Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.Das Neunde Buch. Drauff saget Euryal: Es sol wol nie geschehen/Daß man mir gebe schuld/ als hätt ichs grob versehen; In diesem kühnen werck/ und hätte nicht vollbracht/ Was ich mit steiffem sinn vor hätte längst bedacht. So viel sag ich von mir; sonst wil ich lieber schweigen: Es mag sich nur das glück gut oder bös erzeigen; Doch aber bitt ich nur diß einige von dir/ Das ich weit höher halt/ als aller gaben zier. Ich habe/ da ich bin vom hause weg gezogen/ Noch eine mutter/ die mit mir zu ziehn bewogen Nicht bleiben wolte da in der Trojaner land. Acest der könig bot ihr gleichfalls seine hand Und milde freundschafft an/ sie solt in ruhe wohnen In seiner stadt/ und sich mit vielen reisen schonen; Ist sonst von altem stamm des königs Priamus/ Dieselbe hab ich nun ohn letztem abschieds-gruß Unwissend der gefahr/ wie ich sie möchte nennen/ Und schweren ungemachs zu hause lassen kommen; Ich schwere bey der nacht und deiner rechten hand/ Der ich mit diensten dir und pflichten bin verwand; Ich kan die thränen nicht der mutter mehr ertragen: Drumb sey gebeten doch zu stillen ihre klagen/ Und tröste sie/ weil sie weiß keine hülff noch rath/ Und steh ihr bey/ weil sie sonst niemand bey sich hat: Vergönne/ daß ich des mich mag zu dir vorsehen/ So wil ich in gefahr auch desto kecker gehen. Die Troer wurden drauff bestürtzt und fiengen an Zu weinen/ daß sich auch nicht selbst enthalten kan Der
Das Neunde Buch. Drauff ſaget Euryal: Es ſol wol nie geſchehen/Daß man mir gebe ſchuld/ als haͤtt ichs grob verſehen; In dieſem kuͤhnen werck/ und haͤtte nicht vollbracht/ Was ich mit ſteiffem ſinn vor haͤtte laͤngſt bedacht. So viel ſag ich von mir; ſonſt wil ich lieber ſchweigen: Es mag ſich nur das gluͤck gut oder boͤſ erzeigen; Doch aber bitt ich nur diß einige von dir/ Das ich weit hoͤher halt/ als aller gaben zier. Ich habe/ da ich bin vom hauſe weg gezogen/ Noch eine mutter/ die mit mir zu ziehn bewogen Nicht bleiben wolte da in der Trojaner land. Aceſt der koͤnig bot ihr gleichfalls ſeine hand Und milde freundſchafft an/ ſie ſolt in ruhe wohnen In ſeiner ſtadt/ und ſich mit vielen reiſen ſchonen; Iſt ſonſt von altem ſtamm des koͤnigs Priamus/ Dieſelbe hab ich nun ohn letztem abſchieds-gruß Unwiſſend der gefahr/ wie ich ſie moͤchte nennen/ Und ſchweren ungemachs zu hauſe laſſen kommen; Ich ſchwere bey der nacht und deiner rechten hand/ Der ich mit dienſten dir und pflichten bin verwand; Ich kan die thraͤnen nicht der mutter mehr ertragen: Drumb ſey gebeten doch zu ſtillen ihre klagen/ Und troͤſte ſie/ weil ſie weiß keine huͤlff noch rath/ Und ſteh ihr bey/ weil ſie ſonſt niemand bey ſich hat: Vergoͤnne/ daß ich des mich mag zu dir vorſehen/ So wil ich in gefahr auch deſto kecker gehen. Die Troer wurden drauff beſtuͤrtzt und fiengen an Zu weinen/ daß ſich auch nicht ſelbſt enthalten kan Der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0456" n="434"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Das Neunde Buch.</hi> </fw><lb/> <l>Drauff ſaget Euryal: <hi rendition="#fr">E</hi>s ſol wol nie geſchehen/</l><lb/> <l>Daß man mir gebe ſchuld/ als haͤtt ichs grob verſehen;</l><lb/> <l>In dieſem kuͤhnen werck/ und haͤtte nicht vollbracht/</l><lb/> <l>Was ich mit ſteiffem ſinn vor haͤtte laͤngſt bedacht.