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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.

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Verhältnisse und der Personen über der ganzen Oberfläche des Landes.
Es erlaubt also auch die gleichmäßige Einwirkung nach allen Punkten dieser
gleichmäßigen Masse von einem obersten Centrum aus. Es vernichtet die
aristokratischen Mittelstufen zwischen der Volksmasse und der Staatsgewalt,
Es ruft also von allen Seiten das direkte Eingreifen dieser Staatsgewalt und
das Zwischenschieben ihrer unmittelbaren Organe hervor. Es erzeugt
endlich eine unbeschäftigte Ueberbevölkerung, die weder auf dem Lande noch in
den Städten Platz findet und daher nach den Staatsämtern als einer Art
von respektablem Almosen greift und die Schöpfung von Staatsämtern
provozirt. Napoleon gab in den neuen Märkten, die er mit dem Bajonnette
eröffnete, in der Plünderung des Kontinents, die Zwangssteuer mit Zinsen
zurück. Sie war ein Stachel für die Industrie des Bauern, während sie
jetzt seine Industrie der letzten Hülfsquellen beraubt, seine Widerstandslosigkeit
gegen den Pauperismus vollendet. Und eine enorme Bureaukratie, wohl¬
galonirt und wohlgenährt, ist die "idee napoleonienne," die dem zweiten
Bonaparte von allen am meisten zusagt. Wie sollte sie nicht, da er ge¬
zwungen ist, neben den wirklichen Klassen der Gesellschaft eine künstliche Kaste
zu schaffen, für welche die Erhaltung seines Regimes zur Messer- und Gabel¬
frage wird. Eine seiner ersten Finanzoperationen war, daher auch die
Wiedererhöhung der Beamtengehalte auf ihren alten Betrag und Schöpfung
neuer Sinekuren.

Eine andre "idee napoleonienne" ist die Herrschaft der Pfaffen als
Regierungsmittel. Aber wenn die neu entstandene Parzelle in ihrem Ein¬
klang mit der Gesellschaft, in ihrer Abhängigkeit von den Naturgewalten und
ihrer Unterwerfung unter die Autorität, die sie von oben beschützte, natürlich
religiös war, wird die schuldzerrüttete, mit der Gesellschaft und der Autorität
zerfallene, über ihre eigne Beschränktheit hinausgetriebene Parzelle natürlich
irreligiös. Der Himmel war eine ganz schöne Zugabe zu dem eben gewon¬
nenen schmalen Erdstrich, zumal da er das Wetter macht; er wird zum
Insult, sobald er als Ersatz für die Parzelle aufgedrängt wird. Der Pfaffe
erscheint, dann nur noch als der gesalbte Spürhund der irdischen Polizei, --
eine andre "idee napoleonienne." -- Die Expedition gegen Rom wird das
nächste Mal in Frankreich selbst stattfinden, aber im umgekehrten Sinne des
Herrn v. Montalembert.

Der Kulminirpunkt der "idees napoleoniennes" endlich ist das Ueber¬
gewicht der Armee. Die Armee war der point d'honneur der Parzellen¬

Verhältniſſe und der Perſonen über der ganzen Oberfläche des Landes.
Es erlaubt alſo auch die gleichmäßige Einwirkung nach allen Punkten dieſer
gleichmäßigen Maſſe von einem oberſten Centrum aus. Es vernichtet die
ariſtokratiſchen Mittelſtufen zwiſchen der Volksmaſſe und der Staatsgewalt,
Es ruft alſo von allen Seiten das direkte Eingreifen dieſer Staatsgewalt und
das Zwiſchenſchieben ihrer unmittelbaren Organe hervor. Es erzeugt
endlich eine unbeſchäftigte Ueberbevölkerung, die weder auf dem Lande noch in
den Städten Platz findet und daher nach den Staatsämtern als einer Art
von reſpektablem Almoſen greift und die Schöpfung von Staatsämtern
provozirt. Napoleon gab in den neuen Märkten, die er mit dem Bajonnette
eröffnete, in der Plünderung des Kontinents, die Zwangsſteuer mit Zinſen
zurück. Sie war ein Stachel für die Induſtrie des Bauern, während ſie
jetzt ſeine Induſtrie der letzten Hülfsquellen beraubt, ſeine Widerſtandsloſigkeit
gegen den Pauperismus vollendet. Und eine enorme Bureaukratie, wohl¬
galonirt und wohlgenährt, iſt die „idée napoléonienne,“ die dem zweiten
Bonaparte von allen am meiſten zuſagt. Wie ſollte ſie nicht, da er ge¬
zwungen iſt, neben den wirklichen Klaſſen der Geſellſchaft eine künſtliche Kaſte
zu ſchaffen, für welche die Erhaltung ſeines Regimes zur Meſſer- und Gabel¬
frage wird. Eine ſeiner erſten Finanzoperationen war, daher auch die
Wiedererhöhung der Beamtengehalte auf ihren alten Betrag und Schöpfung
neuer Sinekuren.

