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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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der Töne nach ihren Schwingungen.
nicht zur Musik geschickt sind, indem sie die Fähigkeit unsers Ge-
hörs übersteigen, der Schwürigkeit in der Construction eines der-
gleichen Töne hervorbringenden Jnstruments nicht zu gedenken.

§. 73.

Wenn wir in Absicht auf die Tiefe der Töne nicht weiter
gehen können, als es das bis auf einen gewissen Grad der
Tiefe nur empfindliche Ohr erlaubet, so können wir uns aus
ähnlichen Ursachen auch nur auf einen gewissen Grad der Höhe
einlassen. Es lehret aber die Erfahrung, daß wir uns in der
Tiefe nicht weiter als bis auf diejenigen Töne ausdehnen kön-
nen, welche, nach dem Orgelfuß betrachtet, von einer 32 Fuß
langen ofnen, oder 16 Fuß langen gedeckten Orgelpfeiffe hervor-
gebracht werden, und daß die kleinste mögliche Orgelpfeiffe
nicht kleiner als Fuß lang seyn kann. Der tiefste Ton
muß also wenigstens 32 mal, und der höchste kann nicht mehr
als höchstens 16384 mal in der Zeit von einer Secunde vibri-
ren, wenn er deutlich empfunden werden soll, und der Um-
fang aller musikalischen Töne wird also von zehn Octaven seyn,
vom tiefsten 32füßigen Tone an bis zum höchsten 32 Theilfüs-
sigen. Wenn nun 32:16384=1:512, so werden sämtli-
liche Töne zwischen 1 und 512 eingeschlossen seyn, und wenn
wir die Länge der deutlich zu empfindenden tiefsten Seyte zu 1
annehmen, so wird die kürzeste dieser Länge haben. Von
allen diesen möglichen Tönen, welche vom tiefsten bis zum
höchsten nur auf einer Orgel angebracht werden können, hat
die in vier Hauptstimmen unterschiedne menschliche Stimme
keine andere ordentlicher Weise in ihrer Gewalt, als die in der
acht- vier- zwey- und einfüßigen Octave liegen. Die Anzahl
sämtlicher musikalischen Töne wird übrigens nach dem vorher-
gehenden = 121 seyn; wenn wir zu den zehnmal zwölf Tö-
nen der zehn Octaven den Theilfüßigen Anfangston der eilf-
ten Octave hinzusetzen.

§. 74.

Wenn man wissen will, wie lang eine Seyte seyn muß,
welche gegen eine andere kleinere zwey, drey, vier, fünf und
mehrere Octaven machen soll, so muß man die im IXten Ab-

schnitt
E 2

der Toͤne nach ihren Schwingungen.
nicht zur Muſik geſchickt ſind, indem ſie die Faͤhigkeit unſers Ge-
hoͤrs uͤberſteigen, der Schwuͤrigkeit in der Conſtruction eines der-
gleichen Toͤne hervorbringenden Jnſtruments nicht zu gedenken.

§. 73.

Wenn wir in Abſicht auf die Tiefe der Toͤne nicht weiter
gehen koͤnnen, als es das bis auf einen gewiſſen Grad der
Tiefe nur empfindliche Ohr erlaubet, ſo koͤnnen wir uns aus
aͤhnlichen Urſachen auch nur auf einen gewiſſen Grad der Hoͤhe
einlaſſen. Es lehret aber die Erfahrung, daß wir uns in der
Tiefe nicht weiter als bis auf diejenigen Toͤne ausdehnen koͤn-
nen, welche, nach dem Orgelfuß betrachtet, von einer 32 Fuß
langen ofnen, oder 16 Fuß langen gedeckten Orgelpfeiffe hervor-
gebracht werden, und daß die kleinſte moͤgliche Orgelpfeiffe
nicht kleiner als Fuß lang ſeyn kann. Der tiefſte Ton
muß alſo wenigſtens 32 mal, und der hoͤchſte kann nicht mehr
als hoͤchſtens 16384 mal in der Zeit von einer Secunde vibri-
ren, wenn er deutlich empfunden werden ſoll, und der Um-
fang aller muſikaliſchen Toͤne wird alſo von zehn Octaven ſeyn,
vom tiefſten 32fuͤßigen Tone an bis zum hoͤchſten 32 Theilfuͤſ-
ſigen. Wenn nun 32:16384=1:512, ſo werden ſaͤmtli-
liche Toͤne zwiſchen 1 und 512 eingeſchloſſen ſeyn, und wenn
wir die Laͤnge der deutlich zu empfindenden tiefſten Seyte zu 1
annehmen, ſo wird die kuͤrzeſte dieſer Laͤnge haben. Von
allen dieſen moͤglichen Toͤnen, welche vom tiefſten bis zum
hoͤchſten nur auf einer Orgel angebracht werden koͤnnen, hat
die in vier Hauptſtimmen unterſchiedne menſchliche Stimme
keine andere ordentlicher Weiſe in ihrer Gewalt, als die in der
acht- vier- zwey- und einfuͤßigen Octave liegen. Die Anzahl
ſaͤmtlicher muſikaliſchen Toͤne wird uͤbrigens nach dem vorher-
gehenden = 121 ſeyn; wenn wir zu den zehnmal zwoͤlf Toͤ-
nen der zehn Octaven den Theilfuͤßigen Anfangston der eilf-
ten Octave hinzuſetzen.

