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Martin, Marie: Soll die christliche Frau studieren? In: Martin, Marie et al.: Soll die christliche Frau studieren? Die Hausindustrie der Frauen in Berlin. Der neue Gewerkverein der Heimarbeiterinnen für Kleider- und Wäschekonfektion. Berlin, 1901 (= Hefte der Freien Kirchlich-Sozialen Konferenz, Bd. 17). S. 3–21.

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Soll die christliche Frau studieren?

Die sogenannte bürgerliche Frauenbewegung hat längst
das Frauenstudium sicher auf ihr Programm gesetzt und
schon viel erreicht. Aber viele Frauen der christlichen Kreise
halten sich noch fern in der Besorgnis, durch solche Be-
strebungen gegen die der Christin geziemende Demut zu
verstoßen. Jch denke, die evangelisch christlichen Frauen
wollen nicht über andere Richtungen und Bestrebungen ur-
teilen, aber sie suchen nach dem gottgewollten Weg für sich.
Jhr Maßstab können nach altevangelischem Gebrauch nur
"Das Wort Gottes und sonstige helle Gründe"
sein. Dieses Maß wollen wir an die Sache, nicht an ir-
gend welche Personen zu legen suchen und dabei des
Wortes gedenken: "Es werden nicht alle, die zu mir
sagen "Herr, Herr!" in das Himmelreich kommen, son-
dern die den Willen thun meines Vaters im Himmel."

Jch will zuerst die Gründe und Ziele des Frauen-
studiums im Zusammenhang klar legen, dann die Schwierig-
keiten auf dem Wege und die Einwände der Gegner beachten,
hierauf die biblischen Anschauungen über Stellung und
Aufgabe des Weibes für unsere Frage untersuchen. Zuletzt
werden wir die noch viel umstrittene Frage der besten Vor-
bereitung der Mädchen für das Studium besprechen.

A.
Die Gründe und Ziele des Frauenstudiums.

Das Streben nach wissenschaftlicher Ausbildung der
Frau ist eine Erscheinung der modernen Zeit und ihrer
geistigen und sozialen Verhältnisse. Zwar gab es durch
die Jahrhunderte hin immer einzelne "gelehrte" Frauen,
die auch männliche Ehren und Berechtigungen erhielten.
Aber das waren Ausnahmen, für die Kultur ihrer Zeit
abnorme Erscheinungen, die keine Regel bilden konnten.
Wohl häuften sich diese Ausnahmen in der Renaissancezeit,
wo es eine Lust war zu leben, weil die Geister neu erwacht
Heft 17. 1*

Soll die christliche Frau studieren?

Die sogenannte bürgerliche Frauenbewegung hat längst
das Frauenstudium sicher auf ihr Programm gesetzt und
schon viel erreicht. Aber viele Frauen der christlichen Kreise
halten sich noch fern in der Besorgnis, durch solche Be-
strebungen gegen die der Christin geziemende Demut zu
verstoßen. Jch denke, die evangelisch christlichen Frauen
wollen nicht über andere Richtungen und Bestrebungen ur-
teilen, aber sie suchen nach dem gottgewollten Weg für sich.
Jhr Maßstab können nach altevangelischem Gebrauch nur
Das Wort Gottes und sonstige helle Gründe
sein. Dieses Maß wollen wir an die Sache, nicht an ir-
gend welche Personen zu legen suchen und dabei des
Wortes gedenken: „Es werden nicht alle, die zu mir
sagen „Herr, Herr!“ in das Himmelreich kommen, son-
dern die den Willen thun meines Vaters im Himmel.“

Jch will zuerst die Gründe und Ziele des Frauen-
studiums im Zusammenhang klar legen, dann die Schwierig-
keiten auf dem Wege und die Einwände der Gegner beachten,
hierauf die biblischen Anschauungen über Stellung und
Aufgabe des Weibes für unsere Frage untersuchen. Zuletzt
werden wir die noch viel umstrittene Frage der besten Vor-
bereitung der Mädchen für das Studium besprechen.

A.
Die Gründe und Ziele des Frauenstudiums.

Das Streben nach wissenschaftlicher Ausbildung der
Frau ist eine Erscheinung der modernen Zeit und ihrer
geistigen und sozialen Verhältnisse. Zwar gab es durch
die Jahrhunderte hin immer einzelne „gelehrte“ Frauen,
die auch männliche Ehren und Berechtigungen erhielten.
Aber das waren Ausnahmen, für die Kultur ihrer Zeit
abnorme Erscheinungen, die keine Regel bilden konnten.
Wohl häuften sich diese Ausnahmen in der Renaissancezeit,
wo es eine Lust war zu leben, weil die Geister neu erwacht
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Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2022-07-13T16:21:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Martin, Marie: Soll die christliche Frau studieren? In: Martin, Marie et al.: Soll die christliche Frau studieren? Die Hausindustrie der Frauen in Berlin. Der neue Gewerkverein der Heimarbeiterinnen für Kleider- und Wäschekonfektion. Berlin, 1901 (= Hefte der Freien Kirchlich-Sozialen Konferenz, Bd. 17). S. 3–21, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martin_frau_1901/3>, abgerufen am 28.03.2024.