Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Vierdte Buch.
Sie sitzt in losament verlassen von dem liebten
hängt tieffer schwermuth nach/ gleich denen hoch betrübten/
Die in sich sind verwirrt und ängsten immer zu
Ihr hertz/ das nirgend kan empfinden sanffte ruh.
Sie legt sich auff das bett/ auff welchem offt bey tage
Eneas/ wenn er war ermüdt/ zu ligen pflage;
Sie bildet ihr ihn ein/ als wie er wohn ihr bey/
Sie hört und siehet ihn mit süsser phantasey.
Sie läßt den kleinen sohn im schosse nieder setzen/
Und wil sich durch das Bild des vaters so ergetzen/
Ob sie auff diese weis die liebe teuschen kan/
Die ihrer grösse nach sich nicht läßt zeigen an.
Immittelst bleibt das werck zu bauen schläffrig hangen/
Das von der königin war neulich angefangen;
Die pursche liebt nicht mehr die edle waffenlust/
Es liget spieß und helm bestäubet und verrust.
Man läßt die Haven stehn und schantzen unbesetzet/
Und sich an müßiggang und schnöder lust ergetzet;
Der angefangne bau ligt nieder mit verdruß/
Die hohe mauer/ burg und vestung stehet bloß.
Als nun des Jovis frau die Juno wargenommen/
Daß Dido solche pest und liebssucht angekommen/
Und daß sie ihren ruff und hohe würdigkeit
Nicht gegen setzen wil der liebe rasenheit;
Sprach sie zur Venus so: Ey wie schön lob und beute
Tragt ihr/ du und dein sohn! Ey welche feine leute!
Ihr habet grossen ruhm an einer frau erjagt
Mit eurer list: Das heist ein trefflich stück gewagt!
Ich
L
Das Vierdte Buch.
Sie ſitzt in loſament verlaſſen von dem liebten
haͤngt tieffer ſchwermuth nach/ gleich denẽ hoch betruͤbtẽ/
Die in ſich ſind verwirrt und aͤngſten immer zu
Ihr hertz/ das nirgend kan empfinden ſanffte ruh.
Sie legt ſich auff das bett/ auff welchem offt bey tage
Eneas/ wenn er war ermuͤdt/ zu ligen pflage;
Sie bildet ihr ihn ein/ als wie er wohn ihr bey/
Sie hoͤrt und ſiehet ihn mit ſuͤſſer phantaſey.
Sie laͤßt den kleinen ſohn im ſchoſſe nieder ſetzen/
Und wil ſich durch das Bild des vaters ſo ergetzen/
Ob ſie auff dieſe weiſ die liebe teuſchen kan/
Die ihrer groͤſſe nach ſich nicht laͤßt zeigen an.
Immittelſt bleibt das werck zu bauen ſchlaͤffrig hangen/
Das von der koͤnigin war neulich angefangen;
Die purſche liebt nicht mehr die edle waffenluſt/
Es liget ſpieß und helm beſtaͤubet und verruſt.
Man laͤßt die Haven ſtehn und ſchantzen unbeſetzet/
Und ſich an muͤßiggang und ſchnoͤder luſt ergetzet;
Der angefangne bau ligt nieder mit verdruß/
Die hohe mauer/ burg und veſtung ſtehet bloß.
Als nun des Jovis frau die Juno wargenommen/
Daß Dido ſolche peſt und liebsſucht angekommen/
Und daß ſie ihren ruff und hohe wuͤrdigkeit
Nicht gegen ſetzen wil der liebe raſenheit;
Sprach ſie zur Venus ſo: Ey wie ſchoͤn lob und beute
Tragt ihr/ du und dein ſohn! Ey welche feine leute!
Ihr habet groſſen ruhm an einer frau erjagt
Mit eurer liſt: Das heiſt ein trefflich ſtuͤck gewagt!
