Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.frage so in ihren großen Dimensionen aufgegeben ist, wartet die Exekutivge¬ Am 20. Dezember interpellirte Pascal Duprat den Minister des Innern frage ſo in ihren großen Dimenſionen aufgegeben iſt, wartet die Exekutivge¬ Am 20. Dezember interpellirte Pascal Duprat den Miniſter des Innern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0068" n="56"/> frage ſo in ihren großen Dimenſionen aufgegeben iſt, wartet die Exekutivge¬<lb/> walt ruhig den Zeitpunkt ab, wo ſie dieſelbe bei kleinlich unbedeutenden An¬<lb/> läſſen wieder aufnehmen kann, wo ſie ſo zu ſagen nur noch ein parlamenta¬<lb/> riſches Lokalintereſſe bietet. Dann bricht die verhaltene Wuth der Ordnungs¬<lb/> partei aus, dann reißt ſie den Vorhang von den Couliſſen, dann denunzirt<lb/> ſie den Präſidenten, dann erklärt ſie die Republik in Gefahr, aber dann er¬<lb/> ſcheint auch ihr Pathos abgeſchmackt und der Anlaß des Kampfes als heuch¬<lb/> leriſcher Vorwand oder überhaupt des Kampfes nicht werth. Der parlamen¬<lb/> tariſche Sturm wird zu einem Sturm in einem Glaſe Waſſer, der Kampf zur<lb/> Intrigue, die Kolliſion zum Skandal. Während die Schadenfreude der revo¬<lb/> lutionären Klaſſen ſich an der Demüthigung der Nationalverſammlung weidet,<lb/> denn ſie ſchwärmen eben ſo ſehr für die parlamentariſchen Prärogativen der¬<lb/> ſelben, wie jene Verſammlung für die öffentlichen Freiheiten, begreift die<lb/> Bourgeoiſie außerhalb des Parlaments nicht, wie die Bourgeoiſie innerhalb<lb/> des Parlaments ihre Zeit mit ſo kleinlichen Zänkereien vergeuden und die<lb/> Ruhe durch ſo elende Rivalitäten mit dem Präſidenten blosſtellen kann. Sie<lb/> wird verwirrt über eine Strategie, die in dem Augenblicke Frieden ſchließt,<lb/> wo alle Welt Schlachten erwartet, und in dem Augenblicke angreift, wo alle<lb/> Welt den Frieden geſchloſſen glaubt.</p><lb/> <p>Am 20. Dezember interpellirte Pascal Duprat den Miniſter des Innern<lb/> über die Goldbarren-Lotterie. Dieſe Lotterie war eine „Tochter aus Elyſium,“<lb/> Bonaparte hatte ſie mit ſeinen Getreuen auf die Welt geſetzt und der Polizei¬<lb/> präfekt Carlier ſie unter ſeine offizielle Protektion geſtellt, obgleich das fran¬<lb/> zöſiſche Geſetz alle Lotterien mit Ausnahme der Verlooſung zu wohlthä¬<lb/> tigen Zwecken unterſagt. Sieben Millionen Looſe, Stück für Stück ein<lb/> Frank, der Gewinn angeblich beſtimmt zur Verſchiffung von Pariſer Vaga¬<lb/> bunden nach Kalifornien. Einerſeits ſollten goldene Träume die ſozialiſtiſchen<lb/> Träume des Pariſer Proletariats verdrängen, die verführeriſche Ausſicht auf<lb/> das große Loos das doktrinäre Recht auf Arbeit. Die Pariſer Arbeiter er¬<lb/> kannten natürlich in dem Glanze der kaliforniſchen Goldbarren die unſchein¬<lb/> baren Franken nicht wieder, die man ihnen aus der Taſche lockte. In der<lb/> Hauptſache aber handelte es ſich um eine direkte Prellerei. Die Vagabunden,<lb/> die kaliforniſche Goldminen eröffnen wollten, ohne ſich aus Paris wegzube¬<lb/> mühn, waren Bonaparte ſelbſt und ſeine ſchuldenzerrüttete Tafelrunde. Die<lb/> von der Nationalverſammlung bewilligten drei Millionen waren verjubelt,<lb/> die Kaſſe mußte auf eine oder die andre Weiſe wieder gefüllt werden, Ver¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0068]