§. 74.

Wenn man wiſſen will, wie lang eine Seyte ſeyn muß,
welche gegen eine andere kleinere zwey, drey, vier, fuͤnf und
mehrere Octaven machen ſoll, ſo muß man die im IXten Ab-

ſchnitt
E 2
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[67/0087] der Toͤne nach ihren Schwingungen. nicht zur Muſik geſchickt ſind, indem ſie die Faͤhigkeit unſers Ge- hoͤrs uͤberſteigen, der Schwuͤrigkeit in der Conſtruction eines der- gleichen Toͤne hervorbringenden Jnſtruments nicht zu gedenken. §. 73. Wenn wir in Abſicht auf die Tiefe der Toͤne nicht weiter gehen koͤnnen, als es das bis auf einen gewiſſen Grad der Tiefe nur empfindliche Ohr erlaubet, ſo koͤnnen wir uns aus aͤhnlichen Urſachen auch nur auf einen gewiſſen Grad der Hoͤhe einlaſſen. Es lehret aber die Erfahrung, daß wir uns in der Tiefe nicht weiter als bis auf diejenigen Toͤne ausdehnen koͤn- nen, welche, nach dem Orgelfuß betrachtet, von einer 32 Fuß langen ofnen, oder 16 Fuß langen gedeckten Orgelpfeiffe hervor- gebracht werden, und daß die kleinſte moͤgliche Orgelpfeiffe nicht kleiner als [FORMEL] Fuß lang ſeyn kann. Der tiefſte Ton muß alſo wenigſtens 32 mal, und der hoͤchſte kann nicht mehr als hoͤchſtens 16384 mal in der Zeit von einer Secunde vibri- ren, wenn er deutlich empfunden werden ſoll, und der Um- fang aller muſikaliſchen Toͤne wird alſo von zehn Octaven ſeyn, vom tiefſten 32fuͤßigen Tone an bis zum hoͤchſten 32 Theilfuͤſ- ſigen. Wenn nun 32:16384=1:512, ſo werden ſaͤmtli- liche Toͤne zwiſchen 1 und 512 eingeſchloſſen ſeyn, und wenn wir die Laͤnge der deutlich zu empfindenden tiefſten Seyte zu 1 annehmen, ſo wird die kuͤrzeſte [FORMEL] dieſer Laͤnge haben. Von allen dieſen moͤglichen Toͤnen, welche vom tiefſten bis zum hoͤchſten nur auf einer Orgel angebracht werden koͤnnen, hat die in vier Hauptſtimmen unterſchiedne menſchliche Stimme keine andere ordentlicher Weiſe in ihrer Gewalt, als die in der acht- vier- zwey- und einfuͤßigen Octave liegen. Die Anzahl ſaͤmtlicher muſikaliſchen Toͤne wird uͤbrigens nach dem vorher- gehenden = 121 ſeyn; wenn wir zu den zehnmal zwoͤlf Toͤ- nen der zehn Octaven den [FORMEL] Theilfuͤßigen Anfangston der eilf- ten Octave hinzuſetzen. §. 74. Wenn man wiſſen will, wie lang eine Seyte ſeyn muß, welche gegen eine andere kleinere zwey, drey, vier, fuͤnf und mehrere Octaven machen ſoll, ſo muß man die im IXten Ab- ſchnitt E 2

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/87>, abgerufen am 24.11.2024.