Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.laubten, den Präsidentenstuhl in einen Thron zu verwandeln. Joinville's Der Versuch einer royalistischen Fusion zwischen Orleanisten und Le¬ Die Auflösung der Ordnungspartei blieb nicht bei ihren ursprünglichen Der revisionslustige, aber über die Grenzen der Revision wieder laubten, den Präſidentenſtuhl in einen Thron zu verwandeln. Joinville's Der Verſuch einer royaliſtiſchen Fuſion zwiſchen Orleaniſten und Le¬ Die Auflöſung der Ordnungspartei blieb nicht bei ihren urſprünglichen Der reviſionsluſtige, aber über die Grenzen der Reviſion wieder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0081" n="69"/> laubten, den Präſidentenſtuhl in einen Thron zu verwandeln. Joinville's<lb/> Kandidatur wurde gerüchtsweiſe ausgeſprengt, die öffentliche Neugier in der<lb/> Schwebe erhalten, und einige Monate ſpäter, nach Verwerfung der Reviſion,<lb/> im September öffentlich proklamirt.</p><lb/> <p>Der Verſuch einer royaliſtiſchen Fuſion zwiſchen Orleaniſten und Le¬<lb/> gitimiſten war ſo nicht nur geſcheitert, er hatte ihre <hi rendition="#g">parlamentariſche<lb/> Fuſion</hi>, ihre republikaniſche Gemeinform gebrochen und die Ordnungs¬<lb/> partei wieder in ihre urſprünglichen Beſtandtheile zerſetzt; aber je mehr die<lb/> Entfremdung zwiſchen Claremont und Venedig wuchs, ihre Ausgleichung ſich<lb/> zerſchlug, die Joinville-Agitation um ſich griff, deſto eifriger, ernſter<lb/> wurden die Verhandlungen zwiſchen Faucher, dem Miniſter Bonaparte's,<lb/> und den Legitimiſten.</p><lb/> <p>Die Auflöſung der Ordnungspartei blieb nicht bei ihren urſprünglichen<lb/> Elementen ſtehen. Jede der beiden großen Fraktionen zerſetzte ſich ihrerſeits<lb/> von Neuem. Es war, als wenn alle die alten Nuancen, die ſich früher<lb/> innerhalb jedes der beiden Kreiſe, ſei es des legitimen, ſei es des orleani¬<lb/> ſtiſchen, bekämpft und gedrängt hatten, wieder aufgethaut wären, wie ver¬<lb/> trocknete Infuſorien bei Berührung mit Waſſer, als wenn ſie von Neuem<lb/> Lebenskraft genug gewonnen hätten, um eigne Gruppen und ſelbſtändige<lb/> Gegenſätze zu bilden. Die Legitimiſten träumten ſich zurück in die Streit¬<lb/> fragen zwiſchen den Tuilerien und dem Pavillon Marſan, zwiſchen Vill<hi rendition="#aq">è</hi>le<lb/> und Polignac. Die Orleaniſten durchlebten von Neuem die goldene Zeit der<lb/> Turniere zwiſchen Guizot, Mol<hi rendition="#aq">é</hi>, Broglio, Thiers und Odilon Barrot.<lb/></p> <p>Der reviſionsluſtige, aber über die Grenzen der Reviſion wieder<lb/> uneinige Theil der Ordnungspartei, zuſammengeſetzt aus den Legitimiſten<lb/> unter Berryer und Falloux einerſeits, unter Larochejaquelin andrerſeits, und<lb/> den kampfmüden Orleaniſten unter Mole, Broglio, Montalembert und<lb/> Odilon Barrot, vereinbarte ſich mit den bonapartiſtiſchen Repräſentanten zu<lb/> folgendem unbeſtimmten und weitgefaßten Antrage: „Die unterzeichneten<lb/> Repräſentanten, mit dem Zwecke, der Nation die volle Ausübung ihrer<lb/> Souveränität wiederzugeben, ſtellen die Motion, daß die Verfaſſung<lb/> revidirt werde.“ Gleichzeitig aber erklären ſie einſtimmig durch ihren Be¬<lb/> richterſtatter Tocqueville, die Nationalverſammlung habe nicht das Recht, die<lb/><hi rendition="#g">Abſchaffung der Republik</hi> zu beantragen, dies Recht ſtehe nur der<lb/> Reviſionskammer zu. Uebrigens könne die Verfaſſung nur auf „<hi rendition="#g">legale</hi>“<lb/><hi rendition="#g">Weiſe</hi> revidirt werden, alſo nur, wenn das verfaſſungsmäßig vorgeſchrie¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0081]
laubten, den Präſidentenſtuhl in einen Thron zu verwandeln. Joinville's
Kandidatur wurde gerüchtsweiſe ausgeſprengt, die öffentliche Neugier in der
Schwebe erhalten, und einige Monate ſpäter, nach Verwerfung der Reviſion,
im September öffentlich proklamirt.
