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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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oder der Mutter.
dieser meine gegenwärtige Ruhe störende Todesfall gu-
te und nützliche Folgen für mich haben wird.

Ferne sey von mir, daraus zu schließen, daß
mich der Verlust eines so guten Vaters (einer so gu-
ten Mutter) nicht rühren, oder daß ich sein (ihr)
Andenken nicht in meiner kindlichen Brust erhalten
soll! O dieses soll und muß mir stets heilig und un-
vergeßlich seyn und bleiben! Nichts soll die guten Leh-
ren, die heilsamen Warnungen, die liebreichen Er-
mahnungen aus meinem Herzen vertilgen, die ich
aus dem freundschaftlichen Munde einer mir so theu-
ren Person vernommen habe. Ich will mich bey
jeder Versuchung zum Bösen selbst fragen: ist dieß
dem Unterrichte, dem Beyspiele, der Bildung ge-
mäs, die mir der (die) für mein Glück besorgte
Vater (Mutter) gab? Würde er (sie) das billi-
gen und gut heißen können? Würde ich ihn (sie)
nicht dadurch betrübt und beleidiget haben?

Kann ich nun auch dem Verstorbenen meine Lie-
be und Dankbarkeit nicht mehr beweisen, so will ich itzt
meinem noch lebenden Vater (meiner noch lebenden
Mutter) mit desto größerm Eiser ergeben seyn. Ich
will den wärmsten Antheil an seinem (ihrem) Kum-
mer nehmen, seine (ihre) Thränen abzutrocknen
suchen und ihm (ihr) durch mein Verhalten und
durch meine Zärtlichkeit desto mehr Freude machen,
da er (sie) einen so vorzüglichen Gegenstand des Ver-
gnügens verloren hat. Ich will durch Geschicklich-
keit, durch Fleiß und Aemsigkeit im Hauswesen alles
nach meinen Kräften dazu bey tragen, was den Verlust

einer

oder der Mutter.
dieſer meine gegenwärtige Ruhe ſtörende Todesfall gu-
te und nützliche Folgen für mich haben wird.

Ferne ſey von mir, daraus zu ſchließen, daß
mich der Verluſt eines ſo guten Vaters (einer ſo gu-
ten Mutter) nicht rühren, oder daß ich ſein (ihr)
Andenken nicht in meiner kindlichen Bruſt erhalten
ſoll! O dieſes ſoll und muß mir ſtets heilig und un-
vergeßlich ſeyn und bleiben! Nichts ſoll die guten Leh-
ren, die heilſamen Warnungen, die liebreichen Er-
mahnungen aus meinem Herzen vertilgen, die ich
aus dem freundſchaftlichen Munde einer mir ſo theu-
ren Perſon vernommen habe. Ich will mich bey
jeder Verſuchung zum Böſen ſelbſt fragen: iſt dieß
dem Unterrichte, dem Beyſpiele, der Bildung ge-
mäs, die mir der (die) für mein Glück beſorgte
Vater (Mutter) gab? Würde er (ſie) das billi-
gen und gut heißen können? Würde ich ihn (ſie)
nicht dadurch betrübt und beleidiget haben?

Kann ich nun auch dem Verſtorbenen meine Lie-
be und Dankbarkeit nicht mehr beweiſen, ſo will ich itzt
meinem noch lebenden Vater (meiner noch lebenden
Mutter) mit deſto größerm Eiſer ergeben ſeyn. Ich
will den wärmſten Antheil an ſeinem (ihrem) Kum-
mer nehmen, ſeine (ihre) Thränen abzutrocknen
ſuchen und ihm (ihr) durch mein Verhalten und
durch meine Zärtlichkeit deſto mehr Freude machen,
da er (ſie) einen ſo vorzüglichen Gegenſtand des Ver-
gnügens verloren hat. Ich will durch Geſchicklich-
keit, durch Fleiß und Aemſigkeit im Hausweſen alles
nach meinen Kräften dazu bey tragen, was den Verluſt

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[47/0059] oder der Mutter. dieſer meine gegenwärtige Ruhe ſtörende Todesfall gu- te und nützliche Folgen für mich haben wird. Ferne ſey von mir, daraus zu ſchließen, daß mich der Verluſt eines ſo guten Vaters (einer ſo gu- ten Mutter) nicht rühren, oder daß ich ſein (ihr) Andenken nicht in meiner kindlichen Bruſt erhalten ſoll! O dieſes ſoll und muß mir ſtets heilig und un- vergeßlich ſeyn und bleiben! Nichts ſoll die guten Leh- ren, die heilſamen Warnungen, die liebreichen Er- mahnungen aus meinem Herzen vertilgen, die ich aus dem freundſchaftlichen Munde einer mir ſo theu- ren Perſon vernommen habe. Ich will mich bey jeder Verſuchung zum Böſen ſelbſt fragen: iſt dieß dem Unterrichte, dem Beyſpiele, der Bildung ge- mäs, die mir der (die) für mein Glück beſorgte Vater (Mutter) gab? Würde er (ſie) das billi- gen und gut heißen können? Würde ich ihn (ſie) nicht dadurch betrübt und beleidiget haben? Kann ich nun auch dem Verſtorbenen meine Lie- be und Dankbarkeit nicht mehr beweiſen, ſo will ich itzt meinem noch lebenden Vater (meiner noch lebenden Mutter) mit deſto größerm Eiſer ergeben ſeyn. Ich will den wärmſten Antheil an ſeinem (ihrem) Kum- mer nehmen, ſeine (ihre) Thränen abzutrocknen ſuchen und ihm (ihr) durch mein Verhalten und durch meine Zärtlichkeit deſto mehr Freude machen, da er (ſie) einen ſo vorzüglichen Gegenſtand des Ver- gnügens verloren hat. Ich will durch Geſchicklich- keit, durch Fleiß und Aemſigkeit im Hausweſen alles nach meinen Kräften dazu bey tragen, was den Verluſt einer

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/59>, abgerufen am 27.11.2024.