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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.

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gebens hatte Bonaparte zur Errichtung von sogenannten cites ouvrieres eine
Nationalsubscription eröffnet, an deren Spitze er selbst mit einer bedeutenden
Summe figurirte. Die hartherzigen Bourgeois warteten mißtrauisch die Ein¬
zahlung seiner Aktie ab, und da diese natürlich nicht erfolgte, fiel die Speku¬
lation auf die sozialistischen Luftschlösser platt zu Boden. Die Goldbarren
zogen besser. Bonaparte und Genossen begnügten sich nicht damit, den Ueber¬
schuß der sieben Millionen über die auszuspielenden Barren theilweise in die
Tasche zu stecken, sie fabrizirten falsche Loose, sie gaben auf dieselbe Nummer
10, funfzehn bis zwanzig Loose aus, Finanzoperation im Geiste der Gesell¬
schaft vom 10. Dezember! Hier hatte die Nationalversammlung nicht den
fiktiven Präsidenten der Republik sich gegenüber, sondern den Bonaparte in
Fleisch und Blut. Hier konnte sie ihn auf der That ertappen im Konflikte
nicht mit der Konstitution, sondern mit dem Code penal. Wenn sie auf
Duprat's Interpellation zur Tagesordnung überging, geschah es nicht nur,
weil Girardin's Antrag sich für "satisfait" zu erklären, der Ordnungspartei
ihre systematische Korruption in's Gedächtniß rief. Der Bourgeois, und
vor Allem der zum Staatsmann aufgeblähte Bourgeois ergänzt seine praktische
Gemeinheit durch eine theoretische Ueberschwenglichkeit. Als Staatsmann wird
er wie die Staatsgewalt, die ihm gegenübersteht, ein höheres Wesen, das nur
in höherer, geweihter Weise bekämpft werden kann.

Bonaparte, der eben als Bohemien, als prinzlicher Lumpenproletarier
den Vorzug vor dem schuftigen Bourgeois hatte, daß er den Kampf gemein
führen konnte, sah nun, nachdem die Versammlung selbst ihn über den schlüpf¬
rigen Boden der Militärbanquets, der Revuen, der Gesellschaft vom 10. De¬
zember und endlich des Code penal mit eigner Hand hinübergeleitet hatte,
den Augenblick gekommen, wo er aus der scheinbaren Defensive in die Offen¬
sive übergehn konnte. Wenig genirten ihn die mitten durch spielenden kleinen
Niederlagen des Justizministers, des Kriegsministers, des Marineministers,
des Finanzministers, wodurch die Nationalversammlung ihr knurriges Mi߬
vergnügen kundgab. Er verhinderte nicht nur die Minister abzutreten und
so die Unterwerfung der Exekutivgewalt unter das Parlament anzuerkennen.
Er konnte nun vollbringen, womit er während der Ferien der Nationalver¬
sammlung begonnen hatte, die Losreißung der Mililärgewalt vom Parlamente,
die Absetzung Changarnier's.

Ein elyseisches Blatt veröffentlichte einen Tagesbefehl, während des
Monats Mai angeblich an die erste Militärdivision gerichtet, also von Chan¬

gebens hatte Bonaparte zur Errichtung von ſogenannten cites ouvrières eine
Nationalſubſcription eröffnet, an deren Spitze er ſelbſt mit einer bedeutenden
Summe figurirte. Die hartherzigen Bourgeois warteten mißtrauiſch die Ein¬
zahlung ſeiner Aktie ab, und da dieſe natürlich nicht erfolgte, fiel die Speku¬
lation auf die ſozialiſtiſchen Luftſchlöſſer platt zu Boden. Die Goldbarren
zogen beſſer. Bonaparte und Genoſſen begnügten ſich nicht damit, den Ueber¬
ſchuß der ſieben Millionen über die auszuſpielenden Barren theilweiſe in die
Taſche zu ſtecken, ſie fabrizirten falſche Looſe, ſie gaben auf dieſelbe Nummer
10, funfzehn bis zwanzig Looſe aus, Finanzoperation im Geiſte der Geſell¬
ſchaft vom 10. Dezember! Hier hatte die Nationalverſammlung nicht den
fiktiven Präſidenten der Republik ſich gegenüber, ſondern den Bonaparte in
Fleiſch und Blut. Hier konnte ſie ihn auf der That ertappen im Konflikte
nicht mit der Konſtitution, ſondern mit dem Code pénal. Wenn ſie auf
Duprat's Interpellation zur Tagesordnung überging, geſchah es nicht nur,
weil Girardin's Antrag ſich für „satisfait“ zu erklären, der Ordnungspartei
ihre ſyſtematiſche Korruption in's Gedächtniß rief. Der Bourgeois, und
vor Allem der zum Staatsmann aufgeblähte Bourgeois ergänzt ſeine praktiſche
Gemeinheit durch eine theoretiſche Ueberſchwenglichkeit. Als Staatsmann wird
er wie die Staatsgewalt, die ihm gegenüberſteht, ein höheres Weſen, das nur
in höherer, geweihter Weiſe bekämpft werden kann.