Eine andre „idée napoléonienne“ iſt die Herrſchaft der Pfaffen als
Regierungsmittel. Aber wenn die neu entſtandene Parzelle in ihrem Ein¬
klang mit der Geſellſchaft, in ihrer Abhängigkeit von den Naturgewalten und
ihrer Unterwerfung unter die Autorität, die ſie von oben beſchützte, natürlich
religiös war, wird die ſchuldzerrüttete, mit der Geſellſchaft und der Autorität
zerfallene, über ihre eigne Beſchränktheit hinausgetriebene Parzelle natürlich
irreligiös. Der Himmel war eine ganz ſchöne Zugabe zu dem eben gewon¬
nenen ſchmalen Erdſtrich, zumal da er das Wetter macht; er wird zum
Inſult, ſobald er als Erſatz für die Parzelle aufgedrängt wird. Der Pfaffe
erſcheint, dann nur noch als der geſalbte Spürhund der irdiſchen Polizei, —
eine andre „idée napoléonienne.“ — Die Expedition gegen Rom wird das
nächſte Mal in Frankreich ſelbſt ſtattfinden, aber im umgekehrten Sinne des
Herrn v. Montalembert.

Der Kulminirpunkt der „idées napoléoniennes“ endlich iſt das Ueber¬
gewicht der Armee. Die Armee war der point d'honneur der Parzellen¬

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[93/0105] Verhältniſſe und der Perſonen über der ganzen Oberfläche des Landes. Es erlaubt alſo auch die gleichmäßige Einwirkung nach allen Punkten dieſer gleichmäßigen Maſſe von einem oberſten Centrum aus. Es vernichtet die ariſtokratiſchen Mittelſtufen zwiſchen der Volksmaſſe und der Staatsgewalt, Es ruft alſo von allen Seiten das direkte Eingreifen dieſer Staatsgewalt und das Zwiſchenſchieben ihrer unmittelbaren Organe hervor. Es erzeugt endlich eine unbeſchäftigte Ueberbevölkerung, die weder auf dem Lande noch in den Städten Platz findet und daher nach den Staatsämtern als einer Art von reſpektablem Almoſen greift und die Schöpfung von Staatsämtern provozirt. Napoleon gab in den neuen Märkten, die er mit dem Bajonnette eröffnete, in der Plünderung des Kontinents, die Zwangsſteuer mit Zinſen zurück. Sie war ein Stachel für die Induſtrie des Bauern, während ſie jetzt ſeine Induſtrie der letzten Hülfsquellen beraubt, ſeine Widerſtandsloſigkeit gegen den Pauperismus vollendet. Und eine enorme Bureaukratie, wohl¬ galonirt und wohlgenährt, iſt die „idée napoléonienne,“ die dem zweiten Bonaparte von allen am meiſten zuſagt. Wie ſollte ſie nicht, da er ge¬ zwungen iſt, neben den wirklichen Klaſſen der Geſellſchaft eine künſtliche Kaſte zu ſchaffen, für welche die Erhaltung ſeines Regimes zur Meſſer- und Gabel¬ frage wird. Eine ſeiner erſten Finanzoperationen war, daher auch die Wiedererhöhung der Beamtengehalte auf ihren alten Betrag und Schöpfung neuer Sinekuren. Eine andre „idée napoléonienne“ iſt die Herrſchaft der Pfaffen als Regierungsmittel. Aber wenn die neu entſtandene Parzelle in ihrem Ein¬ klang mit der Geſellſchaft, in ihrer Abhängigkeit von den Naturgewalten und ihrer Unterwerfung unter die Autorität, die ſie von oben beſchützte, natürlich religiös war, wird die ſchuldzerrüttete, mit der Geſellſchaft und der Autorität zerfallene, über ihre eigne Beſchränktheit hinausgetriebene Parzelle natürlich irreligiös. Der Himmel war eine ganz ſchöne Zugabe zu dem eben gewon¬ nenen ſchmalen Erdſtrich, zumal da er das Wetter macht; er wird zum Inſult, ſobald er als Erſatz für die Parzelle aufgedrängt wird. Der Pfaffe erſcheint, dann nur noch als der geſalbte Spürhund der irdiſchen Polizei, — eine andre „idée napoléonienne.“ — Die Expedition gegen Rom wird das nächſte Mal in Frankreich ſelbſt ſtattfinden, aber im umgekehrten Sinne des Herrn v. Montalembert. Der Kulminirpunkt der „idées napoléoniennes“ endlich iſt das Ueber¬ gewicht der Armee. Die Armee war der point d'honneur der Parzellen¬

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/105>, abgerufen am 06.05.2024.