Der Verſuch einer royaliſtiſchen Fuſion zwiſchen Orleaniſten und Le¬
gitimiſten war ſo nicht nur geſcheitert, er hatte ihre parlamentariſche
Fuſion, ihre republikaniſche Gemeinform gebrochen und die Ordnungs¬
partei wieder in ihre urſprünglichen Beſtandtheile zerſetzt; aber je mehr die
Entfremdung zwiſchen Claremont und Venedig wuchs, ihre Ausgleichung ſich
zerſchlug, die Joinville-Agitation um ſich griff, deſto eifriger, ernſter
wurden die Verhandlungen zwiſchen Faucher, dem Miniſter Bonaparte's,
und den Legitimiſten.
Die Auflöſung der Ordnungspartei blieb nicht bei ihren urſprünglichen
Elementen ſtehen. Jede der beiden großen Fraktionen zerſetzte ſich ihrerſeits
von Neuem. Es war, als wenn alle die alten Nuancen, die ſich früher
innerhalb jedes der beiden Kreiſe, ſei es des legitimen, ſei es des orleani¬
ſtiſchen, bekämpft und gedrängt hatten, wieder aufgethaut wären, wie ver¬
trocknete Infuſorien bei Berührung mit Waſſer, als wenn ſie von Neuem
Lebenskraft genug gewonnen hätten, um eigne Gruppen und ſelbſtändige
Gegenſätze zu bilden. Die Legitimiſten träumten ſich zurück in die Streit¬
fragen zwiſchen den Tuilerien und dem Pavillon Marſan, zwiſchen Villèle
und Polignac. Die Orleaniſten durchlebten von Neuem die goldene Zeit der
Turniere zwiſchen Guizot, Molé, Broglio, Thiers und Odilon Barrot.
Der reviſionsluſtige, aber über die Grenzen der Reviſion wieder
uneinige Theil der Ordnungspartei, zuſammengeſetzt aus den Legitimiſten
unter Berryer und Falloux einerſeits, unter Larochejaquelin andrerſeits, und
den kampfmüden Orleaniſten unter Mole, Broglio, Montalembert und
Odilon Barrot, vereinbarte ſich mit den bonapartiſtiſchen Repräſentanten zu
folgendem unbeſtimmten und weitgefaßten Antrage: „Die unterzeichneten
Repräſentanten, mit dem Zwecke, der Nation die volle Ausübung ihrer
Souveränität wiederzugeben, ſtellen die Motion, daß die Verfaſſung
revidirt werde.“ Gleichzeitig aber erklären ſie einſtimmig durch ihren Be¬
richterſtatter Tocqueville, die Nationalverſammlung habe nicht das Recht, die
Abſchaffung der Republik zu beantragen, dies Recht ſtehe nur der
Reviſionskammer zu. Uebrigens könne die Verfaſſung nur auf „legale“
Weiſe revidirt werden, alſo nur, wenn das verfaſſungsmäßig vorgeſchrie¬
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