</l><lb/> <l>So viel ſag ich von mir; ſonſt wil ich lieber ſchweigen:</l><lb/> <l>Es mag ſich nur das gluͤck gut oder boͤſ erzeigen;</l><lb/> <l>Doch aber bitt ich nur diß einige von dir/</l><lb/> <l>Das ich weit hoͤher halt/ als aller gaben zier.</l><lb/> <l>Ich habe/ da ich bin vom hauſe weg gezogen/</l><lb/> <l>Noch eine mutter/ die mit mir zu ziehn bewogen</l><lb/> <l>Nicht bleiben wolte da in der Trojaner land.</l><lb/> <l>Aceſt der koͤnig bot ihr gleichfalls ſeine hand</l><lb/> <l>Und milde freundſchafft an/ ſie ſolt in ruhe wohnen</l><lb/> <l>In ſeiner ſtadt/ und ſich mit vielen reiſen ſchonen;</l><lb/> <l>Iſt ſonſt von altem ſtamm des koͤnigs Priamus/</l><lb/> <l>Dieſelbe hab ich nun ohn letztem abſchieds-gruß</l><lb/> <l>Unwiſſend der gefahr/ wie ich ſie moͤchte nennen/</l><lb/> <l>Und ſchweren ungemachs zu hauſe laſſen kommen;</l><lb/> <l>Ich ſchwere bey der nacht und deiner rechten hand/</l><lb/> <l>Der ich mit dienſten dir und pflichten bin verwand<hi rendition="#i">;</hi></l><lb/> <l>Ich kan die thraͤnen nicht der mutter mehr ertragen:</l><lb/> <l><hi rendition="#fr">D</hi>rumb ſey gebeten doch zu ſtillen ihre klagen/</l><lb/> <l>Und troͤſte ſie/ weil ſie weiß keine huͤlff noch rath/</l><lb/> <l>Und ſteh ihr bey/ weil ſie ſonſt niemand bey ſich hat:</l><lb/> <l>Vergoͤnne/ daß ich des mich mag zu dir vorſehen/</l><lb/> <l>So wil ich in gefahr auch deſto kecker gehen.</l><lb/> <l>Die Troer wurden drauff beſtuͤrtzt und fiengen an</l><lb/> <l>Zu weinen/ daß ſich auch nicht ſelbſt enthalten kan</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [434/0456]
Das Neunde Buch.
Drauff ſaget Euryal: Es ſol wol nie geſchehen/
Daß man mir gebe ſchuld/ als haͤtt ichs grob verſehen;
In dieſem kuͤhnen werck/ und haͤtte nicht vollbracht/
Was ich mit ſteiffem ſinn vor haͤtte laͤngſt bedacht.
So viel ſag ich von mir; ſonſt wil ich lieber ſchweigen:
Es mag ſich nur das gluͤck gut oder boͤſ erzeigen;
Doch aber bitt ich nur diß einige von dir/
Das ich weit hoͤher halt/ als aller gaben zier.
Ich habe/ da ich bin vom hauſe weg gezogen/
Noch eine mutter/ die mit mir zu ziehn bewogen
Nicht bleiben wolte da in der Trojaner land.
Aceſt der koͤnig bot ihr gleichfalls ſeine hand
Und milde freundſchafft an/ ſie ſolt in ruhe wohnen
In ſeiner ſtadt/ und ſich mit vielen reiſen ſchonen;
Iſt ſonſt von altem ſtamm des koͤnigs Priamus/
Dieſelbe hab ich nun ohn letztem abſchieds-gruß
Unwiſſend der gefahr/ wie ich ſie moͤchte nennen/
Und ſchweren ungemachs zu hauſe laſſen kommen;
Ich ſchwere bey der nacht und deiner rechten hand/
Der ich mit dienſten dir und pflichten bin verwand;
Ich kan die thraͤnen nicht der mutter mehr ertragen:
Drumb ſey gebeten doch zu ſtillen ihre klagen/
Und troͤſte ſie/ weil ſie weiß keine huͤlff noch rath/
Und ſteh ihr bey/ weil ſie ſonſt niemand bey ſich hat:
Vergoͤnne/ daß ich des mich mag zu dir vorſehen/
So wil ich in gefahr auch deſto kecker gehen.
Die Troer wurden drauff beſtuͤrtzt und fiengen an
Zu weinen/ daß ſich auch nicht ſelbſt enthalten kan
Der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/456 |
Zitationshilfe: | Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/456>, abgerufen am 27.07.2024. |