Ich
L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0183" n="161"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Das Vierdte Buch.</hi> </fw><lb/>
          <l>Sie &#x017F;itzt in lo&#x017F;ament verla&#x017F;&#x017F;en von dem liebten</l><lb/>
          <l>ha&#x0364;ngt tieffer &#x017F;chwermuth nach/ gleich dene&#x0303; hoch betru&#x0364;bte&#x0303;/</l><lb/>
          <l>Die in &#x017F;ich &#x017F;ind verwirrt und a&#x0364;ng&#x017F;ten immer zu</l><lb/>
          <l>Ihr hertz/ das nirgend kan empfinden &#x017F;anffte ruh.</l><lb/>
          <l>Sie legt &#x017F;ich auff das bett/ auff welchem offt bey tage</l><lb/>
          <l>Eneas/ wenn er war ermu&#x0364;dt/ zu ligen pflage;</l><lb/>
          <l>Sie bildet ihr ihn ein/ als wie er wohn ihr bey/</l><lb/>
          <l>Sie ho&#x0364;rt und &#x017F;iehet ihn mit &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;er phanta&#x017F;ey.</l><lb/>
          <l>Sie la&#x0364;ßt den kleinen &#x017F;ohn im &#x017F;cho&#x017F;&#x017F;e nieder &#x017F;etzen/</l><lb/>
          <l>Und wil &#x017F;ich durch das Bild des vaters &#x017F;o ergetzen/</l><lb/>
          <l>Ob &#x017F;ie auff die&#x017F;e wei&#x017F; die liebe teu&#x017F;chen kan/</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">D</hi>ie ihrer gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e nach &#x017F;ich nicht la&#x0364;ßt zeigen an.</l><lb/>
          <l>Immittel&#x017F;t bleibt das werck zu bauen &#x017F;chla&#x0364;ffrig hangen/</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">D</hi>as von der ko&#x0364;nigin war neulich angefangen<hi rendition="#i">;</hi></l><lb/>
          <l>Die pur&#x017F;che liebt nicht mehr die edle waffenlu&#x017F;t/</l><lb/>
          <l>Es liget &#x017F;pieß und helm be&#x017F;ta&#x0364;ubet und verru&#x017F;t.</l><lb/>
          <l>Man la&#x0364;ßt die Haven &#x017F;tehn und &#x017F;chantzen unbe&#x017F;etzet/</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;ich an mu&#x0364;ßiggang und &#x017F;chno&#x0364;der lu&#x017F;t ergetzet;</l><lb/>
          <l>Der angefangne bau ligt nieder mit verdruß/</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">D</hi>ie hohe mauer/ burg und ve&#x017F;tung &#x017F;tehet bloß.</l><lb/>
          <l>Als nun des Jovis frau die Juno wargenommen/</l><lb/>
          <l>Daß Dido &#x017F;olche pe&#x017F;t und liebs&#x017F;ucht angekommen/</l><lb/>
          <l>Und daß &#x017F;ie ihren ruff und hohe wu&#x0364;rdigkeit</l><lb/>
          <l>Nicht gegen &#x017F;etzen wil der liebe ra&#x017F;enheit;</l><lb/>
          <l>Sprach &#x017F;ie zur Venus &#x017F;o: Ey wie &#x017F;cho&#x0364;n lob und beute</l><lb/>
          <l>Tragt ihr/ du und dein &#x017F;ohn<hi rendition="#i">!</hi> Ey welche feine leute<hi rendition="#i">!</hi></l><lb/>
          <l>Ihr habet gro&#x017F;&#x017F;en ruhm an einer frau erjagt</l><lb/>
          <l>Mit eurer li&#x017F;t: Das hei&#x017F;t ein trefflich &#x017F;tu&#x0364;ck gewagt!</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">L</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Ich</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0183] Das Vierdte Buch. Sie ſitzt in loſament verlaſſen von dem liebten haͤngt tieffer ſchwermuth nach/ gleich denẽ hoch betruͤbtẽ/ Die in ſich ſind verwirrt und aͤngſten immer zu Ihr hertz/ das nirgend kan empfinden ſanffte ruh. Sie legt ſich auff das bett/ auff welchem offt bey tage Eneas/ wenn er war ermuͤdt/ zu ligen pflage; Sie bildet ihr ihn ein/ als wie er wohn ihr bey/ Sie hoͤrt und ſiehet ihn mit ſuͤſſer phantaſey. Sie laͤßt den kleinen ſohn im ſchoſſe nieder ſetzen/ Und wil ſich durch das Bild des vaters ſo ergetzen/ Ob ſie auff dieſe weiſ die liebe teuſchen kan/ Die ihrer groͤſſe nach ſich nicht laͤßt zeigen an. Immittelſt bleibt das werck zu bauen ſchlaͤffrig hangen/ Das von der koͤnigin war neulich angefangen; Die purſche liebt nicht mehr die edle waffenluſt/ Es liget ſpieß und helm beſtaͤubet und verruſt. Man laͤßt die Haven ſtehn und ſchantzen unbeſetzet/ Und ſich an muͤßiggang und ſchnoͤder luſt ergetzet; Der angefangne bau ligt nieder mit verdruß/ Die hohe mauer/ burg und veſtung ſtehet bloß. Als nun des Jovis frau die Juno wargenommen/ Daß Dido ſolche peſt und liebsſucht angekommen/ Und daß ſie ihren ruff und hohe wuͤrdigkeit Nicht gegen ſetzen wil der liebe raſenheit; Sprach ſie zur Venus ſo: Ey wie ſchoͤn lob und beute Tragt ihr/ du und dein ſohn! Ey welche feine leute! Ihr habet groſſen ruhm an einer frau erjagt Mit eurer liſt: Das heiſt ein trefflich ſtuͤck gewagt! Ich L

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/183
Zitationshilfe: Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/183>, abgerufen am 08.05.2024.