo im Sinne des Parlaments, wenn er die<lb/> Verfaſſung zerriß, und er handelte im Sinne der Verfaſſung, wenn er das<lb/> Parlament auseinanderjagte.</p><lb/> <p>Das Parlament hatte die Verfaſſung und mit ihr ſeine eigene Herrſchaft<lb/> „außerhalb der Majorität“ erklärt, es hatte durch ſeinen Beſchluß die Ver¬<lb/> faſſung aufgehoben und die präſidentielle Gewalt verlängert und zugleich er¬<lb/> klärt, daß weder die eine ſterben noch die andre leben könne, ſo lange es<lb/> ſelbſt fortbeſtehe. Die Füße derer, die es begraben ſollten, ſtanden vor der<lb/> Thüre. Während es die Reviſion debattirte, entfernte Bonaparte den<lb/> General Baraguay d'Hilliers, der ſich unſchlüſſig zeigte, von dem Kommando<lb/> der erſten Militärdiviſion und ernannte an ſeine Stelle den General Magnan,<lb/> den Sieger von Lyon, den Helden der Dezembertage, eine ſeiner Kreaturen,<lb/> die ſich ſchon unter Louis Philipp bei Gelegenheit der Expedition von Bou¬<lb/> logne mehr oder minder für ihn kompromittirt hatte.</p><lb/> <p>Die Ordnungspartei bewies durch ihren Beſchluß über die Reviſion,<lb/> daß ſie weder zu herrſchen noch zu dienen, weder zu leben noch zu ſterben,<lb/> weder die Republik zu ertragen noch ſie umzuſtürzen, weder die Verfaſſung<lb/> aufrecht zu erhalten noch ſie über den Haufen zu werfen, weder mit dem<lb/> Präſidenten zuſammenzuwirken noch mit ihm zu brechen verſtand. Von wem<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0082]
bene Dreiviertel der Stimmenzahl für Reviſion entſcheide. Nach ſechstä¬
gigen ſtürmiſchen Debatten, am 19. Juli, wurde die Reviſion, wie vorher¬
zuſehn, verworfen. Es ſtimmten 446 dafür, aber 278 dagegen. Die
entſchiedenen Orleaniſten Thiers, Changarnier ꝛc. ſtimmten mit den Repu¬
blikanern und der Montagne.
Die Majorität des Parlaments erklärte ſich ſo gegen die Verfaſſung,
aber dieſe Verfaſſung ſelbſt erklärte ſich für die Minorität, und ihren
Beſchluß für bindend. Hatte aber die Ordnungspartei nicht am 31. Mai
1850, nicht am 13. Juni 1849 die Verfaſſung der parlamentariſchen Ma¬
jorität untergeordnet? Beruhte ihre ganze bisherige Politik nicht auf der
Unterordnung der Verfaſſungsparagraphen unter die parlamentariſchen
Majoritätsbeſchlüſſe? Hatte ſie den altteſtamentariſchen Aberglauben an den
Buchſtaben des Geſetzes nicht den Demokraten überlaſſen und an den De¬
mokraten gezüchtigt? In dieſem Augenblicke aber hieß Reviſion der Ver¬
faſſung nichts Andres, als Fortdauer der präſidentiellen Gewalt, wie Fort¬
dauer der Verfaſſung nichts Andres hieß als Abſetzung Bonaparte's. Das
Parlament hatte ſich für ihn erklärt, aber die Verfaſſung erklärte ſich gegen
das Parlament. Er handelte alſo im Sinne des Parlaments, wenn er die
Verfaſſung zerriß, und er handelte im Sinne der Verfaſſung, wenn er das
Parlament auseinanderjagte.
Das Parlament hatte die Verfaſſung und mit ihr ſeine eigene Herrſchaft
„außerhalb der Majorität“ erklärt, es hatte durch ſeinen Beſchluß die Ver¬
faſſung aufgehoben und die präſidentielle Gewalt verlängert und zugleich er¬
klärt, daß weder die eine ſterben noch die andre leben könne, ſo lange es
ſelbſt fortbeſtehe. Die Füße derer, die es begraben ſollten, ſtanden vor der
Thüre. Während es die Reviſion debattirte, entfernte Bonaparte den
General Baraguay d'Hilliers, der ſich unſchlüſſig zeigte, von dem Kommando
der erſten Militärdiviſion und ernannte an ſeine Stelle den General Magnan,
den Sieger von Lyon, den Helden der Dezembertage, eine ſeiner Kreaturen,
die ſich ſchon unter Louis Philipp bei Gelegenheit der Expedition von Bou¬
logne mehr oder minder für ihn kompromittirt hatte.
Die Ordnungspartei bewies durch ihren Beſchluß über die Reviſion,
daß ſie weder zu herrſchen noch zu dienen, weder zu leben noch zu ſterben,
weder die Republik zu ertragen noch ſie umzuſtürzen, weder die Verfaſſung
aufrecht zu erhalten noch ſie über den Haufen zu werfen, weder mit dem
Präſidenten zuſammenzuwirken noch mit ihm zu brechen verſtand. Von wem
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