Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Eilffte Buch.
Sein leben einsam zu/ gleich wie die schäffer pflegen/
Er nährete sein kind in püschen und gehegen/
In wilder thiere höhl/ melckt aus ein wildes pferd/
Und gab dem kind in mund die milch und es so nehrt.
So bald als nun das kind kunt setzen seine füsse
Und gehen steiff herein/ that er demselben spiesse
In seine zarte hand/ und henckt/ wie klein sie war/
Ihr pfeil und bogen an/ für gold das lange haar
Zu flechten/ und an statt der schaube/ welche pflegen
Nach landsgeübten brauch die weiber umbzulegen/
Hieng eine tiegerhaut ihr übern rücken ab/
Die er zu reit en sie zur tapfferkeit ihr gab.
Sie schoß zur selben zeit schon kleine kinder spiesse
Mit ihrer zarten hand/ und eine schleuder liesse
Gehn dreymal umb den kopff an einem festen band
Und schoß offt einen kranch an Strimons uferstraud/
Bißweilen einen schwan; Viel weiber in den städten
Des lands Hetrurien dieselbe gerne hätten
Zur sehnur gehabt/ doch wars vergebens/ denn sie läßt
Genügen ihr allein an der Dianen fest/
Bleibt unbefirckt/ und trägt beständiges belieben
Zum jungfräulichen stand/ und wil sich lieber üben
In waffen und gefecht. Ich wolte/ daß sie währ
In einen solchen krieg gekommen nimmermehr/
Noch hätte sich erkühnt die Troer zu bekriegen/
Ich liebe sie und kan mein hertz an ihr vergnügen:
Sie wär itzt meine nimpff und kammermägdelein:
Doch weil ihr ende dringt mit harter noht herein!
So
Das Eilffte Buch.
Sein leben einſam zu/ gleich wie die ſchaͤffer pflegen/
Er naͤhrete ſein kind in puͤſchen und gehegen/
In wilder thiere hoͤhl/ melckt aus ein wildes pferd/
Und gab dem kind in mund die milch und es ſo nehrt.
So bald als nun das kind kunt ſetzen ſeine fuͤſſe
Und gehen ſteiff herein/ that er demſelben ſpieſſe
In ſeine zarte hand/ und henckt/ wie klein ſie war/
Ihr pfeil und bogen an/ fuͤr gold das lange haar
Zu flechten/ und an ſtatt der ſchaube/ welche pflegen
Nach landsgeuͤbten brauch die weiber umbzulegen/
Hieng eine tiegerhaut ihr uͤbern ruͤcken ab/
Die er zu reit en ſie zur tapfferkeit ihr gab.
Sie ſchoß zur ſelben zeit ſchon kleine kinder ſpieſſe
Mit ihrer zarten hand/ und eine ſchleuder lieſſe
Gehn dreymal umb den kopff an einem feſten band
Und ſchoß offt einen kranch an Strimons uferſtraud/
Bißweilen einen ſchwan; Viel weiber in den ſtaͤdten
Des lands Hetrurien dieſelbe gerne haͤtten
Zur ſehnur gehabt/ doch wars vergebens/ denn ſie laͤßt
Genuͤgen ihr allein an der Dianen feſt/
Bleibt unbefirckt/ und traͤgt beſtaͤndiges belieben
Zum jungfraͤulichen ſtand/ und wil ſich lieber uͤben
In waffen und gefecht. Ich wolte/ daß ſie waͤhr
In einen ſolchen krieg gekommen nimmermehr/
Noch haͤtte ſich erkuͤhnt die Troer zu bekriegen/
Ich liebe ſie und kan mein hertz an ihr vergnuͤgen:
Sie waͤr itzt meine nimpff und kammermaͤgdelein:
Doch weil ihr ende dringt mit harter noht herein!