frage ſo in ihren großen Dimenſionen aufgegeben iſt, wartet die Exekutivge¬
walt ruhig den Zeitpunkt ab, wo ſie dieſelbe bei kleinlich unbedeutenden An¬
läſſen wieder aufnehmen kann, wo ſie ſo zu ſagen nur noch ein parlamenta¬
riſches Lokalintereſſe bietet. Dann bricht die verhaltene Wuth der Ordnungs¬
partei aus, dann reißt ſie den Vorhang von den Couliſſen, dann denunzirt
ſie den Präſidenten, dann erklärt ſie die Republik in Gefahr, aber dann er¬
ſcheint auch ihr Pathos abgeſchmackt und der Anlaß des Kampfes als heuch¬
leriſcher Vorwand oder überhaupt des Kampfes nicht werth. Der parlamen¬
tariſche Sturm wird zu einem Sturm in einem Glaſe Waſſer, der Kampf zur
Intrigue, die Kolliſion zum Skandal. Während die Schadenfreude der revo¬
lutionären Klaſſen ſich an der Demüthigung der Nationalverſammlung weidet,
denn ſie ſchwärmen eben ſo ſehr für die parlamentariſchen Prärogativen der¬
ſelben, wie jene Verſammlung für die öffentlichen Freiheiten, begreift die
Bourgeoiſie außerhalb des Parlaments nicht, wie die Bourgeoiſie innerhalb
des Parlaments ihre Zeit mit ſo kleinlichen Zänkereien vergeuden und die
Ruhe durch ſo elende Rivalitäten mit dem Präſidenten blosſtellen kann. Sie
wird verwirrt über eine Strategie, die in dem Augenblicke Frieden ſchließt,
wo alle Welt Schlachten erwartet, und in dem Augenblicke angreift, wo alle
Welt den Frieden geſchloſſen glaubt.
Am 20. Dezember interpellirte Pascal Duprat den Miniſter des Innern
über die Goldbarren-Lotterie. Dieſe Lotterie war eine „Tochter aus Elyſium,“
Bonaparte hatte ſie mit ſeinen Getreuen auf die Welt geſetzt und der Polizei¬
präfekt Carlier ſie unter ſeine offizielle Protektion geſtellt, obgleich das fran¬
zöſiſche Geſetz alle Lotterien mit Ausnahme der Verlooſung zu wohlthä¬
tigen Zwecken unterſagt. Sieben Millionen Looſe, Stück für Stück ein
Frank, der Gewinn angeblich beſtimmt zur Verſchiffung von Pariſer Vaga¬
bunden nach Kalifornien. Einerſeits ſollten goldene Träume die ſozialiſtiſchen
Träume des Pariſer Proletariats verdrängen, die verführeriſche Ausſicht auf
das große Loos das doktrinäre Recht auf Arbeit. Die Pariſer Arbeiter er¬
kannten natürlich in dem Glanze der kaliforniſchen Goldbarren die unſchein¬
baren Franken nicht wieder, die man ihnen aus der Taſche lockte. In der
Hauptſache aber handelte es ſich um eine direkte Prellerei. Die Vagabunden,
die kaliforniſche Goldminen eröffnen wollten, ohne ſich aus Paris wegzube¬
mühn, waren Bonaparte ſelbſt und ſeine ſchuldenzerrüttete Tafelrunde. Die
von der Nationalverſammlung bewilligten drei Millionen waren verjubelt,
die Kaſſe mußte auf eine oder die andre Weiſe wieder gefüllt werden, Ver¬
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