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Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.

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Das Erste Buch.
Eneas/ da er sie recht fähet an zu kennen
Und seine mutter sieht/ folgt er mit fchnellem rennen
Derselben hinden nach/ und schreyt aus voller kehl:
O grausame/ warumb trägst du doch dessen heel?
Was führst du deinen sohn mit fälschlichen gestalten
Und angemassten schein? wilst du nicht bey mir halten?
Ist denn zugeben uns die hand vergönnet nicht/
Zu wechselu wenig wort nach heischung unsrer pflicht?
So klagt er über sie. Drauff hub er sich von hinnen
Zur königlichen stadt und Didons hohen zinnen.
Sie waren itzo kaum den weg gegangen ein/
Umb gab sie Venus stracks mit einem nebelschein/
Daß keiner mochte sie erblicken noch berühren/
Noch ihnen hindernüß zu weg und stege führen/
Auch fragen nicht/ woher/ und wo sie dächte hin/
Ja keinerley gestalt betrüben ihren sinn.
Sie aber fähret fort mit pracht nach Paphos spitze/
Als ihrer alten stadt und königlichem sitze/
Sieht frölich wie es da zu stehet: denn allhier
Hat sie ihr heyligthumb/ geräthe/ heer und zier.
Da räuchert man ihr süß mit weyrauch und mit kräntzen/
Da läßt sie ihren ruhm und hoheit herrlich gläntzen:
Die Troer eilen fort/ wo sie der weg trägt hin/
Sie steigen hoch hinauff bey eines hügels zinn/
Die hoch herüber ragt/ und gegen schlosse liget.
Eneas sieht sich ümb/ so viel als ihm begnüget/
Das werck bedüncket ihm so wunderbar/ als groß/
Wenn er bedenckt deu orth/ wie er so schlecht und bloß.
Für
Das Erſte Buch.
Eneas/ da er ſie recht faͤhet an zu kennen
Und ſeine mutter ſieht/ folgt er mit fchnellem rennen
Derſelben hinden nach/ und ſchreyt aus voller kehl:
O grauſame/ warumb traͤgſt du doch deſſen heel?
Was fuͤhrſt du deinen ſohn mit faͤlſchlichen geſtalten
Und angemaſſten ſchein? wilſt du nicht bey mir halten?
Iſt denn zugeben uns die hand vergoͤnnet nicht/
Zu wechſelu wenig wort nach heiſchung unſrer pflicht?
So klagt er uͤber ſie. Drauff hub er ſich von hinnen
Zur koͤniglichen ſtadt und Didons hohen zinnen.
Sie waren itzo kaum den weg gegangen ein/
Umb gab ſie Venus ſtracks mit einem nebelſchein/
Daß keiner mochte ſie erblicken noch beruͤhren/
Noch ihnen hindernuͤß zu weg und ſtege fuͤhren/
Auch fragen nicht/ woher/ und wo ſie daͤchte hin/
Ja keinerley geſtalt betruͤben ihren ſinn.
Sie aber faͤhret fort mit pracht nach Paphos ſpitze/
Als ihrer alten ſtadt und koͤniglichem ſitze/
Sieht froͤlich wie es da zu ſtehet: denn allhier
Hat ſie ihr heyligthumb/ geraͤthe/ heer und zier.
Da raͤuchert man ihr ſuͤß mit weyrauch und mit kraͤntzẽ/
Da laͤßt ſie ihren ruhm und hoheit herrlich glaͤntzen:
Die Troer eilen fort/ wo ſie der weg traͤgt hin/
Sie ſteigen hoch hinauff bey eines huͤgels zinn/
Die hoch heruͤber ragt/ und gegen ſchloſſe liget.
Eneas ſieht ſich uͤmb/ ſo viel als ihm begnuͤget/
Das werck beduͤncket ihm ſo wunderbar/ als groß/
Wenn er bedenckt deu orth/ wie er ſo ſchlecht und bloß.
Fuͤr
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[29/0051] Das Erſte Buch. Eneas/ da er ſie recht faͤhet an zu kennen Und ſeine mutter ſieht/ folgt er mit fchnellem rennen Derſelben hinden nach/ und ſchreyt aus voller kehl: O grauſame/ warumb traͤgſt du doch deſſen heel? Was fuͤhrſt du deinen ſohn mit faͤlſchlichen geſtalten Und angemaſſten ſchein? wilſt du nicht bey mir halten? Iſt denn zugeben uns die hand vergoͤnnet nicht/ Zu wechſelu wenig wort nach heiſchung unſrer pflicht? So klagt er uͤber ſie. Drauff hub er ſich von hinnen Zur koͤniglichen ſtadt und Didons hohen zinnen. Sie waren itzo kaum den weg gegangen ein/ Umb gab ſie Venus ſtracks mit einem nebelſchein/ Daß keiner mochte ſie erblicken noch beruͤhren/ Noch ihnen hindernuͤß zu weg und ſtege fuͤhren/ Auch fragen nicht/ woher/ und wo ſie daͤchte hin/ Ja keinerley geſtalt betruͤben ihren ſinn. Sie aber faͤhret fort mit pracht nach Paphos ſpitze/ Als ihrer alten ſtadt und koͤniglichem ſitze/ Sieht froͤlich wie es da zu ſtehet: denn allhier Hat ſie ihr heyligthumb/ geraͤthe/ heer und zier. Da raͤuchert man ihr ſuͤß mit weyrauch und mit kraͤntzẽ/ Da laͤßt ſie ihren ruhm und hoheit herrlich glaͤntzen: Die Troer eilen fort/ wo ſie der weg traͤgt hin/ Sie ſteigen hoch hinauff bey eines huͤgels zinn/ Die hoch heruͤber ragt/ und gegen ſchloſſe liget. Eneas ſieht ſich uͤmb/ ſo viel als ihm begnuͤget/ Das werck beduͤncket ihm ſo wunderbar/ als groß/ Wenn er bedenckt deu orth/ wie er ſo ſchlecht und bloß. Fuͤr

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Zitationshilfe: Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/51>, abgerufen am 13.05.2024.