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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Gebet nach dem heiligen Abendmahle.
selbst freywillig vieles versagen, mich selbst beherrschen
lernen, da ich nicht mehr unter der ganz genauen
Aufsicht anderer stehe und von ihnen regieret werde.
Als ein Mensch, als eine Bekennerin des Christen-
thums muß ich meine Freyheit in der Herrschaft über
mich selbst und über meine Leidenschaften, in der
Beobachtung deiner und aller menschlichen Gesetze, im
Gebrauche meiner Vernunft und in der Ausübung
der Tugend suchen. Ich muß mich aus eigener Er-
fahrung davon überzeugen, daß nur der aufgeklärte
und gutdenkende Mensch frey seyn kann; daß mich
nicht billige und heilsame Gesetze, sondern daß mich
die Unwissenheit, der Aberglaube, das Laster, der
Leichtsinn, die Zerstreuungssucht, die Eitelkeit, die
Tyranney der Mode u. s. w. zur Sclavin machen und
mir meine höchste Würde, meine edelste Freyheit
rauben.

Nun bin ich ein Mitglied der Gesellschaft und
des Staats geworden. Von nun an habe ich alle
häusliche und bürgerliche Pflichten auf mich genom-
men, die von dem weiblichen Geschlechte gefordert
werden. Itzt nehme ich eine andere und höhere Stel-
le in meiner Familie ein. Itzt sind meine Aeltern
und Freunde berechtiget, meine Hülfe und meinen
Beystand zu verlangen, da sie mir bisher ihre Hülfe und
ihren Beystand geleistet haben. Von nun an bin ich
zum Fleiße, zur Arbeitsamkeit, zur Theilnehmung
an den häuslichen Geschäfften verbunden. Itzt heißt
mich deine Vorsehung das lernen und mich in dem
üben, was künftig meinen Beruf ausmachen wird.

Itzt
E 5

Gebet nach dem heiligen Abendmahle.
ſelbſt freywillig vieles verſagen, mich ſelbſt beherrſchen
lernen, da ich nicht mehr unter der ganz genauen
Aufſicht anderer ſtehe und von ihnen regieret werde.
Als ein Menſch, als eine Bekennerin des Chriſten-
thums muß ich meine Freyheit in der Herrſchaft über
mich ſelbſt und über meine Leidenſchaften, in der
Beobachtung deiner und aller menſchlichen Geſetze, im
Gebrauche meiner Vernunft und in der Ausübung
der Tugend ſuchen. Ich muß mich aus eigener Er-
fahrung davon überzeugen, daß nur der aufgeklärte
und gutdenkende Menſch frey ſeyn kann; daß mich
nicht billige und heilſame Geſetze, ſondern daß mich
die Unwiſſenheit, der Aberglaube, das Laſter, der
Leichtſinn, die Zerſtreuungsſucht, die Eitelkeit, die
Tyranney der Mode u. ſ. w. zur Sclavin machen und
mir meine höchſte Würde, meine edelſte Freyheit
rauben.

Nun bin ich ein Mitglied der Geſellſchaft und
des Staats geworden. Von nun an habe ich alle
häusliche und bürgerliche Pflichten auf mich genom-
men, die von dem weiblichen Geſchlechte gefordert
werden. Itzt nehme ich eine andere und höhere Stel-
le in meiner Familie ein. Itzt ſind meine Aeltern
und Freunde berechtiget, meine Hülfe und meinen
Beyſtand zu verlangen, da ſie mir bisher ihre Hülfe und
ihren Beyſtand geleiſtet haben. Von nun an bin ich
zum Fleiße, zur Arbeitſamkeit, zur Theilnehmung
an den häuslichen Geſchäfften verbunden. Itzt heißt
mich deine Vorſehung das lernen und mich in dem
üben, was künftig meinen Beruf ausmachen wird.

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E 5
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[73/0085] Gebet nach dem heiligen Abendmahle. ſelbſt freywillig vieles verſagen, mich ſelbſt beherrſchen lernen, da ich nicht mehr unter der ganz genauen Aufſicht anderer ſtehe und von ihnen regieret werde. Als ein Menſch, als eine Bekennerin des Chriſten- thums muß ich meine Freyheit in der Herrſchaft über mich ſelbſt und über meine Leidenſchaften, in der Beobachtung deiner und aller menſchlichen Geſetze, im Gebrauche meiner Vernunft und in der Ausübung der Tugend ſuchen. Ich muß mich aus eigener Er- fahrung davon überzeugen, daß nur der aufgeklärte und gutdenkende Menſch frey ſeyn kann; daß mich nicht billige und heilſame Geſetze, ſondern daß mich die Unwiſſenheit, der Aberglaube, das Laſter, der Leichtſinn, die Zerſtreuungsſucht, die Eitelkeit, die Tyranney der Mode u. ſ. w. zur Sclavin machen und mir meine höchſte Würde, meine edelſte Freyheit rauben. Nun bin ich ein Mitglied der Geſellſchaft und des Staats geworden. Von nun an habe ich alle häusliche und bürgerliche Pflichten auf mich genom- men, die von dem weiblichen Geſchlechte gefordert werden. Itzt nehme ich eine andere und höhere Stel- le in meiner Familie ein. Itzt ſind meine Aeltern und Freunde berechtiget, meine Hülfe und meinen Beyſtand zu verlangen, da ſie mir bisher ihre Hülfe und ihren Beyſtand geleiſtet haben. Von nun an bin ich zum Fleiße, zur Arbeitſamkeit, zur Theilnehmung an den häuslichen Geſchäfften verbunden. Itzt heißt mich deine Vorſehung das lernen und mich in dem üben, was künftig meinen Beruf ausmachen wird. Itzt E 5

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/85>, abgerufen am 25.11.2024.