Bonaparte, der eben als Bohémien, als prinzlicher Lumpenproletarier
den Vorzug vor dem ſchuftigen Bourgeois hatte, daß er den Kampf gemein
führen konnte, ſah nun, nachdem die Verſammlung ſelbſt ihn über den ſchlüpf¬
rigen Boden der Militärbanquets, der Revuen, der Geſellſchaft vom 10. De¬
zember und endlich des Code pénal mit eigner Hand hinübergeleitet hatte,
den Augenblick gekommen, wo er aus der ſcheinbaren Defenſive in die Offen¬
ſive übergehn konnte. Wenig genirten ihn die mitten durch ſpielenden kleinen
Niederlagen des Juſtizminiſters, des Kriegsminiſters, des Marineminiſters,
des Finanzminiſters, wodurch die Nationalverſammlung ihr knurriges Mi߬
vergnügen kundgab. Er verhinderte nicht nur die Miniſter abzutreten und
ſo die Unterwerfung der Exekutivgewalt unter das Parlament anzuerkennen.
Er konnte nun vollbringen, womit er während der Ferien der Nationalver¬
ſammlung begonnen hatte, die Losreißung der Mililärgewalt vom Parlamente,
die Abſetzung Changarnier's.

Ein elyſeiſches Blatt veröffentlichte einen Tagesbefehl, während des
Monats Mai angeblich an die erſte Militärdiviſion gerichtet, alſo von Chan¬

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[57/0069] gebens hatte Bonaparte zur Errichtung von ſogenannten cites ouvrières eine Nationalſubſcription eröffnet, an deren Spitze er ſelbſt mit einer bedeutenden Summe figurirte. Die hartherzigen Bourgeois warteten mißtrauiſch die Ein¬ zahlung ſeiner Aktie ab, und da dieſe natürlich nicht erfolgte, fiel die Speku¬ lation auf die ſozialiſtiſchen Luftſchlöſſer platt zu Boden. Die Goldbarren zogen beſſer. Bonaparte und Genoſſen begnügten ſich nicht damit, den Ueber¬ ſchuß der ſieben Millionen über die auszuſpielenden Barren theilweiſe in die Taſche zu ſtecken, ſie fabrizirten falſche Looſe, ſie gaben auf dieſelbe Nummer 10, funfzehn bis zwanzig Looſe aus, Finanzoperation im Geiſte der Geſell¬ ſchaft vom 10. Dezember! Hier hatte die Nationalverſammlung nicht den fiktiven Präſidenten der Republik ſich gegenüber, ſondern den Bonaparte in Fleiſch und Blut. Hier konnte ſie ihn auf der That ertappen im Konflikte nicht mit der Konſtitution, ſondern mit dem Code pénal. Wenn ſie auf Duprat's Interpellation zur Tagesordnung überging, geſchah es nicht nur, weil Girardin's Antrag ſich für „satisfait“ zu erklären, der Ordnungspartei ihre ſyſtematiſche Korruption in's Gedächtniß rief. Der Bourgeois, und vor Allem der zum Staatsmann aufgeblähte Bourgeois ergänzt ſeine praktiſche Gemeinheit durch eine theoretiſche Ueberſchwenglichkeit. Als Staatsmann wird er wie die Staatsgewalt, die ihm gegenüberſteht, ein höheres Weſen, das nur in höherer, geweihter Weiſe bekämpft werden kann. Bonaparte, der eben als Bohémien, als prinzlicher Lumpenproletarier den Vorzug vor dem ſchuftigen Bourgeois hatte, daß er den Kampf gemein führen konnte, ſah nun, nachdem die Verſammlung ſelbſt ihn über den ſchlüpf¬ rigen Boden der Militärbanquets, der Revuen, der Geſellſchaft vom 10. De¬ zember und endlich des Code pénal mit eigner Hand hinübergeleitet hatte, den Augenblick gekommen, wo er aus der ſcheinbaren Defenſive in die Offen¬ ſive übergehn konnte. Wenig genirten ihn die mitten durch ſpielenden kleinen Niederlagen des Juſtizminiſters, des Kriegsminiſters, des Marineminiſters, des Finanzminiſters, wodurch die Nationalverſammlung ihr knurriges Mi߬ vergnügen kundgab. Er verhinderte nicht nur die Miniſter abzutreten und ſo die Unterwerfung der Exekutivgewalt unter das Parlament anzuerkennen. Er konnte nun vollbringen, womit er während der Ferien der Nationalver¬ ſammlung begonnen hatte, die Losreißung der Mililärgewalt vom Parlamente, die Abſetzung Changarnier's. Ein elyſeiſches Blatt veröffentlichte einen Tagesbefehl, während des Monats Mai angeblich an die erſte Militärdiviſion gerichtet, alſo von Chan¬

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/69>, abgerufen am 24.11.2024.