Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.Das Sechste Buch. An diesem ort hört man erbärmlich seufftz-und klagen/Und wie so grimmiglich man läst die seelen schlagen. Man höret das geräusch von eysen und metall/ Und wie die ketten man schleppt hin und her mit schall. Eneas stehet still/ vernimmet/ gantz erstarret Wie alles schrecklich thönt/ kracht/ rauschet/ knirscht und O jungfrau/ sage mir/ was hat es für gestalt (knarret. Mit ihrem übelthun und sündlicher gewalt? Was müssen sie für straff für ihr verbrechen tragen? Was höret man für leid und grosses jammer schlagen? Drauf gab Sibylla ihm vernüufftigen bericht; O tapffrer Troer fürst/ es wird verstattet nicht/ Daß ein gereister mann wolt treten auff die schwelle/ Viel minder gehen ein in der verdammten hölle; Denn als mich Hecate gesetzet hatte für/ Daß ich verwahrete nach tragender gebühr Den schwartzen hellenwald/ hat sie mir rund und eben Gezeigt der Götter rath und zu erkennen geben All urtheil/ recht und satz. Dis reich hat Rhadamanth/ das nach dem eysern recht ist streng und scharff bewand: Er stellet an verhör; Was einer hat verbrochen/ Er strafft und züchtiget und läßt nichts ungerochen; Er zwingt mit folterung zu sagen/ was man hat In seinem lebenslauff verübt für böse that; Die man mit schnöder lust und heimblich hat begangen/ Weßwegen man noch nicht die straffe hat empfangen/ Weil man sein böses thun verschoben bis zuletzt Da ihn der bittre tod in angst und nöthen setzt. Stracks T 4
Das Sechſte Buch. An dieſem ort hoͤrt man erbaͤrmlich ſeufftz-und klagen/Und wie ſo grimmiglich man laͤſt die ſeelen ſchlagen. Man hoͤret das geraͤuſch von eyſen und metall/ Und wie die ketten man ſchleppt hin und her mit ſchall. Eneas ſtehet ſtill/ vernimmet/ gantz erſtarret Wie alles ſchrecklich thoͤnt/ kracht/ rauſchet/ knirſcht und O jungfrau/ ſage mir/ was hat es fuͤr geſtalt (knarret. Mit ihrem uͤbelthun und ſuͤndlicher gewalt? Was muͤſſen ſie fuͤr ſtraff fuͤr ihr verbrechen tragen? Was hoͤret man fuͤr leid und groſſes jammer ſchlagen? Drauf gab Sibylla ihm vernuͤufftigen bericht; O tapffrer Troer fuͤrſt/ es wird verſtattet nicht/ Daß ein gereiſter mann wolt treten auff die ſchwelle/ Viel minder gehen ein in der verdammten hoͤlle; Denn als mich Hecate geſetzet hatte fuͤr/ Daß ich verwahrete nach tragender gebuͤhr Den ſchwartzen hellenwald/ hat ſie mir rund und eben Gezeigt der Goͤtter rath und zu erkennen geben All urtheil/ recht und ſatz. Dis reich hat Rhadamanth/ das nach dem eyſern recht iſt ſtreng und ſcharff bewand: Er ſtellet an verhoͤr; Was einer hat verbrochen/ Er ſtrafft und zuͤchtiget und laͤßt nichts ungerochen; Er zwingt mit folterung zu ſagen/ was man hat In ſeinem lebenslauff veruͤbt fuͤr boͤſe that; Die man mit ſchnoͤder luſt und heimblich hat begangen/ Weßwegen man noch nicht die ſtraffe hat empfangen/ Weil man ſein boͤſes thun verſchoben bis zuletzt Da ihn der bittre tod in angſt und noͤthen ſetzt. Stracks T 4
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Das Sechſte Buch.
An dieſem ort hoͤrt man erbaͤrmlich ſeufftz-und klagen/
Und wie ſo grimmiglich man laͤſt die ſeelen ſchlagen.
Man hoͤret das geraͤuſch von eyſen und metall/
Und wie die ketten man ſchleppt hin und her mit ſchall.
Eneas ſtehet ſtill/ vernimmet/ gantz erſtarret
Wie alles ſchrecklich thoͤnt/ kracht/ rauſchet/ knirſcht und
O jungfrau/ ſage mir/ was hat es fuͤr geſtalt (knarret.
Mit ihrem uͤbelthun und ſuͤndlicher gewalt?
Was muͤſſen ſie fuͤr ſtraff fuͤr ihr verbrechen tragen?
Was hoͤret man fuͤr leid und groſſes jammer ſchlagen?
Drauf gab Sibylla ihm vernuͤufftigen bericht;
O tapffrer Troer fuͤrſt/ es wird verſtattet nicht/
Daß ein gereiſter mann wolt treten auff die ſchwelle/
Viel minder gehen ein in der verdammten hoͤlle;
Denn als mich Hecate geſetzet hatte fuͤr/
Daß ich verwahrete nach tragender gebuͤhr
Den ſchwartzen hellenwald/ hat ſie mir rund und eben
Gezeigt der Goͤtter rath und zu erkennen geben
All urtheil/ recht und ſatz. Dis reich hat Rhadamanth/
das nach dem eyſern recht iſt ſtreng und ſcharff bewand:
Er ſtellet an verhoͤr; Was einer hat verbrochen/
Er ſtrafft und zuͤchtiget und laͤßt nichts ungerochen;
Er zwingt mit folterung zu ſagen/ was man hat
In ſeinem lebenslauff veruͤbt fuͤr boͤſe that;
Die man mit ſchnoͤder luſt und heimblich hat begangen/
Weßwegen man noch nicht die ſtraffe hat empfangen/
Weil man ſein boͤſes thun verſchoben bis zuletzt
Da ihn der bittre tod in angſt und noͤthen ſetzt.
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