So
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0597" n="575"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Das Eilffte Buch.</hi> </fw><lb/>
          <l>Sein leben ein&#x017F;am zu/ gleich wie die &#x017F;cha&#x0364;ffer pflegen/</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">E</hi>r na&#x0364;hrete &#x017F;ein kind in pu&#x0364;&#x017F;chen und gehegen/</l><lb/>
          <l>In wilder thiere ho&#x0364;hl/ melckt aus ein wildes pferd/</l><lb/>
          <l>Und gab dem kind in mund die milch und es &#x017F;o nehrt.</l><lb/>
          <l>So bald als nun das kind kunt &#x017F;etzen &#x017F;eine fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e</l><lb/>
          <l>Und gehen &#x017F;teiff herein/ that er dem&#x017F;elben &#x017F;pie&#x017F;&#x017F;e</l><lb/>
          <l>In &#x017F;eine zarte hand/ und henckt/ wie klein &#x017F;ie war/</l><lb/>
          <l>Ihr pfeil und bogen an/ fu&#x0364;r gold das lange haar</l><lb/>
          <l>Zu flechten/ und an &#x017F;tatt der &#x017F;chaube/ welche pflegen</l><lb/>
          <l>Nach landsgeu&#x0364;bten brauch die weiber umbzulegen/</l><lb/>
          <l>Hieng eine tiegerhaut ihr u&#x0364;bern ru&#x0364;cken ab/</l><lb/>
          <l>Die er zu reit en &#x017F;ie zur tapfferkeit ihr gab.</l><lb/>
          <l>Sie &#x017F;choß zur &#x017F;elben zeit &#x017F;chon kleine kinder &#x017F;pie&#x017F;&#x017F;e</l><lb/>
          <l>Mit ihrer zarten hand/ und eine &#x017F;chleuder lie&#x017F;&#x017F;e</l><lb/>
          <l>Gehn dreymal umb den kopff an einem fe&#x017F;ten band</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;choß offt einen kranch an Strimons ufer&#x017F;traud/</l><lb/>
          <l>Bißweilen einen &#x017F;chwan<hi rendition="#i">;</hi> Viel weiber in den &#x017F;ta&#x0364;dten</l><lb/>
          <l>Des lands Hetrurien die&#x017F;elbe gerne ha&#x0364;tten</l><lb/>
          <l>Zur &#x017F;ehnur gehabt/ doch wars vergebens/ denn &#x017F;ie la&#x0364;ßt</l><lb/>
          <l>Genu&#x0364;gen ihr allein an der Dianen fe&#x017F;t/</l><lb/>
          <l>Bleibt unbefirckt/ und tra&#x0364;gt be&#x017F;ta&#x0364;ndiges belieben</l><lb/>
          <l>Zum jungfra&#x0364;ulichen &#x017F;tand/ und wil &#x017F;ich lieber u&#x0364;ben</l><lb/>
          <l>In waffen und gefecht. Ich wolte/ daß &#x017F;ie wa&#x0364;hr</l><lb/>
          <l>In einen &#x017F;olchen krieg gekommen nimmermehr/</l><lb/>
          <l>Noch ha&#x0364;tte &#x017F;ich erku&#x0364;hnt die Troer zu bekriegen/</l><lb/>
          <l>Ich liebe &#x017F;ie und kan mein hertz an ihr vergnu&#x0364;gen:</l><lb/>
          <l>Sie wa&#x0364;r itzt meine nimpff und kammerma&#x0364;gdelein:</l><lb/>
          <l>Doch weil ihr ende dringt mit harter noht herein!</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[575/0597] Das Eilffte Buch. Sein leben einſam zu/ gleich wie die ſchaͤffer pflegen/ Er naͤhrete ſein kind in puͤſchen und gehegen/ In wilder thiere hoͤhl/ melckt aus ein wildes pferd/ Und gab dem kind in mund die milch und es ſo nehrt. So bald als nun das kind kunt ſetzen ſeine fuͤſſe Und gehen ſteiff herein/ that er demſelben ſpieſſe In ſeine zarte hand/ und henckt/ wie klein ſie war/ Ihr pfeil und bogen an/ fuͤr gold das lange haar Zu flechten/ und an ſtatt der ſchaube/ welche pflegen Nach landsgeuͤbten brauch die weiber umbzulegen/ Hieng eine tiegerhaut ihr uͤbern ruͤcken ab/ Die er zu reit en ſie zur tapfferkeit ihr gab. Sie ſchoß zur ſelben zeit ſchon kleine kinder ſpieſſe Mit ihrer zarten hand/ und eine ſchleuder lieſſe Gehn dreymal umb den kopff an einem feſten band Und ſchoß offt einen kranch an Strimons uferſtraud/ Bißweilen einen ſchwan; Viel weiber in den ſtaͤdten Des lands Hetrurien dieſelbe gerne haͤtten Zur ſehnur gehabt/ doch wars vergebens/ denn ſie laͤßt Genuͤgen ihr allein an der Dianen feſt/ Bleibt unbefirckt/ und traͤgt beſtaͤndiges belieben Zum jungfraͤulichen ſtand/ und wil ſich lieber uͤben In waffen und gefecht. Ich wolte/ daß ſie waͤhr In einen ſolchen krieg gekommen nimmermehr/ Noch haͤtte ſich erkuͤhnt die Troer zu bekriegen/ Ich liebe ſie und kan mein hertz an ihr vergnuͤgen: Sie waͤr itzt meine nimpff und kammermaͤgdelein: Doch weil ihr ende dringt mit harter noht herein! So

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/597
Zitationshilfe: Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/597>, abgerufen am 17.05.2024.